DSC04587 bereinigtDer Ort des Neubeginns wird nach zehn Jahren Vorarbeit aus Bewährtem aufgefrischt und neu gestartet - für ein mehr an Rolle in Frankfurt und Umgebung

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In vielerlei Hinsicht hatte das Studierendenhaus am Campus Bockenheim schon immer etwas Brennpunktartiges, das von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Das schwappte zu jeglicher Zeit auch in die Cafes an der Leipziger Straße.

Dort Gesagtes konnte dann auch von einem Alltagskopf am Nebentisch mit inkriminierenden Blicken beäugt werden. Der Beginn des Kulturcampus, den Land, Stadt und Politik seit Jahren in eine vage Zukunft verschieben, markiert so etwas wie einen Wendepunkt. Dazu soll das alte Ding Studierendenhaus auch in ein Größeres eingebaut werden, während dieses als bewährte Plattform und Treffpunkt ohnehin erhalten bleiben müsste. Das angestrebte Haus der Kulturen kann noch eine Reihe mehr an Initiativen und Ideen-GeberInnen zusammenfassen und beherbergen.


Der alte Campus als ein beständiger Freiraum für Frankfurt

Will heißen: Mit dem Offenen Haus soll ein Ort der Begegnung, der kulturellen Vielfalt und der kritischen Auseinandersetzung entstehen, mit diesen Worten brachte es die Einleitung zur übertragenen Podiumsdiskussion zum Ausdruck. So ganz dem alten Geist der Universität also gemäß. Denn es handelt sich in Frankfurt nicht um eine Universität wie jede andere. Sie war immer das Zentrum der aktuellsten prospektiven Debatten und Forderungen an eine matte, unbewegliche Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Jürgen Habermas hatte das zuletzt wieder angesprochen.

Das Studierendenhaus bleibt weiterhin ein Ort, an dem Menschen verschiedener Herkunft und Milieus zusammenkommen sollen. Ein Ort, an dem Bestehendes hinterfragt und Neues entworfen wird.


Offenes Haus der Kulturen

DSC04582 bereinigtMit diesem wird ein alter, von Eigensinn geprägter Ort erhalten und größenmäßig weiterentwickelt. Das Studierendenhaus auf diesem alten Campus der Frankfurter Universität ist seit rund 70 Jahren Zentrum politischen und kulturellen Lebens in der Stadt und an der Universität. Von weit her melden sich TeilnehmerInnen für Vorträge und Kolloquien noch immer am berühmten Institut für Sozialforschung an. Hier werden Kultur und Demokratie praktiziert und alternative Visionen entwickelt, ganz im Geist seiner Gründer. Das Studierendenhaus war über all die Jahrzehnte auch stets ein Hort für hitzige Diskussionen, es konnte bei Gelegenheit auch immer noch für Vorträge und angekündigte Diskussionen zu einem gesellschaftlichen Konflikt von Vertretern der Frankfurter Schule genutzt werden.

Nun tritt das Gebäude mehr noch in eine Periode für die Zeit nach einem vielleicht lange schon abgeschlossenen Studium ein – und kann so zum Studien- und Praxisort für die ganze Stadtgesellschaft werden. „Als zentraler Baustein des in den kommenden Jahren entstehenden Kulturcampus lädt es zur Mitgestaltung ein. Sei dabei!“
Das Offene Haus der Kulturen bewegt sich solcherart aus dem Studentenhaus heraus auf den Campus und darüber hinaus auch in Richtung Stadt. Fridays for Future treffen sich ganz in der Nähe nicht ohne Grund. Das Studierendenhaus war immer eine Basis, hier ging immer die Post ab, wurden unzählige und am Schluss nicht zu beendigende Debatten im Café Kotz geführt.

DSC04596 bereinigtGerade erst fand zum Jahrestag des Brandanschlags in Solingen 1993 die Kundgebung und Demonstration zum Gedenken an die Ermordung von Hülya Genç als eines von fünf Todesopfern der Neo-Nazi-Szene statt, deren Fratze wir gerade jetzt erst so übelst wie nicht mal in den Jahren des Wiederaufbaus - bei Fortleben der SS-Schergen seit dem Ende der Terrorherrschaft - ausmachen können. Wie hatte sich doch Horkheimer dagegen 1953 zur Einweihungsrede des Studierendenhauses vernehmen lassen? – „[...] im Grunde haben sie [Anm.: Amerikanische Besatzungsmacht] mit diesem Studentenhaus doch ihrer eigensten Sache geholfen: der Erziehung einer akademischen Jugend, die sich nicht bloß wissenschaftliche DSC04624 bereinigtVerfahrensweisen aneignet, sondern die zugleich den Umgang mit Menschen anderer Nationen, Religionen und Rassen, freiwillige Hingabe an soziale, künstlerische, sportliche Tätigkeiten, Liebe zum Denken und Forschen, zum Diskutieren, zur kreativen Muße, kurz die den Geist der realen und tätigen Demokratie praktiziert“.


Das Zentrum der Künste versammelt um die Bockenheimer Warte

- Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
- LAB - Musik-, Theater- und Tanzlabor der Moderne 
- Frankfurt Dresden Dance Company
- Ensemble Modern
- Internationale Ensemble Modern Akademie
- Junge Deutsche Philharmonie
- Hindemith Institut
- Hessische Theater Akademie


Die Frankfurter Ratsherren und -frauen müssen endlich zu Potte kommen

Die Verortung der Teile im Einzelnen im Gelände ist noch nicht ganz ausgegoren. Das eigentliche Problem aber besteht darin, dass die städtische Politik nicht die gestalterische Kraft hat, endlich Zeichen und Tatsachen im Gebiet, das wie ein Ghetto wirkt, wirksam werden zu lassen. Adorno sprach vom Verlust an ästhetischer Kraft. Manchmal wünscht man sich einen Renaissance-Menschen wie Hilmar Hoffmann, der den Durchbruch zur Weltstadt für Frankfurt herbeiführte, wobei Kunst, Kultur und Wissenschaft die zentrale Rolle erlangten, nicht Investmentbanker im Viertel der Geldblasen und der Geldschäume. Er wusste diese Unarten der menschlichen Gesellschaft aber in den Umbau von Frankfurt dauerhaft finanziell einzuspannen. Sie wollen ja dann etwas von dem gutmachen, was sie angerichtet haben und 2008 anrichten würden. Die Macher der Verwalteten Welt wollen wenigstens doch ein Teil der Kulturherde werden. Das Offene Haus hat zum alten und weiterexistierenden Geist des Studierendenhauses einen fundierten Audio-Walk eingerichtet.

Das Haus ist also ein Hort der freien Szene und besonders antirassistischer AktivistInnen. Hier wurden mit dem Projekt Shelter für Geflüchtete Hilfsangebote geschaffen, für sie gekocht und in der Mensa Labsal Café ausgeschenkt. Ein syrischer Pianist wurde gehört, der froh war, wieder ungehindert von religiösen Dogmatikern und Gotteskriegern, die ihm nach dem Leben trachteten, frei spielen zu können, auf höchstem Niveau. Das Kino Pupille ist Legende. Das Studierendenhaus bietet mit seinem Kollektiv weiterhin auch analoge Projektion und Film im Hinterhofkino. Die Kinothek Asta Nielsen hatte mit ihrem Filmfestival zu Frauenfilmtagen geladen. ‚Ende-Gelände‘ kam mit seinem Klimakongress und der Filmreihe zum Kampf um den künstlich am Leben gehaltenen Braunkohle-Abbau. Das Instituto Cervantes darf mit dem Studierendenhaus in Verwandtschaft betrachtet werden.

DSC04594 1 bereinigtDie ABG hält mit dem Geschäftsmann Junker ihre vom Offenen Haus so ganz verschiedene Hand zur Zukunft des Studierendenhauses mit im Spiel. Die Initiative investiert auch. Sie ist potent. Es bedürfte aber einer großen Anschubfinanzierung. Es wurde zum Hundert Jahre-Haus, steht unter Denkmalschutz. Abreißen ist keine Option mehr. Recht komisch ist der Dreiecksbezug zwischen Land, Stadt und Universität. Die ABG hat nur Augen für Geschäftliches. Das Haus muss von Grund auf saniert werden. Die Substanz ist solide, es partizipiert an der architektonischen Modernität. Verhandlungen gestalteten sich bislang als durchaus von Verständnis geprägt. Die Initiative „macht seit 12 Jahren“, wie sie sagt. Ein Wirtschaftsplan existiert schon. Das Kulturamt muss sich mit der ABG zusammen ins Verständnis setzen. Der Festsaal könnte für Festivitäten gebucht werden. Die Kulturdezernentin betrachtet das Studierendenhaus als einen Nucleus und als Offenes Haus, in dem der Kultur-Campus schon gelebt wird. Die übrigen Flächen für die Pläne existieren auch bereits, vielleicht bräuchte es eines Stararchitekten, bzw. einer Stararchitektin - wie Zaha Hadid -, um den nötigen Funken Begeisterung anzufachen.


Fotos:
© Heinz Markert

Info:
Online-Podiumsdiskussion‚ Freiräume Frankfurt‘ des Offenen Hauses der Kulturen mit Ina Hartwig (Kulturdezernentin Frankfurt), Thomas Gebauer (Unterstützer*innenkreis Offenes Haus), Gaby Babic (Kinothek Asta Nielsen), Tim Schuster (Offenes Haus der Kulturen e.V.). Moderation Eva-Maria Magel (FAZ).