
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In vielerlei Hinsicht hatte das Studierendenhaus am Campus Bockenheim schon immer etwas Brennpunktartiges, das von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Das schwappte zu jeglicher Zeit auch in die Cafes an der Leipziger Straße.
Dort Gesagtes konnte dann auch von einem Alltagskopf am Nebentisch mit inkriminierenden Blicken beäugt werden. Der Beginn des Kulturcampus, den Land, Stadt und Politik seit Jahren in eine vage Zukunft verschieben, markiert so etwas wie einen Wendepunkt. Dazu soll das alte Ding Studierendenhaus auch in ein Größeres eingebaut werden, während dieses als bewährte Plattform und Treffpunkt ohnehin erhalten bleiben müsste. Das angestrebte Haus der Kulturen kann noch eine Reihe mehr an Initiativen und Ideen-GeberInnen zusammenfassen und beherbergen.
Der alte Campus als ein beständiger Freiraum für Frankfurt
Will heißen: Mit dem Offenen Haus soll ein Ort der Begegnung, der kulturellen Vielfalt und der kritischen Auseinandersetzung entstehen, mit diesen Worten brachte es die Einleitung zur übertragenen Podiumsdiskussion zum Ausdruck. So ganz dem alten Geist der Universität also gemäß. Denn es handelt sich in Frankfurt nicht um eine Universität wie jede andere. Sie war immer das Zentrum der aktuellsten prospektiven Debatten und Forderungen an eine matte, unbewegliche Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Jürgen Habermas hatte das zuletzt wieder angesprochen.
Das Studierendenhaus bleibt weiterhin ein Ort, an dem Menschen verschiedener Herkunft und Milieus zusammenkommen sollen. Ein Ort, an dem Bestehendes hinterfragt und Neues entworfen wird.
Offenes Haus der Kulturen

Nun tritt das Gebäude mehr noch in eine Periode für die Zeit nach einem vielleicht lange schon abgeschlossenen Studium ein – und kann so zum Studien- und Praxisort für die ganze Stadtgesellschaft werden. „Als zentraler Baustein des in den kommenden Jahren entstehenden Kulturcampus lädt es zur Mitgestaltung ein. Sei dabei!“
Das Offene Haus der Kulturen bewegt sich solcherart aus dem Studentenhaus heraus auf den Campus und darüber hinaus auch in Richtung Stadt. Fridays for Future treffen sich ganz in der Nähe nicht ohne Grund. Das Studierendenhaus war immer eine Basis, hier ging immer die Post ab, wurden unzählige und am Schluss nicht zu beendigende Debatten im Café Kotz geführt.


Das Zentrum der Künste versammelt um die Bockenheimer Warte
- Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
- LAB - Musik-, Theater- und Tanzlabor der Moderne
- Frankfurt Dresden Dance Company
- Ensemble Modern
- Internationale Ensemble Modern Akademie
- Junge Deutsche Philharmonie
- Hindemith Institut
- Hessische Theater Akademie
Die Frankfurter Ratsherren und -frauen müssen endlich zu Potte kommen
Die Verortung der Teile im Einzelnen im Gelände ist noch nicht ganz ausgegoren. Das eigentliche Problem aber besteht darin, dass die städtische Politik nicht die gestalterische Kraft hat, endlich Zeichen und Tatsachen im Gebiet, das wie ein Ghetto wirkt, wirksam werden zu lassen. Adorno sprach vom Verlust an ästhetischer Kraft. Manchmal wünscht man sich einen Renaissance-Menschen wie Hilmar Hoffmann, der den Durchbruch zur Weltstadt für Frankfurt herbeiführte, wobei Kunst, Kultur und Wissenschaft die zentrale Rolle erlangten, nicht Investmentbanker im Viertel der Geldblasen und der Geldschäume. Er wusste diese Unarten der menschlichen Gesellschaft aber in den Umbau von Frankfurt dauerhaft finanziell einzuspannen. Sie wollen ja dann etwas von dem gutmachen, was sie angerichtet haben und 2008 anrichten würden. Die Macher der Verwalteten Welt wollen wenigstens doch ein Teil der Kulturherde werden. Das Offene Haus hat zum alten und weiterexistierenden Geist des Studierendenhauses einen fundierten Audio-Walk eingerichtet.
Das Haus ist also ein Hort der freien Szene und besonders antirassistischer AktivistInnen. Hier wurden mit dem Projekt Shelter für Geflüchtete Hilfsangebote geschaffen, für sie gekocht und in der Mensa Labsal Café ausgeschenkt. Ein syrischer Pianist wurde gehört, der froh war, wieder ungehindert von religiösen Dogmatikern und Gotteskriegern, die ihm nach dem Leben trachteten, frei spielen zu können, auf höchstem Niveau. Das Kino Pupille ist Legende. Das Studierendenhaus bietet mit seinem Kollektiv weiterhin auch analoge Projektion und Film im Hinterhofkino. Die Kinothek Asta Nielsen hatte mit ihrem Filmfestival zu Frauenfilmtagen geladen. ‚Ende-Gelände‘ kam mit seinem Klimakongress und der Filmreihe zum Kampf um den künstlich am Leben gehaltenen Braunkohle-Abbau. Das Instituto Cervantes darf mit dem Studierendenhaus in Verwandtschaft betrachtet werden.

Fotos:
© Heinz Markert
Info:
Online-Podiumsdiskussion‚ Freiräume Frankfurt‘ des Offenen Hauses der Kulturen mit Ina Hartwig (Kulturdezernentin Frankfurt), Thomas Gebauer (Unterstützer*innenkreis Offenes Haus), Gaby Babic (Kinothek Asta Nielsen), Tim Schuster (Offenes Haus der Kulturen e.V.). Moderation Eva-Maria Magel (FAZ).