Susanne Sonntag
Köln (Weltexpresso) - Er wirft Fragen auf, schafft ungewöhnliche Verknüpfungen, liefert Denkanstöße, meldet sich in Debatten zu Wort. Noch lieber aber stößt er mit seinen Texten selbst welche an, wie etwa 2014 nach seiner großen Rede zum 65. Jahrestag des deutschen Grundgesetzes im Bundestag. „ttt“ spricht mit Navid Kermani über den Zustand der Republik und der Weltenlage kurz vor Weihnachten. Die Sendung kommt am Sonntag, 15. Dezember, vom hr und ist um 23.35 Uhr im Ersten zu sehen.
Es ist schon eine besondere Gabe, die er hat. Wenn Navid Kermani über den Zustand der Welt, die Grundfesten unserer Demokratie, die Flüchtlingsfrage oder auch nur über seine große Begeisterung für den 1. FC Köln spricht, dann gelingt ihm etwas Beeindruckendes: eine Intensität im Denken, die berührt, die oft auch moralische Fragen aufwirft, ungewöhnliche Verknüpfungen schafft und Denkanstöße liefert. Kermani ist wohl das, was man einen „öffentlichen Intellektuellen“ nennt, jemand, der sich in Debatten zu Wort meldet, noch lieber aber mit seinen Texten selbst welche anstößt, wie im Jahr 2014 nach seiner großen Rede zum 65. Jahrestag des deutschen Grundgesetzes im Bundestag. Auf keinen Fall wollte er – ein deutscher Schriftsteller und Journalist mit iranischen Wurzeln, ein gläubiger Muslim und habilitierter Orientalist – eine, wie er sagt, „kriecherische“ Rede auf die Verfassung halten.
Aber es war ihm ein großes Anliegen, diesen besonderen, grundlegenden Text auch besonders zu würdigen. Und so hielt Kermani eine Rede, in der er weit über die Verfassung hinausgeht, in der er beginnt, über Deutschland nachzudenken, als „eine Nation, die über ihre Geschichte verzweifelt“ und zugleich am eigenen Versagen gereift ist; er kommt zum Kniefall Willy Brandts und Brandts großem Satz „Ein guter Deutscher kann kein Nationalist sein“, um dann die Brücke zu Europa zu schlagen, in dem Deutschland „zu sich selbst“ heimkehre – und verbindet damit gleichsam einen Appell für das Menschenrecht auf politisches Asyl. Eine Rede, die den CSU-Abgeordneten und stellvertretenden Fraktionschef Georg Nüßlein den Saal verlassen ließ und noch tagelang die Zeitungen beschäftigte. Eine Rede, die sich auch dadurch auszeichnete, dass sie einen Blick auf Deutschland warf, wie es wohl nur ein Mensch wie Kermani kann, dessen Eltern als Einwanderer aus dem Iran vor mehr als 60 Jahren hierher kamen. Sein neues Buch „Morgen ist da“ umfasst seine großen Reden der vergangenen 20 Jahre und liest sich wie ein politisch-moralisches Protokoll entlang der Lebensnerven unserer Gesellschaft. Freiheit, Pluralität, Frieden – Kermani berührt darin alles, was wichtig ist.
„ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ trifft Navid Kermani in seiner Heimatstadt Köln und spricht mit ihm – anknüpfend an seine wichtigsten Reden – über den Zustand der Republik und der Weltenlage kurz vor Weihnachten. Die Sendung kommt am Sonntag, 15. Dezember, vom Hessischen Rundfunk (hr) und ist um 23.35 Uhr im Ersten zu sehen; es moderiert Max Moor.
Außerdem bei „ttt“:
John Burnside – Über Liebe, Magie und den Fluch des Brexits: „ttt“ trifft Burnside kurz vor der UK-Wahl in Schottland, wo er über seinen neuesten Roman „Über Liebe und Magie“ spricht, die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien abwägt und den allumfassenden Einfluss der Politik, der selbst bis in Liebesbeziehungen reicht.
„Fuck the government and fuck Boris!“ – Wie der Rapper Stormzy die britische Jugend politisiert: „ttt“ unterhält sich mit Stormzy in seiner Heimatstadt London über sein neues Album „Heavy Is The Head“.
„Fiktion Kongo“ – Vorurteile und Folgen auf beiden Seiten der Kolonisation: Im Museum Rietberg in Zürich spricht „ttt“ mit kongolesischen Künstlern wie Sinzo Aanza, David Shongo und Fiona Bobo über das Leben, die Kunst und das koloniale Erbe im Kongo.
Foto:
Der Schriftsteller, Publizist und Orientalist Navid Kermani
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