KuWe 4788Eröffnung der KulturWerk-Woche in Schlüchtern, Teil 2

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - „ZuverSICHTen“ - was zu dem Thema bereits musikalisch, künstlerisch oder tänzerisch anklang, wurde abends von der Referentin Natalie Knapp mit großer Leidenschaft poetisch-philosophisch dargeboten. 

KulturWerker Gerwin von Monkiewitsch stellte die Autorin und Journalistin mit der Überlegung vor, soll es denn in diesen bedrohlichen Zeiten der Infragestellung alles Gewohnten, wirklich wieder so werden wie früher? Oder können wir ZuverSICHTen entwickeln, also neue hoffnungsvolle Blicke auf eine sich verändernde Welt werfen?

KuWe 4814Knapp schlug einen riesigen Bogen von den epochalen Umbrüchen mit Pandemie und Kriegen, in denen wir uns momentan befinden, zu unseren eigenen sinnlichen Erfahrungen mit Umbrüchen wie der Pubertät oder dem Sterben geliebter Menschen. Statt mit abgehobenen Theorien zog sie uns mit ihrer, geradezu körperlich sichtbaren Empathie, in das Thema hinein. Wie in der Natur gibt es auch in der menschlichen Gesellschaft kreative Übergänge, die nicht immer angenehm auszuhalten sind. Doch immer wieder erleben wir im Frühjahr die neue Kraft der Hoffnung einer sich entfaltenden Natur. Und können die übrigen Kräfte wie Vertrauen, Liebe, Akzeptanz und Lebendigsein spüren.
Im zweiten Teil des Vortrags machte sie klar, dass jeder Mensch einzigartig ist und in Übergängen seinen eigenen Weg finden muss. Das erklärte sie mit der schwierigsten Aufgabe überhaupt, dem Sterben. Von einem nahen Bekannten bis zum Künstler Christoph Schlingensief berichtete sie von „Augenblicken großer Intensität“, die Individuen in diesen radikalen Ausnahmesituationen empfanden. Mit einem großen Sprung kam sie dann einfühlsam zur Pubertät, einer persönlichen Zeit, in der junge Leute alles infrage stellen, weil sie andere Wege suchen müssen.
Denn sie verlieren alles was sie wissen, weil sich ihre Körper und Gehirne neu strukturieren: „Das ist ein Geniestreich der Evolution, die uns zu kreativen Entwicklungen und Innovationen zwingt.“


In einem Vergleich des Mittelalters mit der Neuzeit begann Knapp den letzten Teil ihrer Erzählungen. Es waren gigantische Perioden des Umbruchs als Martin Luther das Ende der Welt für 1542 vorherberechnete. Die Türken standen vor Wien, Columbus entdeckte Amerika. Arbeiter, Handwerker und Kleinbauern verarmten, während Adel und Bürgertum wohlhabender wurden. Für einfache Lösungen waren damals, ebenso wie heute, die Ursachen des Wandels viel zu komplex. Wir leben ebenfalls in Zeiten epochaler Umbrüche, können uns aber die Erde in 150 Jahren überhaupt nicht vorstellen. Jedoch das Ende unserer Ära, das sich über Jahrhunderte hinziehen kann, ist keinesfalls das Ende der Welt, sondern nur derjenigen Welt, die wir kennen.

In dem abschließenden, sehr persönlichen Gespräch des Publikums mit Knapp wurde deutlich, dass wir die Spannung zwischen den Polen aushalten müssen und können: Wir sollten einen realistischen Blick auf den Klimawandel oder andere Probleme haben. Aber wir können unserer Erde auch positive Entwicklungen zutrauen, denn sie wird „Lösungen für die absurdesten Probleme finden.“

Fotos
Autorin, Journalistin, Philosophin Natalie Knapp  © Hanswerner Kruse

Info:
Programm KulturWerk-Woche 2024