raubkunst hdfgEin Bild sucht seine Herkunft

Anna von Stillmark

Wien (Weltexpresso) - Während des Nationalsozialismus ging die Verfolgung von Jüdinnen und Juden Hand in Hand mit Vermögensraub – durchgeführt nicht nur von Seiten des Staates und der Partei, sondern auch von Privatpersonen. Kunst- und Alltagsgegenstände wurden auch nach dem Ende der NS-Herrschaft in vielen Fällen nicht an die früheren EigentümerInnen zurückgegeben. Im Laufe der Jahrzehnte verloren sich oft die Spuren, die heute zu den ErbInnen führen könnten. Als Beispiel präsentiert das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Kooperation mit der Kommission für Provenienzforschung  ein Landschaftsgemälde, dessen Herkunft unklar ist.

Die Ausstellung des Bildes soll thematisieren, wie sich Fragen zum angemessenen Umgang mit NS-Raubkunst auch im Privaten stellen. Damit soll vielleicht sogar zur Klärung seiner Herkunft beigetragen werden. Am 27. Jänner, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, hatte das hdgö freien Eintritt ins Museum geboten.

Zahlreiche Kunstgegenstände wurden im Zusammenhang mit der NS-Verfolgung enteignet. Durch breite Medienberichterstattung über prominente Fälle und Objekte in öffentlichen Sammlungen stieg in den letzten 20 Jahren die Sensibilität für das Thema NS-Kunstraub. Dadurch stellt sich nun auch für Privatpersonen die Frage: Wie sollen sie mit Dingen in ihrem Besitz umgehen, die durch „Arisierungen“ oder Notverkäufe von verfolgten Personen erworben worden sein könnten? So auch das Landschaftsgemälde von Friedrich Treuer (1872–1942), das im hdgö nun gezeigt wird.

Das Gemälde hing ursprünglich in einer Wohnung in der Liechtensteinstraße 45 in Wien-Alsergrund, das ist der neunte Bezirk. Die jüdischen BewohnerInnen wurden vertrieben oder deportiert und dieses Bild aus einer Wohnung entwendet. Recherchen der Kommission für Provenienzforschung ergaben, dass zwischen 1938 und 1941 acht Abmeldungen von dem Haus erfolgten, die in Zusammenhang mit Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung oder Deportation gebracht werden können. Es sind jedoch weder Namen noch andere Fakten bekannt, die auf die ursprüngliche Herkunft des Bildes verweisen. Mündliche Erzählungen berichten, dass der ursprüngliche Eigentümer die Shoah überlebte und auch versuchte, das Bild zurückzuerhalten, was ihm allerdings verweigert wurde. Die Familie, die das Gemälde heute verwahrt, ist sich des Unrechtkontextes der Aneignung bewusst und sucht nun die rechtmäßigen ErbInnen.

„Dieses Gemälde sucht seine Herkunft, doch dazu braucht es Öffentlichkeit. Unser Museum leistet gern einen Beitrag, um diese zu schaffen. Es ist ein wichtiges Signal, prototypisch die Geschichte dieses Landschaftsgemäldes aufzuklären. Denn bei der Restitution geht es längst nicht immer um die spektakulären Fälle, sondern um die unrechtmäßigen Bereicherungen in der Nachbarschaft. Ich sehe es als Erfolg der jahrzehntelangen fundierten Tätigkeit der Kommission für Provenienzforschung, dass sich nun auch Privatpersonen Gedanken über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit ihres Besitzes machen“, sagt Monika Sommer, Direktorin des hdgö.

„Mit dem Kunstrückgabegesetz aus dem Jahr 1998 hat sich die Republik Österreich verpflichtet, die in ihrem Eigentum stehenden Sammlungen einer systematischen und proaktiven Provenienzforschung zu unterziehen und im Falle einer Rückgabeentscheidung die früheren EigentümerInnen oder deren RechtsnachfolgerInnen aktiv zu suchen“, erklärt Pia Schölnberger, administrative Leiterin der Kommission für Provenienzforschung. Doch seit die Besitzgeschichte von „arisierten“ Kunstwerken öffentlich diskutiert wird, stellt sich auch für immer mehr Privatpersonen die Frage, ob sie Gegenstände besitzen, die durch Enteignung oder Notverkäufe von Verfolgten erworben wurden. Historikerin Birgit Kirchmayr, wissenschaftliche Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung, sagt: „Die Kernaufgabe der Kommission für Provenienzforschung ist die systematische Untersuchung der Bestände der Bundesmuseen und -sammlungen. Die dabei in mehr als 20 Jahren erworbene Expertise geben wir gerne an interessierte Privatpersonen weiter. Je unbekannter ein Kunstwerk ist, umso schwieriger ist zumeist die Klärung der Herkunft. Welche Recherchemöglichkeiten zur Verfügung stehen, das möchten wir hier in Kooperation mit dem hdgö vermitteln.“

Beraubung von Menschen, die als Jüdinnen oder Juden verfolgt wurden

Unter der NS-Herrschaft wurden Jüdinnen und Juden systematisch, aber nicht immer geordnet, beraubt. Besonders nach dem „Anschluss“ Österreichs fanden im März und April 1938 „wilde Arisierungen“ statt, bei denen sich nicht selten auch Privatpersonen am Eigentum ihrer jüdischen NachbarInnen durch Enteignung bereicherten. Nach dem Ende der NS-Herrschaft regelte die Republik Österreich zwar ab 1946 in mehreren Rückstellungsgesetzen, dass Vermögen wieder an die rechtmäßigen BesitzerInnen zurückgegeben werden sollte („Restitution“). Im Fall von Kunstobjekten betreibt der Staat aber erst seit dem Erlass des Kunstrückgabegesetzes im Dezember 1998 von sich aus Provenienzforschung in den Sammlungen des Bundes, insbesondere in den Bundesmuseen und der Nationalbibliothek.

Wenn der Kunstrückgabebeirat ein Objekt als bedenkliche Erwerbung eingestuft bzw. die Restitution empfohlen hat und der oder die zuständige MinisterIn dieser Empfehlung folgt, wird mit der Suche nach den früheren EigentümerInnen oder deren ErbInnen begonnen. Zuständig für diese Forschungen ist die Kommission für Provenienzforschung beim Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Privates Eigentum fällt nicht unter das Kunstrückgabegesetz, es besteht hier keine Verpflichtung zur Restitution, die Kommission für Provenienzforschung unterstützt jedoch entsprechende, an sie gerichtete Rechercheanfragen.

Foto:
NS-Raubkunst: Gemälde von Friedrich Treuer (1872–1942)
© Lorenz Paulus / hdgö

Info:
Quelle: hdgö
Das Gemälde „Partie bei Zell am See“ von Friedrich Treuer ist ab 25. Jänner 2022 im Haus der Geschichte Österreich zu sehen. Sie wissen mehr zum Hintergrund dieses Kunstwerks? Weiterführende Informationen gibt es hier auf der hdgö-Seite.

Freier Eintritt am 27. Jänner ins Museum
Am 27. Jänner, dem Internationalen Holocaustgedenktag, ist der Eintritt in das Haus der Geschichte Österreich frei. Mit einem Vortrag und einer Führung macht das hdgö an diesem Tag gemeinsam mit dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Opfergruppen greifbar. Die wachsende Solidarität besonders zwischen Jüdinnen/Juden und Romnija/Roma prägt die Erinnerungskultur der Gegenwart in Österreich, aber auch darüber hinaus. Mehr Informationen zur Veranstaltung bietet https://www.hdgoe.at/vwi_goes_to_hdgoe?pa=true


Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum des Bundes und organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek angebunden. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das hdgö in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung.  Viele spannende Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.