Serie: MARIA ORSKA ... WIEDERENTDECKT ...Die Verfolgung einer kulturhistorischen Spur..., Teil 10/15
WM.Wolfgang.Mielke
Hamburg (Weltexpresso) - Ihre unbeschwertesten Jahre in Berlin sind auch durch ihre Einladungen in die Salons der Stadt und als Folge daraus durch ihre Teilnahme an vielfältigen gesellschaftlichen Ergeignissen geprägt. Teegesellschaften, Hauskonzerte, Gartenfeste. - Nicolaus Sombart (1923 – 2008), Soziologe, schreibt, #'der Salon'# sei #"ein Kreis von Menschen, die auf eine Frau als ihren Mittelpunkt bezogen sind. Sie können sich als ihre Gäste in einem eleganten Dekor treffen oder in einer Dachstube, die Lokalität spielt keine Rolle. Man kann teuere# petitfours #verzehren oder dünnen Tee in geborstenen Tassen schlürfen. Man kann gemeinsam musizieren oder Musik hören, Gedichte vorlesen, über Politik diskutieren oder einfach nur 'klatschen', nicht das gibt den Ausschlag. Entscheidend ist die unangefochtene und unanfechtbare, diskrete oder leicht aggressive, gesprächige oder stille Autorität einer Frau."# ----- Im Falle von Maria Orska war diese Frau Edith Andreae (1883 – 1952), die Schwester Walther Rathenaus (1867 – 1922), dem AEG-Industriellen, dem Organisator der Kriegswirtschaft im 1. Weltkrieg und späteren Außenminister; am 24.6.1924 wurde er gleichwohl von monarchistischen Rechtsradikalen im Grunewald ermordet; teils weil man ihm "Erfüllungspolitik" vorwarf; und nicht zuletzt deswegen, weil er Jude war. Eine kurz vor seinem Tod in Hamburg erschienene Schmäh- und Hetz-Schrift vereinigte auf ihrem Titelblatt beides. Davon aber war im Frühjahr 1915 noch nichts zu spüren. - Edith Andreae hat später, nach dem Attentat auf ihren Bruder, sein Andenken mit großem Aufwand bewahrt. -
Berlin ist für Maria Orska eine herrliche Stadt. Nicht zu vergleichen mit dem doch sehr begrenzten Mannheim; auch nicht zu vergleichen mit dem geruhsamen Wien: #"Es hat einen unvergleichlichen Reiz"#, schreibt Felix Salten (1869 - 1945), bis heute durch seine "Bambi"-Erzählung (1923) berühmt, #"als bummelnder oder geschäftiger Fremder in der Stadt drin zu wohnen, in der Stadt herumzulaufen, sich umklirren und umdröhnen zu lassen von dem siedenden Tumult dieses Lebens, dann aber mit einem Automobil blitzschnell hinauszurasen, zu dem Haus im Grunewald und dort still zu sitzen."# --- Einen solchen einst wirklich faszinierenden, spritzigen und belebenden Gegensatz gibt es heute nur noch in sehr eingeschränkter Form, seitdem die grünen Stadt-Demonteure sich ausbreiten; eine neue Form der Religiosität, deren Anhänger Brecht (1898 – 1956) bekanntermaßen als "Kellerasseln" bezeichnet. ------
Auf diesen Salon-Einladungen aber begegnet Maria Orska nicht nur den großen Prominenten der damaligen Zeit, sondern auch dem Enkel des Bankiers Otto v. Bismarcks (1815 – 1898), Gerson v. Bleichröder (1822 – 1893), Hans v. Bleichröder (1886 – 1938), reich, gut aussehend, elegant, etwas nachdenklich - viel mehr lässt sich, ohne in zu große Vermutungen zu fallen, von den Fotos nicht sagen. --- Antisemitische Stimmen sprechen von diesen jungen, reichen, eleganten, im luxuriösen Genuss lebenden Leuten, zumal den Erben großer Vermögen, die ihre Vorfahren erwirtschaftet haben, nicht von der #"Jeunesse dorée"#, der "vergoldeten Jugend", - sondern von der #"Jeunesse isodorée"#. ---