bgf2021 03 schneeweißchen rosenrot bgf hendrik nix 057 ei7v8392"Schneeweisschen und Rosenrot" bei den Brüder Grimm Festspielen

Hanswerner Kruse

Hanau (weltexpresso) - „Schneeweisschen und Rosenrot“ ist das zweite Märchen der diesjährigen Brüder-Grimm-Festspiele. Die Erzählung von den ungleichen Mädchen gilt als besonders klischeehaft. Doch abermals wird in dieser Inszenierung die traditionelle Geschichte zerlegt und neu erzählt.

Statt vor Kitsch triefender Harmonie betont das Musical - zunächst - die verborgenen Konflikte im Märchen und bringt sie auf die Bühne: Die zarte Schneeweisschen (Kristina Willmaser) ist vorsichtig und häuslich, während die deftige Rosenrot (Annalisa Stephan) mutig Eskapaden erleben möchte: „Ich muss hier raus, nur einmal. Das Abenteuer ruft“, singt sie. Durch einen unüberwindbaren Fluss ist die Welt geteilt, hier leben rationale Menschen, im Gehölz gegenüber magische Geister und Zwerge. Eines Tages können die Mädchen die Banngrenze überwinden. Auf der anderen Seite begegnen sie unwirklichen Wesen und dem bösen Zwerg, dessen Bart in eine Baumspalte eingeklemmt wurde.

Das haben ihm zwei, auch charakterlich sehr verschiedene Königssöhne angetan, die ebenfalls in den Zauberhain gelangt sind. Dort suchen der „Bücherwurm“ und der „Abenteurer“ nach dem verlorenen Teil der Krone ihres Vaters. Denn einst wurden die rationale und die magische Welt von der „Krone der Eintracht“ zusammengehalten bis sie zerbrach und die Welt spaltete. Die Waldbewohner in ihren fantastischen Kostümen beschimpfen die menschlichen Eindringlinge als „dumme Glattgesichter“ und protestieren: „Wir sind der Wald!“ Aber einige Geschöpfe des Gehölzes wollen die Begegnung mit den Fremden statt sie zu vertreiben.

Natürlich verlieben sich die Königssöhne und die Mädchen, doch Prinz Tristan wird zwischendurch als Bär verzaubert, was die folgende Handlung noch aufregender macht. Ein Waldwesen kann „bärisch“ sprechen und des Tieres Anliegen vermitteln, wieder ein Mensch zu sein. Am Ende werden Gegensätze und Fremdheit versöhnt, ohne Unterschiede zuzukleistern. Zum ersten Mal in ihrem Leben trennen sich die Geschwister. „Viel zu lange war ich in deinem Schatten“, singt Schneeweisschen, dann beide im Chor: „Ich schaffe das alleine!“

Jan Radermacher, der das Märchen umschrieb, will die Diversität und Gemeinsamkeiten - nicht nur der Mädchen - beleuchten. Er wirft die Frage auf, „wie kann es ein Miteinander trotz größter Unterschiede geben? Warum macht uns der Gegensatz zu unserem Altbekannten oftmals Angst?“

So wird „Schneeweisschen und Rosenrot“ zwar zu einer nachdenklichen und lehrreichen Geschichte, die jedoch recht rustikal von Dennis Krauß inszeniert wird. Dadurch machen viele Slapsticks, Gags, Gesänge und einige Tänze das Stück zur unterhaltsamen Burleske, die keinesfalls in Klamauk abgleitet. Das Spiel der Akteure auf der sich häufig verändernden Bühne ist bewusst übertrieben und holzschnittartig wie in alten Stummfilmen; eindrucksvoll sind die gelungenen Rollenwechsel einiger Mimen.

Bei der Premiere gab es viel Szenenapplaus - es wurde klar, dass diese Märcheninterpretation als Musical ein Familienstück ist, das jügere Kinder ebenso vergnügt und zum Jubeln bringt wie die Erwachsenen.

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Foto: 
© Brüder Grimm Festspiele/Hendrik Nix
oben Schneeweisschen (Kristina Willmaser) und Rosenrot (Annalisa Stephan)
unten Die Waldgeister demonstrieren "Wir sind der Wald!"

Info:
Termine und Tickets www.festspiele-hanau.de