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INFLATION 1923. Krieg. Geld. Trauma bis 10. September im Historischen Museum Frankfurt, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wahrscheinlich wäre es in den gesellschaftlich ruinösen 1929er Jahren mit der verheerenden Inflation infolge der Weltweirtschaftskriseniemand in den Sinn gekommen, sich zu Fasching als INFLATION zu verkleiden, wie es das Kleid aus lauter Geldscheinen mit Millionen, ja Milliardenbeträgen von 1924/25 ausweist. In der Ausstellung steht es schräg gegenüber dem Stresemann. So hieß und heißt der Männeranzug, der nach dem deutschen Staatsmann Gustav Stresemann benannt ist: schwarz-grau gestreifte Hose, einreihiges dunkles Jacket und heller Weste bei Hochzeiten, Staatsempfängen, Festivitäten, mit dunkler Weste, bei Trauerfeiern. Natürlich lacht man sich einen. Ist doch typisch: die Inflation als Weib, noch dazu im Karneval, aber das Stabile ist der Mann, der gleich, damit es jeder merkt: Stresemann heißt.

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Aber das ist nur ein Hinweis auf die für eine Inflation atypische Situation 1923, die aus der eigentlichen Ursache resultierte: dem 1918 beendeten Ersten Weltkrieg, Deutschland als Verlierer mit Reparationsforderungen (Versailles) dazu. Eigentlich ist das Geld schon im Krieg entwertet worden, aber erst nach der Niederlage wurde deutlich, in welchem Ausmaß die Bevölkerung dafür gezahlt hatte. Der Kurator der Ausstellung Frank Berger nennt als finanzielle Kosten des 1. Weltkriegs 154 Milliarden Mark (später für den 2. heißt es: 360 Milliarden Reichsmark), von denen die Bevölkerung 100 Milliarden für Kriegsanleihen aufgebracht hatten. Diese Bürger waren die Leidtragenden. Das Geld war weg, während Hausbesitzer, Bauerngüter, Industrieanlagen, Unternehmen mit ihrem Besitz weitermachen konnten. Seit 1919 konnte man inflationäre Bewegungen verfolgen. Ursprünglich war der Dollar 4, 20 Mark wert, übrigens genauso viel wie sehr viel später in der Adenauerrepublik. Doch auf einmal brauchte man 300 Mark für einen Dollar, dann 400, dann 10 000 Mark, ganz später Billionen.

 

Vom August bis November 1923 kam es zur Hyperinflation. Neben der ständigen Geldentwertung war dies vor allem die Folge der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen, auf die die deutsche Regierung reagierte, in dem sie die dort Tätigen in Industrie, Verkehrswesen und Verwaltung zum passiven Widerstand aufriefen, was diese im Streik befolgten, aber weiterhin vermindert bezahlt wurden, ohne das Waren/Werte geschaffen wurde.

 

Die Preise explodierten. Problem für Arbeitnehmer: Wenn sie ihren Lohn, ihr Gehalt bekamen, war es bei der Auszahlung schon kaum mehr etwas wert. Doch galt dasselbe auch beispielsweise für Mietverhältnisse, wo ein Hausbesitzer mit der vereinbarten Miete nichts mehr anfangen konnte, weil sie keinen Kaufwert mehr hatte. Eine Straßenbahnfahrkarte kostete auf einmal im August 15 000 Mark, im Oktober schon 12 Millionen und im November 10 Milliarden. Man hört und liest das mit Staunen, wirklich vorstellen kann man es sich nicht.

 

Das war eine schwere Hypothek für den gerade am 13. August 1923 Reichskanzler gewordenen Politiker Gustav Stresemann, der dies bis zum 23. November und der Bewältigung der Hyperinflation blieb. Dazwischen lag auch noch der Hitler-Putsch vom 9. November 1923, bis das Kabinett Stresemann am 16, November eine psychologische Meisterleistung vollbrachte: Die Einführung der RENTENMARK. Dies war eine Hilfskonstruktion, der finanzpolitische Hintergrund ist schwierig zu erklären, aber die Folgen sehr einfach: Der Maßstab blieb der Dollar. Dessen Wert wurde wie vor dem Krieg auf 4, 20 Rentenmark festgelegt Die Reichsbank hatte als Umtauschkurs festgelegt: für eine Billion Papiergeld gab es eine Rentenmark. Außerdem wurde von der Reichsbank das Geld eher knapp gehalten. Es war eigentlich ein Trick, eine Zirkusnummer, eine Zauberei. Aber sie funktionierte. Und darin kann man die psychologische Seite vom Geld und Währung gut erkennen. Die Bevölkerung glaubte an die Rentenmark. Sie nahm die neue Währung an. Die Hyperinflation stoppte. Es gab von einem auf den anderen Tag stabile finanzielle Verhältnisse. Ein Jahr später wurde die Reichsmark eingeführt, die die Rentenmark ersetzte, die aber wie die Reichsmark bis 1948 als Zahlungsmittel noch benutzt wurde. Dann kam die D-Mark.

 

Daß Inflation also auch mit Hysterie, mit Psychologie und anderen als wirtschaftlichen Gründen zu tun hat, ist eine Erkenntnis, die man nicht vergessen wird. Die Ausstellung läßt im Betrachter sofort die Frage aufkommen: cui bono? Denn wie schon erwähnt, kann es keinen besseren Zeitpunkt als den gegenwärtigen geben - wo wir mit Teuerungsraten zu tun haben, die mehr als irritierend sind und für arme Leute nicht aufgefangen werden können - aufgehängt an der Geschichte, die Zusammenhänge, Hintergründe von Inflationen zu erkunden. Inflation und damit Geldentwertung nutzt auf Dauer immer denen, die Besitz an Immobilien und Unternehmen haben. Und auch dem Staat, wenn seine Schulden leichter zu bezahlen sind.

Fortsetzung folgt.

 

Fotos:
©Redaktion

 

Info:
Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma, bis 10. September 2023, Historisches Museum Frankfurt

Katalog:
Hrsg.: Nathalie Angersbach und Frank Berger, INFLATION 1923. Krieg, Geld, Trauma, Historisches Museum Frankfurt, Henrich Verlag 2023

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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