Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn man im Frankfurt der Nachkriegszeit aufgewachsen ist, mußte man schon ein aufgeklärtes, antinationalsozialistisches Elternhaus haben, um das Fortwirken der alten Nazigarde hier in der Stadt erkennen zu können. An vielen Orten. Für Schüler eben in der Schule, bei der nostalgischen Erinnerung von Lehrern an ‚ihren Adolf‘. Und da endlich diese Ausstellungen eine grundlegende Aufarbeitung der Stadt Frankfurt mit ihrer äußerst peinlichen, ja schrecklichen nationalsozialistischen Vergangenheit möglich macht, ja erzwingt, die aufweist, daß schon vor 1933 im vorauseilenden Gehorsam hier Faschisten am Werk waren, kann man hoffen, daß dann auch in ein paar Jahren, die Nachkriegszeit angegangen wird.
Das von heute her Unglaubliche ist mir, warum wir, die neue unbelastete Generation nicht stärker hatten wissen wollen, was in Frankfurt am Main, der Stadt mit dem prozentual höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil des Landes unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, konkret passiert war. Gerade der große jüdische Bevölkerungsanteil – wohlhabende deutsche Juden im Westend, arme im Ostend - verhindert ja auf jeden Fall, daß Frankfurter sich haben herausreden können, sie hätten nichts gewußt, nicht mitbekommen, wenn seit 1941 Tausende aus ihren Wohnungen vertrieben, mit einem Koffer in der Hand die Reise in Konzentrationslager antreten mußten, die Todeslager wurden. Und die Nachbarn sich Möbel, Kunstwerke, Kleidung, Bettwäsche, Geschirr, Silberbesteck unter den Nagel rissen, wenn die staatlichen Stellen nicht schneller waren.
Die Hauptausstellung FRANKFURT UND DER NS kann den Weg der Entmenschlichung, der schon vor 1933 eintrat, anhand der Zahlen der in der Stadtverwaltung Tätigen sehr nüchtern und um so erschreckender aufzeigen, denen nach nur ein geringer Anteil ab 1933 von den neuen Machthabern ausgewechselt werden mußte, einfach, weil schon zuvor faschistoide personelle Voraussetzungen vorhanden waren – genauso wie nach 1945 auch wiederum nur wenige ausgewechselt wurde und es – paradigmatisch - dem seit 1933 residierenden NSDAP-Oberbürgermeister Friedrich Krebs gelang, nach 1945 nur als Mitläufer eingestuft zu werden. Unglaublich, aber wahr.
Auf all die Machergreifungen in städtischen Bereichen wie Sport oder Unternehmertum, wie in der Universität, den Museen, dem Theater und beispielsweise Eintracht Frankfurt werden wir im Detail eingehen, genauso wie die Frage, wie sich die Unterdrückungsinstitutionen wie Gestapo im Frankfurter Alltag auswirkten. Die umfangreiche Ausstellung verbietet, darüber nur allgemein zu schreiben. Man muß sich schon mit den einzelnen Themen und vor allem mit den einzelnen Ausstellungen -
1. einer generellen zu Frankfurt bis 1945 und kurz danach,
2. einer weiteren, wo in Frankfurt Lebende sich mit dem Thema Nationalsozialismus und was es für sie bedeutet, beschäftigen (MIT DEM STADTLABOR AUF SPURENSUCHE IM HEUTE) und
3. der dritten NACHGEFRAGT: FRANKFURT UND DER NS für Kinder im JUNGEN MUSEUM FRANKFURT, alles auch sonst Abteilungen des Historischen Museums Frankfurt
- konkret auseinandersetzen, weshalb wir schon jetzt ankündigen, daß wir in einer Serie auf die Ausstellungen reagieren und dies nicht nur jetzt beim Anlaufen, sondern bis zu ihrem Ende (die beiden ersten bis 11. September 2022, das Junge Museum bis 23. April 2023) immer wieder Eindrücke der Ausstellungen wiedergeben und Details vertiefen wollen.
Fortsetzung folgt
Foto:
Hitlers Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Frankfurt am 31. März 1938, neben ihm Oberbürgermeister Friedrich Krebs. Hitler mochte diese Judenstandt nicht, trotz ihrer Anbiederung
©HMF, Friedrich Laufer, Repro: Horst Ziegenfusz
Info:
Hitlers Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Frankfurt am 31. März 1938, neben ihm Oberbürgermeister Friedrich Krebs. Hitler mochte diese Judenstandt nicht, trotz ihrer Anbiederung
©HMF, Friedrich Laufer, Repro: Horst Ziegenfusz
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