Neueroeffnung Juedisches Museum Von Schoeler Hartwig Feldmann Wenzel copyright Stadt Frankfurt am Main Bernd KammererSerie: Deutschlands erstes kommunales Jüdisches Museum öffnet nach mehrjähriger Bauzeit in erweiterter Form, Teil 2

Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nicht einmal ein Augenzwinkern in Richtung Trauer sei in der Konzeption des neuen Jüdischen Museums in Frankfurt am Main zu verspüren, merkte Oberbürgermeister Peter Feldmann anlässlich der Eröffnung des Erweiterungsbaus und der Renovierung des bestehenden Rothschildpalais an, die als Museumsensemble ab 21.Oktober wieder für die Besucher offenstehen.

Die vielen traurigen Momente, die doch mit der jüdischen Geschichte in Deutschland verbunden sind, stehen zumindest nicht an erster Stelle des neuen Museumsparcours. Man will vielmehr nach vorne schauen, offen sein für alle Bürger der Stadt und jüdisches Leben als Teil des Lebens in Frankfurt verstanden wissen, davon ist die seit 2016 amtierende Direktorin Mirjam Wenzel überzeugt, die Neubau und Neuorientierung tatkräftig vorangetrieben hat.

Offenheit spiegelt schon die Architektur des Neubaus von Staab Architekten aus Berlin. Ein minimalistisch glattflächiger Kubus aus verwinkelten spitzwinkligen Formen in hellem Sichtbeton und Putz ist in den einstigen Gartenraum des Rothschildschen Palais plaziert und tritt in lockerer und offener Weise in Korrespondenz zu diesem. Durch ein großzügig bemessenes Foyer, das von einem Lichtdach beleuchtet wird, durch das die vorüberziehenden Wolken am Himmel sichtbar werden, erhält jeder Besucher freien Zugang zum Restaurant "Flowdeli", in dem milchig-koschere Speisen angeboten werden, und zur Bibliothek, die in erster Linie Kinder und Jugendliche anspricht und sowohl Lernort wie auch Aufenthaltsort sein will. Im Untergeschoss des Neubaus werden vorwiegend temporäre Ausstellungen gezeigt wie die erste ab 22. Oktober unter dem Titel "Die weibliche Seite Gottes".

Eine raumbreite Treppe führt hinab zu einem Übergang ins renovierte Rothschildpalais, vorbei an einem weiteren großen Fenster, das den Blick zum Vorplatz freigibt und die Skulptur "Untitled" des israelischen Künstlers Ariel Schlesinger, einen in sich verwurzelten doppelten Metallbaum, in den Fokus rückt.

Das alte Palais, einst als Wohnhaus für die Familie von Rothschild erbaut, beherbergt nach unterschiedlichen Nutzungen über die Jahre die Dauerausstellung des Museums unter dem Titel "Wir sind jetzt: Jüdisches Frankfurt von der Aufklärung bis zur Gegenwart".

Im oberen Geschoss wird jüdisches Leben in der Moderne thematisiert mit Interviewausschnitten einiger bekannter Frankfurter Persönlichkeiten. Auch die bildende Kunst erhält viel Raum zugestanden. Mit Ausstellungen zu Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882) oder Jakob Nussbaum (1873-1936), so ist die Kuratorin Sara Soussan sicher, wird man sich durchaus mit dem hiesigen Städelmuseum messen können. Der Judenhass - diesem Begriff wird gegenüber dem allgemein gängigen "Antisemitismus" der Vorzug gegeben - ist ein Thema, wie auch die Innovationen, das Engagement und die Beiträge jüdischer Mitbürger zum gesellschaftlichen Leben.

Im mittleren Stockwerk steht der Wandel von Traditionen und Ritualen im Vordergrund. So können die Besucher unter dem Motto "Meet the Rabbi" den fünf in der Stadt wirkenden Rabbinern per iPad Fragen stellen und Kinder dürfen Ritualgegenstände einmal sinnlich erleben, zum Beispiel ein Thorarolle zum Anfassen. Generell wird sehr viel an ein junges Publikum gedacht, denn, so betont die Direktorin des Museums, man strebt eine Erziehung zur Selbstreflexion an, ein seit Jahrtausenden praktiziertes jüdisches Unterrichtsprinzip, das heutzutage bei jungen Menschen einen Dialog in Gang setzen könnte, der so manches Vorurteil gar nicht erst aufkommen lässt.

Schließlich werden drei jüdische Familien vorgestellt, die Bankiersfamilie von Rothschild in vorbildlich restaurierten Originalräumen, die Familie Valentin Senger, die die Shoà in Frankfurt überlebte, und die Familie Frank, an deren berühmtestes Mitglied Anne Frank und deren Baseler Familie und Amsterdamer Exil erinnert wird.

Sehr schön ergänzt sich die Architektur mit den Ausstellungsgegenständen, was keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, und auch die für das 1820 erbaute Palais charakteristische Enfilade ist als Abfolge einzelner Museumsräume eindrucksvoll inszeniert.

Foto:
v.Schoeler, Hartwig ,Feldmann, Wenzel
© Stadt Frankfurt am Main Bernd Kammerer

Info:
Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Bertha-Pappenheim-Platz 1, Frankfurt ab 21. Oktober 2020
Ausstellung "Die weibliche Seite Gottes" ab 22. Oktober 2020