Kunststation Drohne 18Die Kunststation Kleinsassen und die Kunstwoche

Hannah Wölfel

Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Immer wieder ist im Weltexpresso von der Kunststation Kleinsassen in der Rhön die Rede, neue Kunst-Ausstellungen und Veranstaltungen werden von uns vorgestellt. Jetzt, zur Eröffnung der Kunstwoche im Malerdorf am 14. August 2022, wollen wir das Kunsthaus einmal umfassend  darstellen.
 

FZ kleinsassen drei 1477Fährt  man von Poppenhausen oder über Margretenhaun nach Kleinsassen, erkennt man bereits von weitem die kräftig mit roten und blauen Farben gestalteten Fassaden der Kunststation. Manche Leute wandern hierher, um Kaffee zu trinken und selbst gebackenen Kuchen zu essen. Andere kommen, um zeitgenössische Kunst zu sehen, ein schönes Gemälde für Zuhause auszuleihen oder weil sie einen Kurs zum Papierschöpfen oder Drucken belegt haben. Abends gibt es ab und zu Jazzkonzerte, Frauenkabarett oder eine Weinprobe. Mit den Worten „Kunst und Kulinarisches für Leib und Seele“, wirbt das nichtkommerzielle Projekt, das man sogar für Tagungen oder Feiern mieten kann.

kunstwoche 5418
Ab dem 14. August kann man bis zum 21. August auch ins Dorf - unterhalb der Kunststation - zur jährlichen Kunstwoche gehen, die in der Corona-Zeit zweimal ausfallen musste. Die Dörfler öffnen wieder ihre Scheunen und verkaufen deftiges Essen. Auf der Hauptstraße und der großen Wiese sind Stände und Zelte mit kreativen Dingen aller Art aufgebaut - vom nackten Kitsch bis zum feinsten Kunsthandwerk ist für alles gesorgt.



Kunststation 2263Eine neuer Schwerpunkt sind die vielen täglichen kostenlosen Schnupperkurse und Workshops, die bisher nur vereinzelt von Kunstschaffenden an ihren Ständen angeboten wurden. In diesem Jahr bieten sowohl der Verein der Kunstwoche in zwei großen Zelten, als auch oben die Kunststation in ihren Werkstätten und Pavillons kreative Veranstaltungen an.





Derzeit läuft in der Station eine „Zusammenschau“ (Titel) von Werken international bekannter Künstlerinnen und Künstlern aus der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland. Diese Arbeiten treffen auf Objekte der Artothek, die nach Ausstellungen von der Station angekauft wurden. Sie können für maximal drei Jahre ausgeliehen oder erworben werden. Die Holzskulptur „Affe, der den Verkehr regelt“ von Volker März oder Susanne Bockelmanns riesiger „Wels“, können in der Konfrontation mit Anne Imhofs Blechbildern oder Jonathan Meeses eigenwilligen Skulpturen durchaus bestehen. Zur Vernissage kam auch MdB Michael Brand vorbei: „Der schönste Ort ist die Artothek. Man geht fröhlicher wieder heraus als man hineingegangen ist“, meinte er und wünschte sich: „Diese Ausstellung soll uns allen Kreativität für unsere anstehenden Aufgaben in den Wochen geben.“

kochs 1190 Kopie

Die Kunststation ist kein Ort für elitäre Kultur - aber durchaus für anspruchsvolle Kunst mit enormer Spannweite: Verdrehte Skulpturen aus Motorrollern oder brave Rhönmalerei. Der Eisbär mit menschlichem Säugling im Arm oder das riesige Nashorn aus alten Klamotten. Karikaturartige Märchenbilder oder wilde abstrakte Gemälde...




Kunststation 6364Manchmal versuchen Kunstschaffende die Dorfbewohner einzubinden. Die amerikanische Künstlerin Kitty Wales fertigte für die Schau „Upcycled“ Installationen aus Tennisschlägern, Staubsaugern und anderem Sperrmüll, den Ihr die Kleinsassener brachten. Für die Ausstellung „Glaube, Liebe, Hoffnung“ lieh sich die hyperrealistische Zeichnerin INK geliebte Gegenstände aus, die sie akribisch abzeichnete, etwa den kleinen Teddybär oder einen Ehering. Dazu organisierte sie Workshops, um junge Besucher an ihre Arbeiten heranzuführen und zum Selberzeichnen zu ermuntern.

FZ wild 2996
Vermutlich sind dem Publikum nicht sofort alle Werke verständlich, manche erschließen sich vielleicht einigen Menschen gar nicht - aber regelmäßige Besuche des Hauses ermöglichen spannende Reisen durch die kolossale Bandbreite zeitgenössische Kunst. Vor allem wenn thematische Ausstellungen wie „Licht“, „Sie und Er“ oder „Spiel“ kuratiert werden, an denen sich diverse Kreative beteiligen können.

Manchmal haben die künstlerischen Themen eine direkte Verbindung mit dem wirklichen Leben: In der Ausstellung „Licht“ informierte ein Verein über Lichtverschmutzung und den Sternenpark Rhön. Zur Ausstellung „Wild“ bot das Forstamt Hofbieber Informationen über „Wald, Wolf und Wildnis in der Rhön.“ Zweimal wurden zu Corona unmittelbare, aber sehr vielfältige künstlerische Objekte zu den Folgen der Pandemie gezeigt.





Kunststation 8497
Die Kunstschaffenden sind fast immer zur Eröffnung anwesend, erläutern dem Publikum ihre Arbeiten und machen mitunter Performances. Und der lokale Künstler Bernd Baldus singt auch mal mit Gästen „No reason to get excited“ (Kein Grund zur Aufregung) von Bob Dylan. Gelegentlich kann man „Künstlern in Residenz“ beim Schaffen in Werkstätten oder Zelten zusehen, mit ihnen ins Gespräch kommen oder gemeinsam etwas erschaffen: Die spektakulärste Aktion war sicher das Sprühen der Fassaden mit Graffiti durch Jugendliche unter Anleitung der Gruppe „3 Steps“.


Kunststation 2909

Experimentelle Drucktechniken, Frottagen oder Aquarellmalerei: Monika Trautwein, Teresa Dietrich sowie andere lokale Künstlerinnen und Künstler, ermuntern und lehren junge und ältere Menschen, mit künstlerischen Mitteln zu experimentieren und sich auszudrücken. Dabei wird auch mit der Volkshochschule und anderen Einrichtungen kooperiert. In ihrer Freien Kunstschule führt Veronika Zyzik aufeinander aufbauende Kurse über einen längeren Zeitraum durch.


Um das Ausstellungshaus herum befinden sich zahlreiche Skulpturen, etwa das „Kosmische Wurmloch“ aus aufeinandergeschichteten Steinen oder der „Teufelsstein“, eine gigantische Steinskulptur mit Fabelwesen, drehbare Holzstelen oder Figuren aus Metall. Diesen wachsenden Skulpturenpark kann man sogar besuchen, wenn die Station geschlossen ist.

Hintergrund
1979 begann in der alten Schule Kleinsassens das Experiment, Gegenwartskunst in der Provinz und fernab der Metropolen zu präsentieren. Heute verfügt die Kunststation über ca. 1.400 m2 Ausstellungsfläche mit drei großen Hallen und einem Studio für kleinere Projekte. In den Hallen wechseln - meist mehrere parallele - Ausstellungen alle drei Monate, im Studio nach sechs Wochen.

Träger der Station war bis 2005 die Volkshochschule des Landkreises Fulda. Danach wurde die Einrichtung in einen gemeinnützigen Verein umgewandelt und wird - lediglich geringfügig - von diversen Stiftungen, dem Landkreis Fulda sowie vom Land Hessen gefördert.

Fotos:

(c) Hanswerner Kruse
Drohnenfotos (c) Dr. Adolf Müller.
 
Info:
Zu Anreise, Öffnungszeiten, laufenden Ausstellungen und Veranstaltungen siehe
 www.kunststation-kleinsassen.de

Zum Programm der Workshops und Schnupperkurse während der Kunstwoche siehe