Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Um die Darbietung „Nibel auf Lunge“ im Kulturkeller zu genießen muss man kein Opernliebhaber sein oder den Komponisten Richard Wagner kennen. Lustvoll sezieren Schauspielerin Barbara Gottwald, Kabarettist Wolfgang Mihm und Musiker Christoph Gottwald zwar seinen „Ring des Nibelungen“. Doch aus dieser, von ihnen behaupteten, „größten Apokalypse der Operngeschichte“, kreieren sie ein eigenes kleines Gesamtkunstwerk.
Sofort bringt das Trio verbal Wagners „Ring" auf den Punkt: „Männer sabbern, Frauen spielen mit ihren Reizen“, dann zum Publikum „hier seid IHR richtig.“ In einem gewagten „Walkürenritt“ wird die sechzehnstündige Trilogie nicht nur mit feinziselierten Wortspielen oder derben Slapsticks teils zitiert, teils szenisch nachgespielt. In den zwei Stunden der Aufführung gibt es überdies launige Erklärungen für die Besucher zum Verständnis des Stücks und rasant dargebotene Assoziationen zum „Wahnsinn Wagners“. Über die Interpretation einiger Szenen streiten die Darsteller manchmal lautstark auf der Bühne. Am Ende erhält man so eine vage Vorstellung von der Singspiel-Sage, die wir allerdings nicht nacherzählen wollen, denn schließlich hat diese performative Collage ihren Eigenwert.
Dazu einige Bilder: Alberich, der machtgierige Zwerg, wird von Mihm mit einer Klappmaulpuppe dargestellt. Die Akteure verwandeln sich mit Perücken oder wenigen Requisiten in das - nach und nach wegsterbende - Personal der Oper. Brunhilde schläft in ihrer roten Latex-Rüstung, aus der Mihm sie als Siegfried herausschneidet. Während die Schauspielerin aus dem Libretto liest, kämpft Siegfried mit dem Lindwurm, den der Musiker auf der Tuba blasend in einem Sack verkörpert. „Kra! Kra!“, krächzt das Publikum, während Gottwald, diesmal als Hagen, den Helden zu schrillen Gitarrenklängen mit seinem Instrument ersticht. Zwischendurch stimmt die Gruppe auch Gesänge an: „Auch Goethe / spielte ab und zu nur Flöte. / Wir sind Banausen / und genießen unsere Flausen.“
Häufig finden auf der Bühne eigenartige Debatten über das Stück statt: Als Running Gag fragt Musiker Gottwald, „wann kommt denn der Gandalf?“ (aus dem Buch „Herr der Ringe“). Die Aktrice solle doch bitte nicht so dramatisch sein, meinen die Männer. Den wichtigsten Bezug zur Gegenwart stellt ein grotesker Quizabend aus dem TV-Vorabendprogramm her: Mihm als schmieriger Moderator fragt, welche Zitate von Adolf Hitler, welche vom Antisemiten Wagner stammen? Das Publikum rät meist richtig - nur der letzte judenfeindliche Spruch stammt von einem AFD-Mitglied.
Darf man denn Opern eines Antisemiten mögen, debattiert das Trio auf der Metaebene, kann man das gute Kunstwerk vom schlechten Menschen trennen? Schnell ist der Bühnendisput beim Popstar Michel Jackson und dem Filmemacher Roman Polanski.
Die Vorstellung ist trotz ihrer Komplexität keinesfalls überfrachtet - und beeindruckt obendrein noch durch liebevolle Details: Mit Klammern auf der Nase näseln Vorleser Mihm oder Vorleserin Gottwald Kitschiges aus dem Libretto. Blubbernde, sirrende, zischende Geräusche der Instrumente untermalen die Handlung oder verfremden Wagnerklänge. Trotz rauer Gags, intelligenter Wortspiele und fixer Wechsel der Ebenen gibt es in der Club-Atmosphäre des Kellers auch entspannte Momente.
Ohne Klamauk nehmen die Akteure kenntnisreich und doch respektlos Wagner und sein Rheingold auseinander. Der Meister wird weder verklärt noch seine dunkle Seite ausgespart, letztlich wird sogar das Interesse an ihm und seinem Musiktheater geweckt.
Fotos:
(c) Hanswerner Kruse
Info:
Weitere Zusatzvorstellung am 11. Januar 2020 im Kulturkeller Fulda
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