Serie Eine Ausstellung zum jüdischen Filmschaffen in der Bundesrepublik im Jüdischen Museum Frankfurt, Teil 1
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am Beginn der neuen Ausstellung im Frankfurter Jüdischen Museum tritt der Besucher in einen Kinoraum, in dem sich auf zwei Bildschirmen Regisseure, Schauspieler und Produzenten zu der Frage äußern, ob sie ihr Jüdischsein in Filmen oder am Filmset lieber ein- oder ausgeblendet sehen. Ihre Aussagen bieten ein weites Spektrum an Haltungen zur eigenen Religiosität und leiten zum Thema der Ausstellung über, den jüdischen Anteil am Filmgeschehen in der Bundesrepublik von der frühen Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung "einzublenden".
Der anschliessende Rundgang führt buchstäblich hinter die Kulissen in eine Art Filmstudio, in das die Ausstellungsarchitekten katzkaiser (Darmstadt/Köln) sechs Filmsets platziert haben, die mosaikartig Einblicke in das bundesrepublikanische Filmgeschehen erlauben. Dieser Zeitraum, so die Kuratoren Dr. Lea Wohl von Haselberg, Film- und Medienwissenschafterin an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, und Johannes Praetorius-Rhein, Filmwissenschafter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität, erschien interessant, da sich sowohl die Rezeption als auch die Selbstwahrnehmung jüdischer Filmschaffender entscheidend veränderten.
Artur Brauner gilt als einer der einflussreichsten Filmproduzenten der frühen Nachkriegszeit. Seine Familie hatte den Holocaust in Russland überlebt und bald nach seiner Ankunft in Berlin gründete er 1946 die Central Cinema Company (CCC), aus der ein Grossteil der westdeutschen Filmproduktion noch bis in die 1980er Jahre hervorging. Heute führt seine Tochter Alice das Produktionsgeschäft fort. Fast gleichzeitig 1947 gründeten Gyula Trebitsch und Walter Koppel in Hamburg die Filmproduktionsgesellschaft Real-Film, die den heutigen Status Hamburgs als Filmstadt wesentlich mitbegründete. Die Ausstellung zeigt Ausschnitte aus dem 1948 in den Real-Film-Studios gedrehten Film "Arche Nora" und aus Artur Brauners eigenem Film "Morituri", beide aus den Beständen des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums (DFF), das den Nachlass Brauners verwaltet und Kooperationspartner der Ausstellung ist.
Nach ihrer Flucht war die Schauspielerin Lilli Palmer in Hollywood berühmt geworden. Als sie 1954 nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie als Weltstar gefeiert, allerdings nicht als jüdische Schauspielerin wahrgenommen. Peter Lorre dagegen konnte nach seiner Rückkehr 1949 an seinen Erfolg in Fritz Langs "M" nicht mehr anknüpfen, zu sehr war er auf den Kindermörder, den er darin gespielt hatte, festgelegt worden. Nach wenigen Jahren ging er zurück nach Hollywood.
Wie drei Fernsehzimmer im Stil der 1950er Jahre wirken die Kulissen im nächsten Raum. Die für das Fernsehen tätigen Regisseure bereicherten in diesen Jahren das noch neue Medium Fernsehen mit ihrem Witz und Esprit, etwa Peter Lilienthals "Striptease" von 1963 oder Imo Moszkowicz’ "Mein Freund Harvey" von 1959.
Spannungsreich wird das Verhältnis jüdischer Filmschaffender zum deutschen Autorenfilm in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Im Aufbegehren gegen die ältere Generation wurden jene, die nach dem Krieg die Filmindustrie wieder angekurbelt hatten, angefeindet. Artur Brauner und der Dokumentarfilmer Erwin Leiser kommen zu Wort, der Theaterregisseur Luc Bondy, die Filmemacherin Jeanine Meerapfel.
Während ab 1970 Schauspielerinnen wie Esther Ofarim oder Schlagersängerinnen wie Dalia Lavi als israelische Stars gefeiert wurden und Robert Lembke mit "Was bin ich?" und Hans Rosenthals "Dalli, Dalli" zu Leitbildern in der Fernsehunterhaltung avancierten, formulierten schliesslich in den 1980er Jahren Regisseure ihre Position aus dezidiert jüdischer Sicht, wie eine Gegenüberstellung von Karl Fruchtmanns "Heinrich Heine - Die zweite Vertreibung aus dem Paradies" und Thomas Braschs "Der Passagier" eindrucksvoll zeigt.
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Info:
Ausgeblendet/Eingeblendet. Eine jüdische Filmgeschichte der Bundesrepublik
bis 14. Januar 2024
Katalog: Ausgeblendet/Eingeblendet. Eine jüdische Filmgeschichte der Bundesrepublik, hrsg. Lea Wohl von Haselberg, Johannes Praetorius-Rhein, Erik Riedel, Mirjam Wenzel, 263 S., deutsche und englische Ausgabe, 28 Euro.