Verleihung in der Frankfurter Paulskirche
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ende Oktober wurde in Frankfurt am Main zum neunten Mal der Internationale Hochhauspreis verliehen. Etwas früher als in den Vorjahren, als habe man geahnt, dass nur wenige Tage später eine erneute coronabedingte Totalschließung ansteht. So hatte die damit einhergehende Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum nur drei Tage lang geöffnet, sie wird aber noch bis 21. Februar 2021 zu sehen sein. Ebenfalls coronabedingt fand die Preisverleihung digital in der leeren Frankfurter Paulskirche statt, die an diesem Abend wie ein Fernsehstudio wirkte.
Schon im April waren 31 der weltweit in den letzten zwei Jahren fertiggestellten Hochhäuser für den Preis nominiert worden. Fünf davon kamen in die engere Auswahl und prämiert wurde schliesslich Norra Tornen, eine 2018 bzw. 2020 fertiggestellte Doppelturmanlage in der Innenstadt von Stockholm. Ein Hochhausensemble, das aus einem 125 Meter und einem 110 Meter hohen Turm besteht und eine Art Torbau am Torsgatan darstellt, der den Übergang zwischen dem Wohnviertel Vasastaden aus den 1930er Jahren und einem daran anschliessenden neuen Stadtteil Hagastaden markant inszeniert. Doppeltürme kommen zwar in der ansonsten eher flach bebauten schwedischen Metropole öfter vor, Norra Tornen mutet zumindest auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig an. Die Bauform zweier sich nach oben hin organisch verjüngender Türme beidseitig des Torsgatan geht auf einen Vorschlag des Stadtarchitekten Aleksander Wolodarski zurück, der sich eine besondere Eingangssituation zum neuen Stadtquartier wünschte, in dem bis 2030 an die 6000 Wohnungen und 50000 Arbeitsplätze entstehen werden.
Der Bauherr Oscar Engelbert, Gründer von Oscar Properties in Stockholm, einem auf Wohnungsbau spezialisierten noch sehr jungen Unternehmen, nahm die bauliche Herausforderung an und beauftragte eines der innovativsten Architekturbüros für den Entwurf. Das 1975 vom Stararchitekten Rem Koolhaas gegründete Rotterdamer Office for Metropolitan Architecture (OMA) entwickelte unter der Leitung seines Projektarchitekten Reinier de Graaf eine modulare Architektur, die spielerisch alle Kriterien erfüllt, die sich die Jury in Frankfurt für diesen Preis vorgestellt hatte.Denn für den von der DEKA Bank und der Stadt Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum seit 2004 alle zwei Jahre vergebenen Internationalen Hochhauspreis zählt nicht in erster Linie die Höhe eines Gebäudes. Zwar muss ein Hochhaus mindestens 100 Meter messen, doch ebenso ausschlaggebend sind seine Qualität und Innovationskraft wie auch ökonomische Aspekte und sein städtebaulicher Bezug.
Norra Tornen ist als Modulbau vollständig aus Betonfertigteilelementen erbaut. Mit diesem Plattenbauprinzip konnte Bauzeit und vor allem Baukosten eingespart werden. Doch wie ein Plattenbau wirkt das Hochhaus ganz und gar nicht. Vielmehr lassen Vor- und Rücksprünge der wie eingeschobene Bausteine wirkenden Module die Fassaden lebendig und differenziert wirken. Balkone und Terrassen ermöglichen Ausblicke in verschiedene Richtungen und grosse Fenster lassen viel Licht in die Wohnungen, besonders in der langen dunklen Jahreszeit. Die dreifachverglasten Fenster sind bei einem Hochhaus generell nicht zu öffnen, stattdessen gibt es Lüftungselemente in den Fassaden. Deren hellbeige Färbung nimmt Bezug zu dem für die Stadt typischen Farbspektrum zwischen sandigem Beige und rötlichem Braun.
In die engere Auswahl für den diesjährigen Hochhauspreis kamen vier weitere Bauten, darunter das atemberaubende Bürohochhaus "Leeza Soho" in Peking nach einem Entwurf von Zaha Hadid Architekten, London, das vom Londoner Heatherwick Studio entworfene Wohnhochhaus "Eden" in Singapur, das Hochhaus "The Stratford" von Skidmore, Owings & Merrill (SOM) in London und ein Frankfurter Beitrag, das gerade erst bezogene Büro- und Wohnhochhaus "Omniturm" der dänischen Architekten Bjarke Ingels Group (BIG) an der Neuen Mainzer Strasse.
Fotos:
Der Siegerentwurf Norra Tornen Stockholm
© Laurian Ghinitoiu
Info:
Ausstellung: "Best Highrises" 2020/21 - Internationaler Hochhauspreis 2020, Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main, Schaumainkai 43
Öffnungszeiten nach der Totalschliessung: Di, Do-So 10:00-18:00 Uhr, Mi 10:00-20:00 Uhr
Katalog: "Best Highrises 2020/21 - The International Highrise Award / Internationaler Hochhauspreis 2020, Hrsg. Peter Cachola Schmal, Peter Körner, Stefanie Lampe, Jonas Mahlzahn, deutsch/englisch, Jovis Verlag, Berlin, 2020, 28.- EUR (Museum), 34.- EUR (Buchhandel)