titelpkSerie: FRANKFURT UND DER NS, Frankfurt räumt endlich durch Ausstellungen im Historischen Museum mit der üblen Nazimitmache auf. Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Feldmann ging auch auf die Kontinuität der Nazi-Mitarbeiter nach 1945 in der Stadtverwaltung ein, die das Führerprinzip von Befehl und Gehorsam weitertrugen. Er erinnerte an diejenigen, die schon unter den Nazis in die städtische Mühle geraten waren, welche Gefühle diese hatten, wenn sie nach der Kapitulation sich den selben Gesichtern gegenübersahen. Erst recht, wenn jemand inhaftiert war, dies überlebt hatte, und dann seinen Peinigern erneut in der doch neuen demokratischen Stadt gegenübersitzt.

Feldmann ging den Versuchungen nach, die in einer Behörde schon darin bestehen, wenn die Mappen mit den Kästchen für das Abzeichnen auf der Vorderseite von Zimmer zu Zimmer weitergereicht werden. Wenn schon vier Kollegen vor einem abgezeichnet hatten und noch neun kommen, als Beispiel, ist es schwer sich als einziger gegen eine behördliche Vorgabe zu wehren, die Befolgung zu verweigern und ein beruhigendes Gefühl, nicht genau hinschauen zu müssen und schnell zu unterschreiben. Feldmann blieb nicht bei der Vergangenheit, sondern leitete aus dieser Verhalten ab, das wir nicht fördern dürfen, eine Mitmachatmosphäre, in der einzelne vereinnahmt werden oder sich vereinnahmen lassen.

Für ihn liegt das Fatale gerade darin, daß auch Frankfurt damals die internationalste deutsche Stadt war, in der doch seit dem Mittelalter über Jahrhunderte Einwanderer, aus England, aus Frankreich die Hugenotten, aus Italien viele Bankengründer und Händler, aus so vielen Ländern gekommen waren und miteinander lebten, wie hier Nazigedanken überhaupt Fuß fassen konnten und Fremdenfeindlichkeit angesagt war. Daß nicht auf dem Land die Nazis ihre Bastionen hatten, sondern in den Städten! Hitler habe Frankfurt nicht leiden können, sie auch erst spät besucht, und ihr den Stempel einer STADT DES HANDWERKS aufdrücken wollen, was aber nicht weiterverfolgt wurde.

Warum diese Ausstellung auch 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so aktuell ist, hat gerade mit den 180 Nationen zu tun, die hier leben und 200 Sprachen sprechen. Wer hier auf Dauer leben will, muß auch um die schlimmste Geschichte Frankfurts, Deutschlands, den Nationalsozialismus wissen, das gehört insbesondere bei Einbürgerungen dazu, von der Vergangenheit dieser Stadt zu wissen. Den vorauseilenden Gehorsam, mit dem die Stadt Frankfurt den Nazis folgten, die doch in den Zwanziger Jahren durch den so anerkannten und in seiner Baupolitik beispielgebenden OB Ludwig Landmann, (seit dem 2. Oktober 1924) mit dem Stadtrat May eine Modernisierung Frankfurts in kurzer Zeit geschafft hatte, wurde am 12. März 1933 entlassen. Einfach so. Die Nazis handelten, als noch keine Rechtsgrundlage für sie da war, die sie dann schnell herstellten. Sie warfen grundsätzlich Juden aus ihren Positionen und die, die ihnen politisch für unzuverlässig hielten, so wurden alle SPD-Stadtverordneten entlassen!

Daß das endlich so ausführlich zur Sprache kommt, wie weit Frankfurt durch den Nationalsozialismus infiltriert und infiziert war, findet Feldmann vor allem für die nachwachsende Generation wichtig, weshalb im die Ausstellung im Jungen Museum NACHGEFRAGT mit seinen Handreichungen besonders gefällt.

Zusammenfassung der Äußerungen des OB
„Dass das Historische Museum Frankfurt jetzt dieses große Ausstellungsprojekt durchführt, begrüße ich sehr“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann. „Wir rühmen uns als Stadt zurecht mit unserer liberalen und weltoffenen Tradition. Der Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, wie zerbrechlich diese Tradition ist, wie schnell sich Hass und Ausgrenzung ihren Weg bahnten. In kaum einer deutschen Metropole war die Anhängerschaft der NSDAP schon vor 1933 so stark wie hier. Der Rassenwahn der Nazis hatte unsere Stadt schon lange vor der Machtergreifung unterwandert. Frankfurt hat nicht am Rande gestanden, Frankfurt hat mitgemacht.“
 
ina hartwigIna Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt, hält den Titel EINE STADT MACHT MIT für genial, weil er harmlos klingt, aber ein Abgrund dahinter steckt. Wie eine kleine Clique unter Nutzung von Vorurteilen der Bevölkerung eine solche Macht erringen konnte, sei ein Phänomen, auf das sich noch draufsetzte, daß nach 1945 ein kollektives Verdrängen stattfand und auch Frankfurt nur noch aus Mitläufern bestand. Demgegenüber müssen ein kollektives und individuelles Gedächtnis zum kulturellen Gedächtnis führen. Das sei den Ausstellungen gelungen, die allen Frankfurtern zu empfehlen sind.

Zusammenfassung der der Äußerungen der Kulturdezernentin
„Erinnerungskultur ist ein Prozess, der sich im stetigen Wandel befindet. Mit diesen Ausstellungen und mit dem großen Begleitbuch verfügen wir in unserer Stadt nun über ein weiteres Grundlagenwerk, das auf lange Zeit Gültigkeit beanspruchen und weit über Fachkreise hinaus auf großes Interesse hoffen kann. Mit diesem umfangreichen Paket an Ausstellungen und vielschichtigen Angeboten positioniert sich das Historische Museum Frankfurt klar und deutlich gegen jede Schlussstrich-Debatte in Deutschland“, erklärte Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig.

Fotos:
©Redaktion

Info:
Eintritt
Dauerausstellungen (HMF und Junges Museum): 8 Euro/ermäßigt 4 Euro
Wechselausstellungen (HMF): 10 Euro/ermäßigt 5 Euro
Alle Ausstellungen: 12 Euro/ermäßigt 6 Euro
Schneekugel: 3 Euro/ermäßigt 1,50 Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren: Eintritt frei!