a schuette liDer wunderbar radikalen und aufrechten Margarete Schütte-Lihotzky zum heutigen 123. Geburtstag, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie hatte ihren 103. Geburtstag nur knapp verfehlt, Margarete Schütte -Lihotzky, aber sie hat diese letzten Lebensjahre unter einem Aspekt besonders genossen! Das, was ihr mit ausgesprochener Genugtuung immer wichtiger wurde, das ist schlicht, welch schrecklichen Menschen, welche gemeinen Monster, welche abgrundtief schlechten Mörder und Verbrecher sie überlebt hat!! Und dafür sind auch wir dem Schicksal dankbar.

Genauso wie wir für die Frankfurter Küche dankbar sind, die ihr – die sie der Frankfurter Stadtrat Ernst May vom Roten Wien ins Neue Frankfurt lotste – zwar ewigen internationalen Ruhm einbrachte, was aber für die ausgewiesene Architektin und Stadtplanerin, die selbst bis dahin auch fast nie gekocht hatte, für immer das Markenzeichen Küche aufbrummte, wogegen sie sich wehrte und tatsächlich von sich gab: „Ich bin keine Küche. (...) Hätte ich gewußt, daß ich ein Leben lang über diese verdammte Küche sprechen muß, dann hätte ich sie nie gebaut.“

Das kann man nachlesen in einer so spannenden, wie liebevollen und dabei auch noch für ein populärwissenschaftliches Buch sehr anspruchsvoller Publikation. Mona Horncastle hat nicht nur die Aspekte ARCHITEKTIN, WIDERSTANDSKÄMPFERIN, AKTIVISTIN in ihrer im österreichischen Verlag Molden erschienenen Biographie von Margarete Schütte-Lihotzky (23.1. 1897 Wien/ Österreich-Ungarn – 18. 1. 2000 Wien, Österreich) in ein stimmiges Leben gebracht, das die Wirren des 20. Jahrhunderts geradezu exemplarisch an ihrem Leben aufzeigt, sondern sie hat mit einem Nachwort von Uta Graff und einem gewaltigen Anmerkungsapparat und vielen Kurzbiographien sowie dem Literaturanhang auch denen eine Chance gegeben, das Ungewöhnliche am Lebensentwurf und dem verlaufenen Leben der Margarete Schütte-Lihotzky zu erkennen, ihr gerade demokratischer und zukunftszugewandter Gang und die Einbußen sowie Gefährdungen, die ihr dadurch von den Nazis drohten, die erst einmal wenig vom ROTEN WIEN und auch nicht besonders viel oder gar nichts vom NEUEN FRANKFURT wissen.

Wir wollen auf diese Biographie noch näher eingehen, jetzt aber am heutigen Tag eben auch über die Zufälle staunen, wenn einen Tag vor ihrem 103. Geburtstag im Frankfurter Filmmuseum (DFF) einer anderen Frau gedacht wurde: Ella Bergmann-Michel (1895-1971), die als Filmaktivistin die sozialen Ideen des NEUEN FRANKFURT filmisch aufnahm und soziale Anliegen mit ihren Filmen unterstütze. Bei WO WOHNEN ALTE LEUTE, Deutschland 1931 hat man sich das zustimmende Nicken von Margarete Schütte-Lihotzky schon vorgestellt, dann aber innegehalten. Ob sie damit zufrieden gewesen wäre, daß statt der heizungs-, fahrstuhl-, toilettenlosen Wohnungen im dritten, vierten und fünften Stock in den sogenannten Gründerzeitjahren, die von außen imposant aussahen und von innen verrottet waren, nun den alten Leuten – also denen ab 55 oder 60 Jahren!! - Gemeinschaftseinrichtungen wie das Henry- und Emma-Budge-Heim in Seckbach ihre individuellen Zimmer einrichteten, kann man nicht mal schlüssig beantworten, denn die Konzepte der Wiener Architektin waren immer Gesamtkunstwerke. Das soll heißen, daß man ohne zu wissen, wie denn die Bäder, die Küchen, eben das Gemeinsame an der Altenwohnanlage konzipiert waren, man überhaupt keine Aussage über die Qualität des Wohnens machen kann. Und die sind in diesem, den Fortschritt feiernden Film ausgespart. Aber da M.S.L. auch sagte: „Die Schönheit einer Anlage liegt in der Betonung einer Gemeinschaft.“, kann man schon davon ausgehen, daß ihr die Altenwohnanlage gefallen hätte.

So war diese Kämpferin für ein besseres Leben für alle Menschen, was ja heißt, bestimmten Wenigen ihre Privilegien zu nehmen, damit auch die Masse ein erträgliches Leben hat. Sie wuchs in Wien in einer Familie auf, zu der man gutbürgerlich sagt, wobei das für Wien immer mit einem Schmäh verbunden ist, kommt doch jeder echte Wiener eigentlich aus einem der Kronländer des Habsburgerreiches. Denn 1897, als Margarete geboren wurde, gab es ja noch dieses Reich, das mit mit der Bukowina das östlichste Kronland hatte, wo ihr Großvater Gustav Lihotzky Bürgermeister der Hauptstadt, nämlich von Czernowitz war. Und wie alle, die sich hervortaten, ging er in die Reichshauptstadt und wurde sogar Hofrat im k.k. Justizministerium in Wien.

Margarete hatte Selbstbewußtsein von zu Hause mitbekommen, vom relativ früh verstorbenen Vater – Vatertöchter entwickeln meist Power -, aber auch von ihrer Mutter, die frauenbewegt und sozial eingestellt ihrer Tochter ein Vorbild und kein Hemmnis war. Denn unter anderen Bedingungen hätte sie nicht als erste Frau in Österreich Architektur studiert, sich mal mit, mal gegen Adolf Loos auch in Wien durchgesetzt, denn sie war die erste Frau, die als Architektin auch arbeiten durfte. Das alles wollen wir noch vertiefen, jetzt aber zusammenfassen, was Ihr Lebenscredo war, auch wenn sie es so nicht ausdrückte, sondern nur lebte: die bekannte Formel der Moderne: Form folgt der Funktion erfüllte sie mit Inhalt. Denn das Leben, das soziale Miteinander, das alle Menschen gleichberechtigt an Luft und Raum auf Erden teilhaben läßt.galt ihr als Funktion, dem das Bauen, das von Städten, Häusern, Wohnungen als notwendige Form entsprechen sollte. Das ist die weitgefaßteste und menschlichste Auslegung dieser Formel von: Form folgt der Funktion.

Das, wie auch die vielen Meter, die eine Frau – klar, die Frankfurter Küche war noch deutlich auf die Frau als Hüterin des Herdes und Köchin der Familie zugeschnitten – in ihrer Küche zurücklegen muß, führten dann übrigens zur FRANKFURTER KÜCHE, die allein hierzulande über 12 000 Mal eingebaut wurde, 360 000 Mal in Frankreich...wobei es unerheblich ist, dies zu zählen, den Margarete Schütte- Lihotzky hat ja mit dieser Küche das Modell geschaffen, das heute gang und gebe ist: die Einbauküche. Die sieht heute anders aus, aber das Prinzip des Einbauens ist dasselbe.

Und so sind wir doch wieder bei der Küche gelandet. Versprochen, die weiteren Ausführungen über ihre Biographie und die Filme vermitteln dann die anderen Teile ihres aufregenden Lebens.

Foto:
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Info:
Mona Horncastle, Margarete Schütte-Lihotzky. Architektin, Widerstandskämpferin, Aktivistin
Die Biografie
Moden Verlag 2019

Die Frankfurter Küche
Deutschland 1927, Regie: Paul Wolff, 7 Min. 35 mm

Die Frankfurter Küche
BRD 1985, Regie Jonas Geist, Joachim Krause 42 Min, digital

Margarete Schütte-Lihotzky (* 23. Jänner 1897 in Wien-Margareten, Österreich-Ungarn; † 18. Jänner 2000 in Wien) war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten und wahrscheinlich die erste Frau, die den Beruf in Österreich umfassend ausübte. Sie lebte und arbeitete einige Jahre in Deutschland und der Sowjetunion. Der Entwurf der Frankfurter Küche machte sie international bekannt.

http://www.frankfurterfrauenzimmer.de/cp10-detail.html