Schwab 4534Mit Bühnenkünstler Hans Schwab im Steinauer Theatrium


Hanswerner Kruse

Steinau a.d. Straße (Weltexpresso) - „Süßer Wein küss mich“, verlangt gierig Schauspieler Hans Schwab. Später trappelt und trappelt und trappelt er unaufhörlich im Halbdunkel, wir galoppieren mit dem „Erlkönig“ von Johann Wolfgang Goethe. Auf dem Akkordeon spielt der Akteur kurz Heinrich Heines „Was soll es bedeuten“ an. 

  Schwab 2813In glaubhaft echter Verzweiflung versucht er als Goethes „Zauberlehrling“ den wild gewordenen Besen zu bändigen: „O, du Ausgeburt der Hölle! / Soll das ganze Haus ersaufen?“ Oder er treibt als Friedrich Schillers „Taucher“ in Gischt und brandenden Wogen: „Es wallet und siedet und brauset und zischt / wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt.“

Deutsche Balladen, mit denen möglicherweise einst manche Schulkinder von ihren Lehrern gequält wurden, empfindet der Bühnenkünstler als „Short Stories des 19. Jahrhunderts“; er sieht in den Erzählungen spannende theatralische Vorlagen. Diese, zunächst klassischen Gedichte, deklamiert er meist nur anfänglich im Sitzen oder Stehen - dann nutzt er oft die ganze Rampe, bückt sich, springt hin und her, steigert sich, findet wieder zur Ruhe, gebraucht Mimik, Gestik, seine Stimme als Ausdrucksmittel. In manchen - man muss schon sagen - Stücken mit wörtlicher Rede, schlüpft er in verschiedene Rollen. Die ausgespielten Szenen werden durch das veränderte Licht an unterschiedliche Orte verlegt, wir reisen mit ihm. Äußerst abwechslungsreich und gekonnt setzt der erfahrene Theatermacher Schwab die alten Dichtungen für sein Publikum dramatisch in Szene!

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Goethes „Totentanz“ wird - so ganz nebenbei - zur Hommage an das Figurentheater des Theatriums: Hinter Gittern spricht er den düsteren Text und lässt ein kleines Skelett herunterbaumeln, das schließlich herabfällt. „Und unten zerschellt das Gerippe“, heißt es beim Dichter. Aber irgendwann ist Schluss mit den Geschichten von Edelleuten, Rittern und Königstöchtern, Schwab wendet sich dem Volk und der Realität zu. Als „Dorfknecht“ beklagt er in einer Volksballade dessen trauriges Liebesschicksal mit den Weibern: „Sie verlieben sich in andere Knechte / solche Mädchen sind so schlechte...“ Nach der Pause werden die Unbilden der modernen Wirklichkeit arrangiert: Wir erleben mit Theodor Fontane das Unglück einer einstürzenden Brücke, gruseln uns vor mordlüsternen „Goldgräbern“ oder leiden mit einem verzweifelten „Weichensteller“, der eine Eisenbahnkatastrophe verhindern will. 

Auch diese neueren Dichtungen inszeniert Schwab nicht mit hölzern wirkenden Pantomimen oder pathetischen Übertreibungen, sondern interpretiert sie mit viel Ausdruck und Emotionen - macht sie für die Gegenwart lebendig. Digitalen Effekten verweigert sich der Akteur völlig, so dass dieser Abend auch eine Feier des theatralischen Handwerks wird. Leider ist diese fantastische Vorstellung im Theatrium nicht besonders gut besucht, obwohl der Schauspieler seit Jahrzehnten im Vogelsberg gut bekannt ist. Vielleicht hat der Titel Balladen manche Leute mit schlechten Erfahrungen im Deutschunterricht abgeschreckt? Schade, denn der Bühnenkünstler hat demonstriert, dass diese klassischen Erzählungen auch in unseren Zeiten faszinieren können. 

Fotos:
© Hanswerner Kruse
Schwab mit Weinglas: „Süßer Wein küss mich“

Service: Weitere Aufführungen
04. November, Altstadtbühne "KARO-Keller", Alte Marktstrasse 38, Ortenberg
10. November Theatrium in Steinau a.d.Strasse
18. November IIchenhausen (Dilldapper Bühne)
26. Januar 2024, Werkraum Wickstadt