geschmiedete himmelDie Welt der Himmelsscheibe von Nebra. Neue Horizonte. Für die neue Ausstellung ist der neue Katalog schon da! Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Ding, diese runde Scheibe von 32 Zentimetern Durchmesser, naja, Scheibe ist ja wohl immer rund, bedeutet mir etwas, bedeutet mir viel, seit ich sie schon vor längerem zum ersten Mal sehen durfte und seither einige Male original, wobei ich die so kunstvoll hergestellten Kopien mit meinen Augen wohl nicht vom Original unterscheiden könnte, denn beim Kopieren gelang es diesen Künstlern, die Aura gleich mitkopieren. Echt.

Für mich gehört dies Ding zu dem Beeindruckendsten, was ich mein Leben lang sah. Daß dazu auch die Geschichte ihres Fundes gehört und den kriminalistischen Weiterungen, die ich in Basel mitbekam, gehört sicher dazu. Dazu noch mehr. Erst aber etwas zu unserer neuzeitlichen Arroganz. Wenn es nämlich an mir oder an Ihnen läge, all die technischen Erfindungen zu tätigen oder die Forschungen zu unserem Körper und dem Geschehen in der Natur zu entwickeln, all die Hervorbringungen entdeckt, erforscht, erfunden...zu haben, würden wir heute noch auf den Bäumen leben. Diese Erkenntnis begelitet mich ein Leben lang, was mir seit jeher einen Heidenrespekt vor menschlichen Errungenschaften einflößte, die uns ein zivilisiertes Leben möglich machen.

Die Himmelsscheibe von Nebra ist von Menschen gestaltet und gefertigt wurden, die genau wußten, was sie taten, und ist damals von Menschen betrachtet worden, die ebenfalls sofort interpretieren konnten, was sie auf der Scheibe und in der Scheibe selbst sahen, während wir heute Spezialisten brauchen, um sie lesen zu können. Das nur einmal dazu vorneweg.

Ich persönlich kann von Glück reden, daß ich mit meiner Begeisterung nicht alleine bin, sondern daß diejenigen, die von Berufs- bzw. wegen mit der Himmelsscheibe befaßt sind, uns ihre Kenntnisse und Erkenntnisse in Abständen weitergeben. Das erste Mal war das nach dem Auffinden und den Forschungsergebnissen die Ausstellungen DER GESCHMIEDETE HIMMEL. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren, einen Ausstellungsband, besser eine Erarbeitung von Harald Meller mit Fotos von Jurai Lipták,, die die Wanderausstellung erst mit der echten Scheibe, dann eben mit einer dieser unsagbar ‚echt‘ wirkenden Kopien, begleitet hat. Ursprünglich war die erste Ausstellung vom 15. Oktober bis 14. April 2005 im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale. Wir konnten sie auf der – nach Kopenhagen, Wien und Mannheim, nächsten Station in BASEL sehen, wo sie vom 29. Oktober 2006 bis 29. Januar 2007 im Historischen Museum Basel ausgestellt wurde, in dieser herrlichen Barfüsserkirche mitten in der Stadt. Dort lautet mit dem gemeinsamen Obertitel DER GESCHMIEDETE HIMMEL der Untertitel leicht variiert: Religion und Astronomie vor 3600 Jahren. Aber ich habe dann die Ausstellung in den Jahren darauf – ich denke mit den Kopien - auch noch mal in Frankfurt und anderswo gesehen. Wo auch immer Sie die HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA sehen können, gehen Sie hin!

In Erinnerung ist mir außer dem sinnlichen Eindruck von der Schönheit der Scheibe vor allem geblieben, daß sie uns einen, zuvor unbekannten Einblick geben kann, welches Bild von der Welt und ihrer Einbettung ins All sich die Menschen vor 3600 Jahren, also der Bronzezeit gemacht haben. Nicht alle Menschen, aber die, die die Produktion der Scheibe veranlaßten, bzw. machten. Man nennt das in der Archäologie als Fachrichtung die Archäoastronomie, die unmittelbar die ganz anders gearteten Anlagen in Stonehenge oder andere Großsteinbauten Westeuropas mit im Blick haben. Harald Meller, der Herausgeber des Bandes, war damals – und ist es heute - der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt und Direktor des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (Landesmuseum für Vorgeschichte) und betont in seinem Vorwort, daß es eben nicht erstaunlich sei, weshalb gerade in Sachsen-Anhalt diese Himmelsscheibe aus dem Boden geborgen wurde.

Die Westdeutschen, also die Bürger vom ehemaligen Westdeutschland, hatten immer nur gelernt, daß die Zukunft aus dem Westen käme. Bis heute schlägt diese Westprägung ja massiv durch. Daß aber die Vergangenheit und auch die jüngste bronzezeitliche Vergangenheit– bei Zeiträumen von 3600 Jahren sind 1000 Jahre nicht viel - aus dem Osten, genau in Sachsen-Anhalt, im Herzen Europas stattfand, ist nur für den Westen erstaunlich. Wie das Geschlecht der Ottonen in Magdeburg als Kaiser des Römischen Reiches (deutscher Nation kam erst später), dieses Reich bestimmte, hatte deutlich eine der ersten großen EU-Ausstellungen gezeigt: "Die Mitte Europas um das Jahr 1000". Diese erhellende Ausstellung konnten wir zweimal sehen, einmal in Prag und einmal in Magdeburg. Auch die heutige Tschechei gehörte damals zur Mitte Europas. Es seien die geopolitische Lage, verbunden mit guten Böden für Acker- und Viehzucht, Erzvorkommen sowie reiche Solequellen, dafür ausschlaggebend.

„Die Himmelsscheibe von Nebra wird noch Generationen von Ausstellungsbesuchern beschäftigen. Das Verständnis dieses Fundes verdanken wir allerdings den täglichen kleinen Funden der Landesarchäologen, die das Licht ergeben, in dem dieser große Fund erst leuchten kann.“ Das ist wirklich schön, zudem zutreffend ausgedrückt. Wir kennen auch solche, die mit ihren Gerätschaften an ihren Wochenende in bestimmten Wäldern unterwegs sind, nicht als Grabräuber, sondern als diejenigen, die ihre Funde den Museen übergeben, auf daß geforscht und ausgestellt werden kann!

Warum ich damals aus Basel zur Ausstellungseröffnung eingeladen wurde, hat mit der Krimigeschichte zu tun, die ich damals beschrieb, die aber weiter tradiert werden sollte, also mit der Himmelsscheibe immer mitreisen sollte, weil sie deren abenteuerliche Entdeckung dokumentiert. Zwei Schatzsucher haben illegal gegraben, diese Scheibe 1999 zusammen mit vergoldeten Schwertern und anderen Beigaben gefunden und sie an einen Hehler verkauft. Dieser ist nun ausgerechnet dem Archäologen auf den Leim zu gegangen. Denn er hatte von der Hehlerei gehört und sich als Käufer eingeschaltet. Die Übergabe sollte im Februar 2002 im Hilton Basel erfolgen. Sehr international. Und polizeilich überwacht. Die Beschlagnahme klappte, der Hehler mußte sich vor Gericht verantworten und wurde verurteilt. Seither forscht die Gilde und über die damaligen Erkenntnisse hinaus gibt es so viele neue, daß es goldrichtig ist, daß ein weiteres Ausstellungsvorhaben mit weiteren Ausstellungsstücken durch den neuen Begleitband inhaltlich schon vorbereitet werden kann. Denn das Eigentliche ist dann immer das Schauen mit den eigenen Augen.

Fortsetzung folgt

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Info:
Hg: Harald Meller, Der Geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren, Theis Verlag, Oktober 2004 Stuttgart
ISBN 13 978 3 8062 1907 4

Harald Meller, Kai Michel, Die Himmelsscheibe von Nebra. Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas. Propyläen Verlag, Berlin 2018, 384 Seiten
ISBN-13 : 978-3549076460

Hg: Harald Meller und Michael Schefzik, Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 4. Juni 2021 bis 9. Januar 2022, Theis Verlag, November 2020
ISBN 078 3 8062 4223 2