Yves Kugelmann
Basel (Weltexpresso) - Die Fakten weglachen, die Geschichte leugnen - Alexander Jolles an der Pressekonferenz des Kunsthauses Zürich.
Die Sonne möchte an diesem Mittwochmorgen einfach nicht durch die Wolkendecke über dem Heimplatz Zürichs dringen. Guy de Maupassant hätte das Himmelspiel von Mittwochmorgen zu Beginn der Pressekonferenz des Kunsthauses Zürich und der Stiftung E. G. Bührle nicht besser vorwegnehmen können. Ein düsteres, reaktionäres, tragisches Drama wird gegenüber dem Pfauen gespielt. Eine Bande von Unverbesserlichen findet sich da zusammen und kumuliert in einem historischen Amoklauf des Präsidenten der Sammlung Emil Bührle, Alexander Jolles: «Ja, die Schweiz hat Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen, jüdische und andere, wie wir das in Europa heute überall sehen, in Zeiten des Wohlstandes und des Friedens. Aber Verfolgung, jüdische Verfolgung, staatlich orchestrierte Verfolgung gab es in der Schweiz nicht. Juden in der Schweiz in den Kriegsjahren mussten nicht um ihr Leben bangen, sie mussten nicht um ihr Eigentum, um ihr Hab und Gut bangen, es gab hier keine staatliche Verfolgung und daher ist die Situation anders und soll auch in den Einzelfällen berücksichtigt werden. Klar, wenn jemand kein anständiger Marktwert erhalten hat, klar, wenn jemand übers Ohr gehauen wurde oder unfair und unrichtig behandelt worden ist, dann muss man das heute berücksichtigen und muss es werten. Aber es ist nicht so, dass jedes Rechtsgeschäft, das ein jüdischer Emigrant in der Schweiz und in den USA und in anderen nicht besetzten Gebieten getätigt hat, dass jedes dieser Rechtsgeschäfte verdächtig ist und primär einmal als verfolgungsbedingt erzwungen betrachtet werden kann, sondern wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, es gab einen ordentlichen Handel. Millionen von Leuten haben im Krieg gelitten haben ihr Leben verloren, haben ihr Hab und Gut verloren, aber Millionen haben weitergelebt und in einem ordentlichen normalen Handel weitergelebt, in der Schweiz und anderswo. Das muss auch berücksichtigt werden.»
Historiker werden Jolles dann die Fakten zur effektiven Situation etwa von abgewiesenen, deportierten, ausgelieferten, enteigneten Juden in der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges nachliefern können oder er mag sich vielleicht mal die relevanten Bücher zum Thema bestellen. Vielleicht auch zu den Arbeitslagern in der Schweiz, zum Spitzelsystem, zu Verrat, Behördenfaschismus, zur Rothmund’schen Judenpolitik und so fort. Darin wird er auch geretteten Juden begegnen, einer helfenden Zivilgesellschaft, wunderbaren Schweizerinnen und Schweizern, die der offiziellen Judenpolitik der Schweiz Stirne boten. Jolles zeigt exemplarisch eine Grundhaltung, Geschichtsblindheit und Besserwisserei, die auch in den Voten seiner Kollegen immer wieder zum Ausdruck kam, entblösst nicht nur sich, sondern auch die Eliten Zürichs, die kaschieren, gewähren lassen und sich längst zu Komplizen der Komplizen gemacht haben. Allen voran Stadtpräsidentin Corine Mauch, die diesen Pakt mit dem Teufel politisch zu verantworten hat und bis heute verteidigt, jegliche Verantwortung an Zürichs Stimmbevölkerung abdelegiert und Zürich zu Europas Hauptstadt der Geschichtsvergessenheit macht (vgl. tachles 48/2021).
Während rund um die Schweiz und inzwischen auch rund um Zürich (vgl. Standpunkt von Gisela Blau) Europas Regierungen und Museen sich dem Thema belastete Kunstobjekte im Kontext von Krieg, Kolonialismus, Menschenrechtsverletzungen stellen, baut Zürich weiter an einer rückwärtsgewandten Parallelwelt und schreckt vor Revisionismus, Leugnung, Verharmlosung, Manipulation, Geschichtsklitterung nicht zurück. Die Provenienz der Sammlung Bührle wird weiterhin zu klären sein, sobald endlich eine unabhängige Expertenkommission Zugriff auf Archive bekommt. Primär allerdings geht’s darum, wie eine Stadt mit einem belasteten Erbe, mit Nazi-Geschichte im öffentlichen Raum umgeht und sich dieser nicht stellt. Am Ende von Guy de Maupassants Novelle wird das Gewitter kommen und den Teufelstango im Regen ertränken. Die Nazi-Versteher und ihre politischen Kumpanen werden irgendwann weggeschwemmt und das kontaminierte Wasser sauber werden. Doch der Makel wird noch lange bleiben.
Foto:
Stiftung Sammlung E.G Bührle
©buehrle.ch
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
Während rund um die Schweiz und inzwischen auch rund um Zürich (vgl. Standpunkt von Gisela Blau) Europas Regierungen und Museen sich dem Thema belastete Kunstobjekte im Kontext von Krieg, Kolonialismus, Menschenrechtsverletzungen stellen, baut Zürich weiter an einer rückwärtsgewandten Parallelwelt und schreckt vor Revisionismus, Leugnung, Verharmlosung, Manipulation, Geschichtsklitterung nicht zurück. Die Provenienz der Sammlung Bührle wird weiterhin zu klären sein, sobald endlich eine unabhängige Expertenkommission Zugriff auf Archive bekommt. Primär allerdings geht’s darum, wie eine Stadt mit einem belasteten Erbe, mit Nazi-Geschichte im öffentlichen Raum umgeht und sich dieser nicht stellt. Am Ende von Guy de Maupassants Novelle wird das Gewitter kommen und den Teufelstango im Regen ertränken. Die Nazi-Versteher und ihre politischen Kumpanen werden irgendwann weggeschwemmt und das kontaminierte Wasser sauber werden. Doch der Makel wird noch lange bleiben.
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Stiftung Sammlung E.G Bührle
©buehrle.ch
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.