Düstere Aussichten für Frankfurts Schauspiel und Oper
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die „Frankfurter Rundschau“ attestierte dem Leiter der Stabsstelle zur Zukunft der Bühnen in der letzten Woche, dass er „bereits das Megaprojekt der neuen Altstadt zum Erfolg geführt“ habe.
Dieses Kompliment kann man auch als zynische Satire verstehen. Glänzt Frankfurts Disneyland doch trotz erhoffter und tatsächlicher Touristenströme seit der Eröffnung durch sichtbar gewordene peinliche Bausünden. Beispielsweise durch fehlende Toilettenanlagen. Die Betreiber der engen Cafés und Restaurants dürfen keine Außenbestuhlung anbieten, weil dadurch Feuerwehrzufahrten versperrt würden – was ihnen erst durch die Feuerwehr mitgeteilt wurde. Und bei der Verlosung der subventionierten Eigentumswohnungen hatten einige Prominente (u.a. die frühere Oberbürgermeisterin) doppeltes Losglück. Kurzum: Die neue Altstadt ist das gemeinsame Produkt von Inkompetenz und Vetternwirtschaft. Und den projektierten Neubauten für Schauspiel und Oper droht vermutlich Ähnliches.
Denn wiederum geht es um die Errichtung von Kulissen für den äußeren Schein und die Veräußerung öffentlichen Eigentums (nämlich der Anlage am Willy-Brandt-Platz) an Spekulanten. Der CDU-Sprecher Thomas Dürbeck wünschte sich bereits im Sommer 2017 die künftige Theateranlage als repräsentativen Komplex – am Stadtrand. Stefan Wangenheim von der FDP plädierte damals für ein Hochhaus am jetzigen Standort, vermutlich eines mit Luxuseigentumswohnungen über dem Theatertrakt. Eine derartige Nachbarschaft würde das kulturelle Klima am Willy-Brandt-Platz mehr beeinträchtigen als die Rotlicht-Szene im nahen Bahnhofsviertel. Der ehemalige Frankfurter Planungsdezernent Martin Wentz (SPD) bekannte seinen Hang zur Gigantomanie: Die Investition von 800 Millionen Euro in einen künftigen Theaterbau müsse man diesem auch von außen ansehen können.
Doch wer in solchen Kategorien denkt, offenbart seine Kulturferne und schämt sich noch nicht einmal dafür. Zu den Angeboten auf den Bühnen hingegen – also der eigentlichen Sache - fällt nach wie vor kaum ein Wort. Von den federführenden Vertretern der CDU (siehe oben), der Grünen und der SPD ist in diesem Punkt auch nichts zu erwarten. Selbst die Linke spricht sich für einen Neubau aus, wenn auch an alter Stelle. Es scheint so, dass die Kultur parteiübergreifend einen geringen Stellenwert auf der politischen Agenda hat.
Aber selbst nüchterne Überlegungen werden anscheinend gar nicht erst angestellt. Planer, die etwas von ihrem Metier verstehen, folgen üblicherweise unaufgebbaren Rahmenbedingungen:
Der Standort der Bühnen am Willy-Brandt-Platz hat sich allein wegen seiner guten Verkehrsanbindung (sechs U-Bahnlinien, zwei Tramlinien) bewährt. Das äußere, sehr funktionale Erscheinungsbild symbolisiert den Neuanfang in den 1950er Jahren und besitzt einen kulturhistorischen Wert. Zusätzlich benötigte Funktionseinrichtungen könnten in einem Anbau neben der Oper, der sich in das Gesamtbild einfügte, untergebracht werden (dort wo sich heute der Zugang zur Tiefgarage befindet). Nicht zuletzt müsste der finanzielle Rahmen in einem gesunden Verhältnis zu anderen kulturellen und sozialen Projekten stehen. 400 bis 500 Millionen Euro erscheinen angemessen. All das könnte eine Chance für Könner sein, aber nicht für die Dilettanten vom Altstadt-Disney-Land.
Außerdem:
Das Votum für einen Neubau der Bühnen passt nicht in eine Zeit, in welcher der vernünftige Umgang mit Ressourcen und folglich die Prinzipien der Nachhaltigkeit größte Priorität genießen müssten. Die Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz erfüllt ihren Zweck, sie muss jedoch saniert werden. Der Sanierungsumfang ist besonders groß, weil man es vor 30 Jahren – also ca. 35 Jahre nach Fertigstellung - versäumte, notwendige Reparaturen durchzuführen. Dennoch dürfen die Fehler von gestern keine Rechtfertigung sein für eine Planung, die den Ausverkauf von Kultur an Banausen und Geldwäscher bedeuten würde.
Foto:
Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz / linker Flügel: Schauspiel
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