WM.Wolfgang.Mielke
Hamburg (Weltexpresso) - In Wien - von 1909 - 1910 - begegnet Rahel Blindermann dem bis heute unvergessenen Fritz Kortner, der ebenfalls Schüler von Gregori ist, - allerdings auch noch nicht seinen späteren Künstlernamen trägt, sondern noch Fritz Nathan Cohn heißt. (- Später werden die Nazis diesen seinen ursprünglichen Namen wieder ausgraben, um ihn damit noch stärker zu diffamieren; denn 'Cohn' ist einer #der# jüdischen Namen schlechthin. Das schlägt sich auch in einem bekannten jüdischen Witz nieder: #"Vier Handlungsreisende, die sich in einem Zug getroffen haben, beschließen, miteinander Karten zu spielen. 'Stellen wir uns doch einander vor', sagt einer der Männer. 'Mein Name ist Cole.' - 'Ich heiße Kent', sagte der zweite Handlungsreisende. - 'Carleton', sagt der dritte. - 'Auch Cohen', fügte der vierte hinzu."# --) -----
Ein Jahr später, 1910, wird Gregori Intendant des Nationaltheaters in Mannheim. Kortner wird bald sagen, das Lebendigste am Nationaltheater sei die Erinnerung an Friedrich Schiller (1759 – 1805) gewesen, dessen "Räuber" dort am 13.1.1782 uraufgeführt wurden und Schiller mit einem Schlage berühmt machten. --- Die Verführung ist groß, streckenweise hauptsächlich aus Kortners Memoiren "Aller Tage Abend" zu zitieren, weil sie sprachlich dem Buch von Ursula Overhage so weit überlegen sind. Kortner also schreibt: #"Meine Opposition gegen das, was auf jenen Mannheimer Proben getrieben wurde, war sicherlich von meinem Gesicht ablesbar. Gregori vermied tunlichst, es zu sehen. Er war muffig-herrisch. Vom Betrieb gedrängt, trieb und drängte er seine Schauspieler. Leeres und Hohles blieben unangefochten. Gestaltungsversuche hingegen wurden, da zeitraubend und glättebedrohend, nieder- und flachgebügelt. Zur Reife gelangt, wären sie ein das Falsche um sie herum enthüllender Maßstab geworden. (...) - Unversehens fließen mir bei Betrachtung jenes Theaterbetriebs das Damals und das Heute zusammen. - (...) - Ich war trostlos. - Nachmittags saß ich manchmal im Café Rumpelmayer. Warum konnte ich in diesem Lokal, das ja unleugbar ein Kaffeehaus war und als solches dem Wiener Typus irgendwie ähneln musste, doch nicht heimisch werden? Abgesehen von den verschiedenen Abweichungen, wie Wandbekleidung, Aufstellung der Tische, Kleidung der Kellner, fehlten mir vor allem die marmornen Tischplatten des Wiener Kaffeehauses. Bei den warmen, hübschen Decken, die hier unwienerisch die Tische zierten, fröstelte ich, während mich die bloße Erinnerung an den kalten Grabsteinmarmor der österreichischen Kaffeehaustische erwärmte. Der 'Bäckerei' stand ich von vornherein skeptisch gegenüber, weil sie hierorts nicht nur 'Kuchen' hieß, sondern weil die Mannheimer Mundart, ihren unerforschlichen Gesetzen gemäß, das Schluss-'n' unterschlägt. Der 'Kuche' ist einem Wiener Gaumen nicht zumutbar. Auch der Kaffee machte mir zu schaffen (...)"#
Foto:
Nationaltheater Mannheim
©
Info:
Ursula Overhage, "Sie spielte wie im Rausch" / Die Schauspielerin Maria Orska, Henschel-Verlag, 2021
Fritz Kortner, Aller Tage Abend, Kindler Verlag GmbH, München, 1959 (ist seitdem in mehreren Taschenbuchausgaben erschienen)
Ursula Overhage, "Sie spielte wie im Rausch" / Die Schauspielerin Maria Orska, Henschel-Verlag, 2021
Fritz Kortner, Aller Tage Abend, Kindler Verlag GmbH, München, 1959 (ist seitdem in mehreren Taschenbuchausgaben erschienen)