EZB Grossmarkthalle Frankfurt Copyright Deutsches ArchitekturmuseumStrategien zum Erhalt des kulturellen Erbes in wachsenden Metropolen

Roswitha Cousin

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am Donnerstag, 10. Dezember, findet um 19 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kontext, Kontrast, Kontinuität – Erhalt des kulturellen Erbes und Stadtentwicklung“ eine internationale Diskussionsveranstaltung zu Markthallen des 20. Jahrhunderts statt.

Planungsdezernent Mike Josef erläutert: „Das Neue Frankfurt wurde im vergangenen Jahr vom Bund als Nationales Projekt des Städtebaus ausgezeichnet. Mit Hilfe des Bundesprogramms sanieren wir in der Römerstadt, der Heimatsiedlung und im Riederwald Gebäude und werten Freiräume auf. Die Auszeichnung des Bundes ist für Frankfurt eine Verpflichtung, das Thema Denkmalschutz und Stadtentwicklung auch im internationalen Kontext zu diskutieren. Frankfurt und unsere Partnerstadt Tel Aviv sowie Haifa stehen vor ähnlichen stadtpolitischen Aufgaben. Es geht insbesondere um die Frage, wie historisch gewachsene Stadtstrukturen oder auch Einzelbauten in dynamisch wachsenden Regionen geschützt und behutsam weiterentwickelt werden können. Zu dieser Fragestellung fand im vergangenen Jahr bereits ein Expertenaustausch zwischen Frankfurt und unserer Partnerstadt Tel Aviv sowie Haifa statt. Diesen Dialog möchten wir mit unseren israelischen Kolleginnen und Kollegen bei der öffentlichen Online-Veranstaltung fortsetzen.“

„Mit diesem Format setzen wir den fruchtbaren Dialog zwischen Tel Aviv und Frankfurt fort, der letztes Jahr mit einer Konferenz in Tel Aviv gestartet war. Beide Städte profitieren von diesem regen Austausch über mögliche Lösungsansätze zu ähnlichen Herausforderungen. Schon der erste Abend der neuen Reihe zeigte zudem, dass mit der Verlegung der Diskussionen online eine viel höhere Anzahl an Interessierten teilnimmt: Das freut uns vom Deutschen Architekturmuseum als maßgeblichem Organisator der Reihe sehr“, sagt Andrea Jürges, die stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums (DAM), die außerdem darauf verweist, dass die Videos der Abende auf dem YouTube-Kanal des DAM nachschaubar bleiben.

Auch für Sharon Golan Yaron, Programmdirektorin des Liebling-Hauses, dem Kulturzentrum der Weißen Stadt in Tel Aviv, ist die Veranstaltungsreihe ein nicht zu unterschätzender Gewinn für alle: „Dieser Dialog ist so wichtig, weil Frankfurt und Tel Aviv ähnliche Herausforderungen bewältigen müssen: Sie stehen unter enormem Entwicklungsdruck, wollen aber zugleich ihr historisches Erbe und die urbanen Qualitäten, die sie auszeichnen und so lebenswert machen, erhalten. Dieser Dialog dient auch dazu, die unter Denkmalschutz stehenden Häuser nicht nur als Prachtexemplare in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten, sondern die vorhandene Infrastruktur der Umgebung und den Bedürfnissen der Nutzer, Bewohner und Nachbarn miteinzubeziehen. Der Stil der ‚Moderne‘, der in beiden Städten vorhanden ist, stand von vornherein nicht nur für Fortschritt in der Bautechnologie, sondern strebte vor allem an, der menschlichen Gesellschaft zu dienen.“

Jörg Haspel, Präsident des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS, ergänzt: „Tel Aviv und Frankfurt feiern 2020 eine langjährige Städtepartnerschaft. Ihren Aufstieg zu internationalen Metropolen verdanken die junge Hafenstadt in Israel und die alte freie Reichsstadt in Deutschland ihrer rasanten wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung im 20. Jahrhundert. Davon kündet in beiden Städten ein einzigartiges Erbe der Moderne. Die ‚Weiße Stadt Tel Aviv‘ und das ‚Neue Frankfurt‘ sind zu einem weltbekannten Synonym geworden für den Fortschrittsoptimismus und das Glücksversprechen der Architekturutopien des 20. Jahrhunderts. Die Moderne des letzten Jahrhunderts ist entstanden aus einem radikalen Bruch mit der Tradition und der Vergangenheit. Das städtebauliche und architektonische Erbe der Moderne werden wir in Metropolen wie Frankfurt und Tel Aviv nur bewahren können, wenn wir uns mit dem geschichtsignoranten Erbe der Moderne kritisch auseinandersetzen. ICOMOS dankt dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt und dem Max Liebling Haus in Tel Aviv, die diesem kritischen Denkmaldiskurs eine aktuelle Plattform bieten.“

Am Donnerstag, 10. Dezember, wird sich der zweite Abend der Reihe mit der Revitalisierung und Sanierung historischer Markthallen sowie deren Neunutzung befassen. Dabei wird zu diskutieren sein, inwieweit sich die Bauten an den Zeitgeist anpassen. Im Zentrum der Diskussion stehen der Talpiot Haifa Market und die Frankfurter Großmarkthalle. Die zwischen 1937 und 1940 errichtete Markthalle im Haifaer Stadtteil Hadar entwarf der Architekt Moshe Gerstel im International (Bauhaus) Style. Das Gebäude war während des britischen Mandats ein Symbol der bürgerlichen Europäer. Das Frankfurter Beispiel ist die Großmarkthalle, errichtet von Martin Elsaesser zwischen 1926 und 1928 als Teil des Neuen Frankfurt Programms für die wachsende Metropole. Die historische Markthalle wurde seither saniert und nach Plänen des Büros Coop Himmelb(l)au umgenutzt. Heute ist das Gebäude integraler Bestandteil des Hauptsitzes der Europäischen Zentralbank.

Der Architekt Amir Freundlich erläutert den Talpiot Haifa Market und die stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseum, Andrea Jürges, stellt die Großmarkthalle Frankfurt sowie weitere Markthallen und ihre Weiternutzungen vor, die anschließend mit dem Anthropologen Regev Nathansohn (Sapir Academic College, Sha’ar HaNegev) und dem Architekten Guy Shachar (Haifa Municipality Department of Conservation) diskutiert werden. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt und wird von Inbal Ben Asher Gitler von ICOMOS Israel moderiert.

„Kontext, Kontrast, Kontinuität“ wurde vom Planungsdezernat im Rahmen des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus: Aufwertung der Siedlungen des Neuen Frankfurt“ in Kooperation mit dem Liebling Haus - White City Center (Tel Aviv Yafo), dem Deutschen Architekturmuseum, dem Forum Neues Frankfurt, der Ernst-May-Gesellschaft sowie ICOMOS Deutschland und ICOMOS Israel initiiert. Die Veranstaltung ist Teil des 40. Jubiläums der Städtepartnerschaft Tel Aviv Yafo und Frankfurt am Main.

Foto:
EZB/Großmarkthalle Frankfurt
© DAM

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Weitere Termine:

14. Januar 2021: Ernst May Haus Frankfurt und Max Liebling Haus Tel Aviv – Architektur-Denkmal als Ausstellungs- und Besuchsobjekt?

11. Februar 2021: Offenes Erbe des 20. Jahrhunderts – Weltkulturerbstätten und –initiativen in Deutschland und Israel

Mehr Informationen und Links zum Livestream finden sich unter http://dam-online.de im Internet.