Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - „Das Leben ist Kabarett“, singt Lisa Fitz fröhlich zur Begrüßung des Publikums in der Show “Dauerbrenner“, um dann plötzlich wie Frankensteins Monster über die Bühne zu tapsen: „Nein! Ich bin kein Urgestein. Nennt mich lieber den weiß-blauen Hai“, röhrt die erste und älteste deutsche Kabarettistin.
Im vierzigjährigen Jubiläumsprogramm nimmt sie uns mit auf eine abwechslungsreiche Zeitreise. In der gut gefüllten Schlüchterner Stadthalle spielt die siebzigjährige Bayerin Beatles-Songs auf ihrer Gitarre an: „Mein Vater nannte das Negermusik.“ Dann teilt sie Hiebe gegen die Amigos aus: „Dagegen macht Helene Fischer Heavy Metal.“ Ruhiger als jetzt sei das damals aber auch nicht gewesen, meint sie und erinnert an die Kuba-Krise oder den niedergeschlagenen Prager Frühling. Freimütig erzählt sie von der sexuellen Revolution und der Entdeckung der freien Liebe: „Das war nicht so’n Transen-Fasching wie heute!“
Die Sittenrichter hätten bei der Geburtsszene in einem Film des Sexualaufklärers Oswald Kolle verrückt gespielt, „jetzt kann das jeder auf RTL 2 sehen.“ Doch so etwas wie Connys „Zwei kleine Italiener“ dürfe man heute nicht mehr singen: „Zwei kleine Negerlein / am Bahnhof in Hildesheim“, das ginge nun gar nicht mehr - und sei auch kulturelle Aneignung.
Was wurde morgens um vier in ihrer Wohngemeinschaft gequatscht? Der Doktor im weißen Kittel müsse morgen mit auf die Demo, forderte ein zugedröhnter Kommunarde. „Hey, Du redest mit dem Kühlschrank“, bekam er zu hören. Fitz war noch halb taub vom letzten Rockkonzert, als das Bayrische Fernsehen anrief und sie für die Moderation seiner Hitparade gewinnen konnte. „Warum musste ich als junge Sängerin ran? Männer konnten ja noch von der Intensivstation aus moderieren, aber für Frauen ab 40 war Schluss.“ In der Sendung, „dieser musikalischen Deppenhölle“, durfte sie jeweils ein eigenes Lied vortragen. Ihre bissige Satire „Ja mei, i bin blöd“, wurde 1974 ungewollt sogar ein Hit. Nach der Heirat mit einem bayrischen Perser schrieb sie nach vielen hasserfüllten Fan-Briefen den bitterbösen Song: „Mein Mann ist Perser / ein ganz Perverser... Die ganzen Typen aus dem Morgenland / bescheißen uns, das ist bekannt.“
Fitz quatscht, gurrt, schäkert, grimassiert, posiert - und wechselt schnell von den frechen Erzählungen zum hervorragenden Gitarrenspiel mit tabulosen Gesängen. Die antreibenden Rhythmen ermuntern das Publikum zum Mitklatschen oder Mitsingen.
Nach der Pause fallen ihre Darbietungen zunächst enttäuschend ab. Die populistisch wirkenden Politikerbeschimpfungen oder Erinnerungen an Corona sind zu eindeutig und nur wenig komisch: „Die Politiker stopfen sich die Taschen mit Geld voll“ verkündet sie oder „im Lockdown wurden alle Widersprüche wegdiskriminiert.“ Problematischer jedoch, dass ihr Kabarett hier politisch nicht mehr aktuell ist, da wird oft noch von Kramp-Karrenbauer oder Merkel geredet. Hier wäre ein stärkerer Bezug zur Gegenwart wünschenswert. Aber immerhin: „Wenn Ursula von der Leyen in den Raum kommt, friert die Wasserleitung ein.“
Mit der Zeit wird sie dann wieder sarkastischer und überzeugender: „Reden wir mal über Sex.“ Die hinreißend echt wirkenden Sexpuppen könnten doch auch spülen und abwaschen lernen, warnt sie spöttisch vor der Roboterisierung. Oder sie giftet sich über “Alexa, die alte Stasi-Schlampe.“
Lisa Fitz ist eine unterhaltsame Moralistin und vielseitige Entertainerin, am Ende der Show findet sie mit ihrer langen gesungenen Ballade „Quo vadis Deutschland - ich bin dein Kind“, zum kritischen und trotzdem poetischen Kabarett zurück.
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(c) Hanswerner Kruse
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