stuttDas Caricatura Museum Frankfurt zeigt seine Werkschau STATEMENTS bis 3. Oktober

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gern würde ich Klaus Stuttmanns Gesicht, Gesichtsausdruck, Sitzhaltung und Statur als die Idealfigur eines leicht ermüdeten und angesichts des Ukrainekrieges und anderer Schrecken massiv desillusionierten Alt-Linken-Friedensfreundes in eine entsprechende Karikatur gießen, so typisch saß er wie die Karikatur seiner selbst auf der Pressekonferenz vor uns oder sollte man besser sagen, er gab auf diese Weise uns Journalisten Zucker.

Ihm persönlich geht es nämlich, anders als die Weltlage, hervorragend, denn er, Jahrgang 1949 und in Frankfurt geboren!, ist dick im Geschäft, insbesondere in den Regionalzeitungen mit weiter Verbreitung sind seine Karikaturen täglich zu sehen. Aber die zufriedene Leserschaft ist nur das eine, er gehört zu denen, die reihenweise die Karikaturistenpreise abräumen. Sein Stil? Gar nicht leicht zu sagen.

Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist das Mondgesicht!, heißt ein Kinderreim von gestern und eigentlich bewundern wir Laien doch jeden, der darüberhinaus, über eine Abstraktion des Ausdrucks auch eine persönliche Ähnlichkeit hinkriegt. Bei Stuttmann kommt hinzu, daß er ohne Schablone arbeitet, also jede Figur jedesmal neu zeichnet. Das geht schnell, berichtet er, wenn er diejenige Person gut in der Hand liegen hat, was auf jeden Fall für Angela Merkel gilt, die er fast 900 Mal ins Bild setzte, was vor Jahren ein umfassenden Bildband dokumentierte.

Bildschirmfoto 2022 05 02 um 22.59.44Den habe er ihr ins Bundeskanzleramt geschickt, aber keine Reaktion erhalten, nicht einmal eine Bestätigung, daß sein Werk angekommen sei. Das habe ihn nicht abgehalten, die erweiterte Neuauflage zum Ende ihrer Amtszeit erneut an Angela Merkel zu schicken. Und diesmal hat sie in persönlichen Zeilen sich bedankt und ihm gewünscht, daß er auch ohne sie in Zukunft ähnlich ansprechende Figuren fände. Und das hat er längst. Allerdings ist seine derzeitige politische Lieblingsfigur, der englische Premier Boris Johnson, ganz schön angeschlagen und so wünscht sich ein Karikaturist, der sicher politisch überhaupt nicht mit Johnson übereinstimmt, aus beruflichen Gründen dessen politisches Weiterleben. So ist ein Karikaturistenleben.

Natürlich wurde der geborene Frankfurter Stuttmann, der schon als Kleinkind ohne gefragt zu werden in die Diaspora Stuttgart - das doppelte Stutt fällt schon auf! - verschleppt wurde, auch nach seinem Verhältnis zur Vaterstadt gefragt, das gut ist; leben allerdings tut er schon lange, seit 1970,also ein halbes Jahrhundert in Berlin, aber seine Wurzeln liegen aus ganz anderen Gründen in Frankfurt, denn die Frankfurter Schule ist einfach sein Vorbild in allem. Und da fällt dem, der seine nach Jahreszahlen ab 1990 bis heute gegliederte Ausstellung auf, daß er beispielsweise bei den Merkelkarikaturen ganz selten einen Text hinzufügt, während seine meisten politischen Karikaturen ohne Text in der Luft hingen. Und bei diesen Überlegungen fällt zusätzlich auf, daß wir selten nachfragen: „Mit oder ohne Text“. Da müßte man jetzt bei Stuttmann auch lange nachzählen, denn er hat schätzungsweise 10 000-15 000 Karikaturen gezeichnet, die Zahl nennt er selbst, wobei man sich verblüfft fragt, daß er mal glatt 5 000 optional sein läßt.

Wie gut, daß wir seinen Merkelband vor uns liegen haben und ihn auch studieren. Denn da schreibt er im Vorwort etwas, was uns neu ist, aber für die Merkelkarikaturen wichtig ist. Die hatten nämlich Text. Doch den hat er für die Publizierung des Bandes eliminiert, weil er verblüfft war, wie stark dann allein die Zeichnung die Aussage trägt. Und die Originalkarikaturen kann man auf seiner Webseite nachschauen.

Zurück zur politischen Aussage, die man, wenn man die Jahresreihen der mehr als 300 ausgewählten Zeichnungen bis heute abschreitet, in den Karikaturen erkennt, ist es eine humanistische Grundhaltung, die den Menschen als einzigartig, aber auch Gemeinschaftswesen zeigt, wo diejenigen, die politische Macht ausüben, an ihren Taten gemessen werden, nicht an ihren Ideologien. Es ist das Infragestellen von formaler Autorität, das wir in der jungen Bundesrepublik mit der Muttermilch aufgesogen hatten, unsere grundsätzliche antiautoritäre Grundhaltung. Wie das heute ist, müßte man mal untersuchen.

Warum das eine Ausstellung für jedermann ist, hat mit ihrem kulturhistorischem Wert zu tun. Für die einen ist es eine Erinnerung und Zusammenfassung ihres eigenen Lebens, was die wichtigsten politischen Ereignisse angeht, für eine mittlere Generation das, was sie als Kinder miterlebten und für die heute Jungen ist es sowas von gestern, was aber wichtig sein kann für das morgen.

Bildschirmfoto 2022 05 02 um 23.00.37Ach ja, noch etwas, was mir auffiel. Klaus Stuttmann repräsentiert das alte Westdeutschland. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Ostdeutsche Zeichner mit DDR-Vergangenheit zeichnen andere Sujets und kommentieren auch anders.


Foto:
Cover

Info:
Es gibt keinen Katalog. Aber in der Ausstellung gibt es auch Merkel-Karikaturen, die sich im erweiterten MEIN MERKELBILDERBUCH wiederfinden:
Klaus Stuttmann, Mein Merkelbilderbuch. Über 800 Zeichnungen aus über 30 Jahren, Schaltzeit Verlag 2021
ISBN 9778 3 946772 54 9