Wolfgang.Mielke
Berlin (Weltexpresso) - Hallervordens Ausgangspunkt und Domäne, aber auch immer sein sicherer Rückzugsort waren die Klamotte und der Sketch. Aber doch immer ein hintergründiger Sketch, um Verhaltensweisen, Befindlichkeiten, Zustände bloßzulegen, zu enttarnen, zu entlarven. Wenn man so will, die versteckte Herangehensweise der Weltverbesserung, ohne die es Kunst wohl kaum geben kann.
#"Wer immer schmunzelnd sich bemüht ..."# heißen seine Memoiren. Das ist die Abwandlung eines berühmten Goethe-Zitats aus dem "Faust", dessen Fortsetzung man sich hier mitzudenken hat: #"Wer immer strebend sich bemüht / Den können wir erlösen."# (Vers 11936 f.) - #"In diesen Versen"#, kommentierte Goethe (1749 – 1832) selbst, #"ist der Schlüssel zu Fausts Rettung enthalten: in Faust selber eine immer höhere und reinere Tätigkeit bis ans Ende, und von oben die ihm zu Hilfe kommende ewige Liebe. Es steht dieses mit unserer religiösen Vorstellung durchaus in Harmonie, nach welcher wir nicht bloß durch eigene Kraft selig werden, sondern durch die hinzukommende göttliche Gnade."# - Das spricht für sich selbst ...
Indes ist die Aufführung keine Klamotte. Eher wie ein Märchen inszeniert (von Philipp Tiedemann). Dazu passen auch das Bühnenbild und die Kostüme (Alexander Martynow). - Die Handlung ist leicht erzählt: Der König ist alt und zunehmend gebrechlich; sein Reich heruntergewirtschaftet und immer kleiner geworden. Der Hofstaat friert; es ist kalt; und fehlt an Heizmaterial. (Das steht so im Stück; ist keine Anspielung auf Gaslieferungen aus Russland oder nicht.) - Ein 'Arzt', Mario Ramos (guter Sprecher), wieselt dauernd um den König herum, fühlt ihm den Puls und kommt mit zahllosen Ratschlägen daher. Er erinnert, so scheint es, an den gegenwärtigen Gesundheitsminister. #"O, du mein Karlatan!"# hätte Alfred Kerr (1867 – 1948) möglicherweise gesagt. - Dann rahmt ein gemütlich wirkender, Hellebarde tragender Wächter (Georgios Tsivanoglou) die Szene - ebenso wie das überarbeitete Julchen, die Haushälterin, mit Eimer und Schrubber, die im Programmheft als "Berlinerin" deklariert ist (Christiane Zander). - Und im inneren familiären Umkreis oder Hofstaat sieht man als mahnende, warnende und teils griesgrämige und entsprechend dunkel gekleidete 'Königin Margarete' Dagmar Biener; als junge 'zweite Königin', vielleicht aber auch Töchterlein, hell gekleidet, Annika Martens. - Und alle kümmern sich ratend, sorgend, teils liebevoll um den König, der von Szene zu Szene mehr altert und verfällt und nachher im Rollstuhl gefahren wird. - Ein Märchen mit intelligenten Wahrheiten.
Die Rolle des Königs wurde seit jeher von großen Schauspielern gespielt. Die FAZ brachte in ihrem Nachruf auf den französischen Schauspieler Michel Bouquet (6.11.1925 – 13.4.2022) ein Bild von ihm als Ionescos sterbender "König", von 2005. - Das Programmheft enthält eine Aufführungs-Chronik: Jacques Mauclair (1919 – 2001) spielte die UA am 15.1.21962 in Paris. - Karl-Maria Schley (1908 – 1980) die deutsche Erstaufführung in Düsseldorf. - Werner Hinz (1903 – 1985) die Rolle wenig später am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. - Sir Alec Guinness (1914 - 2000) in London. - Horst Bollmann (1925 - 2014) war der "König" (ebenfalls) am Schloßparktheater Berlin - und übrigens ebenfalls Dessauer wie Dieter Hallervorden. - Hannes Messemer (1924 – 1991) sprach die Rolle im Hörspiel. - Richard Easton (1933 – 2019) verkörperte den "König" in New York. Dort, aber an einem anderen Theater, trat auch Geoffrey Rush (*1951) in dieser Rolle auf. - Und damit sind die älteren Darsteller erwähnt ...
Dieter Hallervorden selber aber beschwört gegen Ende der Vorstellung die Geister seiner Vorgänger; Boleslaw Barlog (1906 – 1999), der Gründer des Schloßparktheaters / Schlosspark Theaters nach dem 2. Weltkrieg, wird beispielsweise von ihm angerufen. In dem Moment hat sich die Aufführung schon in Weltraum-Sphären erweitert. Man könnte von einem philosophischen Vorstoß ins All sprechen, von einer vorstellbaren Seelenwanderung.
Foto:
Dieter Hallervorden
©Schlossparktheater, Urbschat
Info:
Stab:
Regie - Philip Tiedemann
Bühne, Kostüm - Alexander Martynow
Musik - Henrik Kairies
Regie-Assistenz - Anne Kraft
Besetzung
Der König - Dieter Hallervorden
Margarete, erste Königin - Dagmar Biener
Maria, zweite Königin - Annika Martens
Julchen, Haushälterin - Christiane Zander
Der Arzt - Mario Ramos
Der Wächter - Georgios Tsivanoglou
Indes ist die Aufführung keine Klamotte. Eher wie ein Märchen inszeniert (von Philipp Tiedemann). Dazu passen auch das Bühnenbild und die Kostüme (Alexander Martynow). - Die Handlung ist leicht erzählt: Der König ist alt und zunehmend gebrechlich; sein Reich heruntergewirtschaftet und immer kleiner geworden. Der Hofstaat friert; es ist kalt; und fehlt an Heizmaterial. (Das steht so im Stück; ist keine Anspielung auf Gaslieferungen aus Russland oder nicht.) - Ein 'Arzt', Mario Ramos (guter Sprecher), wieselt dauernd um den König herum, fühlt ihm den Puls und kommt mit zahllosen Ratschlägen daher. Er erinnert, so scheint es, an den gegenwärtigen Gesundheitsminister. #"O, du mein Karlatan!"# hätte Alfred Kerr (1867 – 1948) möglicherweise gesagt. - Dann rahmt ein gemütlich wirkender, Hellebarde tragender Wächter (Georgios Tsivanoglou) die Szene - ebenso wie das überarbeitete Julchen, die Haushälterin, mit Eimer und Schrubber, die im Programmheft als "Berlinerin" deklariert ist (Christiane Zander). - Und im inneren familiären Umkreis oder Hofstaat sieht man als mahnende, warnende und teils griesgrämige und entsprechend dunkel gekleidete 'Königin Margarete' Dagmar Biener; als junge 'zweite Königin', vielleicht aber auch Töchterlein, hell gekleidet, Annika Martens. - Und alle kümmern sich ratend, sorgend, teils liebevoll um den König, der von Szene zu Szene mehr altert und verfällt und nachher im Rollstuhl gefahren wird. - Ein Märchen mit intelligenten Wahrheiten.
Die Rolle des Königs wurde seit jeher von großen Schauspielern gespielt. Die FAZ brachte in ihrem Nachruf auf den französischen Schauspieler Michel Bouquet (6.11.1925 – 13.4.2022) ein Bild von ihm als Ionescos sterbender "König", von 2005. - Das Programmheft enthält eine Aufführungs-Chronik: Jacques Mauclair (1919 – 2001) spielte die UA am 15.1.21962 in Paris. - Karl-Maria Schley (1908 – 1980) die deutsche Erstaufführung in Düsseldorf. - Werner Hinz (1903 – 1985) die Rolle wenig später am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. - Sir Alec Guinness (1914 - 2000) in London. - Horst Bollmann (1925 - 2014) war der "König" (ebenfalls) am Schloßparktheater Berlin - und übrigens ebenfalls Dessauer wie Dieter Hallervorden. - Hannes Messemer (1924 – 1991) sprach die Rolle im Hörspiel. - Richard Easton (1933 – 2019) verkörperte den "König" in New York. Dort, aber an einem anderen Theater, trat auch Geoffrey Rush (*1951) in dieser Rolle auf. - Und damit sind die älteren Darsteller erwähnt ...
Dieter Hallervorden selber aber beschwört gegen Ende der Vorstellung die Geister seiner Vorgänger; Boleslaw Barlog (1906 – 1999), der Gründer des Schloßparktheaters / Schlosspark Theaters nach dem 2. Weltkrieg, wird beispielsweise von ihm angerufen. In dem Moment hat sich die Aufführung schon in Weltraum-Sphären erweitert. Man könnte von einem philosophischen Vorstoß ins All sprechen, von einer vorstellbaren Seelenwanderung.
Foto:
Dieter Hallervorden
©Schlossparktheater, Urbschat
Info:
Stab:
Regie - Philip Tiedemann
Bühne, Kostüm - Alexander Martynow
Musik - Henrik Kairies
Regie-Assistenz - Anne Kraft
Besetzung
Der König - Dieter Hallervorden
Margarete, erste Königin - Dagmar Biener
Maria, zweite Königin - Annika Martens
Julchen, Haushälterin - Christiane Zander
Der Arzt - Mario Ramos
Der Wächter - Georgios Tsivanoglou