wpo Poetry 3865Bas Böttcher in Schlüchtern

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Am Dienstagabend war der Poetry Slammer oder, altmodisch formuliert, der Dichter Bas Böttcher mit einer Lesung im Hutten-Gymnasium zu Gast. Bereits am Vormittag hatte er in einem Workshop Sprachspiele mit 30 Schülerinnen und Schülern erarbeitet, von denen einige dann abends ihre eigenen Texte vortrugen.

Sprache besteht aus Wörtern - mit ihnen kann man spielen, sie verdrehen, vertauschen oder den Sinn verändern. Böttcher ist ein bekannter Sprachkünstler und Wortakrobat, der um die Macht der Wörter weiß: „Und lerne ich eine Sprache neu kennen, / dann lehrt mich die Sprache, mich neu zu kennen. / Das macht die Sprache - die Macht der Sprache. / Und glaube ich, ich beherrsche meine Sprache, / beherrscht womöglich meine Sprache mich. / Das macht die Sprache – die Macht der Sprache...“ Dies ist ein programmatischer Auszug aus einem seiner Gedichte, die er selbst an diesem Abend vortrug.

Der Poet moderierte und wertschätzte die Auftritte der Jugendlichen und griff ihre gereimten Ideen, Fantasien und Spiele auf, um sie mit eigenen Texten zu ergänzen. In der Club-Atmosphäre der Mediothek erlebte das Publikum die Bandbreite von einfachen Wortspielen, „Wollust und lustvoll“ oder „Tagtraum und Traumtag“, den Fragen „was ist in Olivenöl oder Babyöl drin?“, bis hin zu konkreter Poesie, in der Worte nur noch Material sind und (eigentlich) nichts mehr ausdrücken. Doch auch das reine Spiel schließt gesellschaftskritische Aspekte nicht aus. Die einfachsten Beispiele waren „RTL steckt im Wort wertlos“,  „Netflix sind Träume der Betten“ oder „Versager oder Verse Sager?

Die pädagogische Arbeit macht Böttcher Spaß: „Neulich habe ich ‚Igel im Streichelzoo’ gehört, davon werde ich angeregt.“ Alle Worte schwirrten in der Lesung schnell vorbei, es war unmöglich die vielen Verse mitzuschreiben oder sie genau zu erinnern. Wir wollen aber kurz andeuten, was die Jugendlichen vortrugen:

Ein geplanter Zufall / auf die Erde zu fallen / ausgerechnet hier...“, darüber sprach Katharina. Alissa und Jana reimten „Was sie verschweigen ist die Zeit“ und „Alle streben nur nach Frieden / doch verweigern sich zu lieben.“ Mariam fabulierte - auch komisch - über Angst oder Einsamkeit, sie endete: „Die Einsamkeit / ist letztendlich / nur eine Kopfkrankheit.“ Nadja und Jennifer dichteten über „die Gefühle, die in uns toben.“ David wusste: „Es gibt wahrlich keine besseren Ort als hier.“ Felia begann: „Ich denke zu viel. / Ich denke, ich denke zu viel...“ Pia sann darüber nach, „welche Farbe fühlst du heute“ und meinte: „Deine Lügen fühlen sich grau an.“

Wortspiele dienen nicht nur der Unterhaltung, man lernt neue Perspektiven einzunehmen und Vertrautes anders zu sehen. Nach diesem poetischen Abend stolperte man selber ständig über Wörter oder spielte mit ihnen. Das fasst die Fortsetzung des Gedichts von Böttcher zusammen: „...Und erweitert der Mensch seine sprachlichen Möglichkeiten, / dann erweitert die Sprache die menschlichen Möglichkeiten. / Das macht die Sprache – die Macht der Sprache. / Und wenn ich meine Sprache verkommen lasse, dann lässt am Ende meine Sprache mich verkommen. Das macht die Sprache auch – die Macht der Sprache...

Organisiert wurden Workshop und Lesung von Studiendirektor Dr. Daniel Nix, der ebenfalls einen Vers vortrug: „Der kleinwüchsige Riese / eilte im Schneckentempo / in den tosenden Raum der Stille...

wpo Poetry 3887
Foto:
(c) Hanswerner Kruse

Info:
Bas Böttcher liest 13 eigene Gedichte