1300 Jahre Klosterinsel Reichenau
Sabine Zoller
Konstanz (Weltexpresso) - Die Blütezeit der Insel Reichenau markiert eines der wichtigsten Kapitel der europäischen Geschichte. Im Kloster selbst, im Reichenauer Skriptorium, entstanden im Auftrag bedeutender Herrscher einige der künstlerisch bedeutendsten Handschriften der Welt. „Ihre Schönheit und Qualität belegen die meisterhaften Fähigkeiten der Mönche und spiegeln die hohe gesellschaftliche Position ihrer Stifter und Empfänger wider“, so der Tenor der Ausstellung.
Vorrangig für liturgische Zwecke gedacht, dienten diese opulenten Codizes auch als repräsentative Symbole der Macht zu einer Zeit, in der es noch keinen Buchdruck zur Vervielfältigung von Büchern gab. Die von Hand geschriebenen (Handschriften) Bücher werden als reine Texthandschriften, oder als Prachthandschriften mit kostbaren Materialien gefertigt und mit Bildern verziert. Bereits im 9. Jahrhundert stellte das Kloster Reichenau kunstvoll ausgestattete Prachtbände her und erreichte im 10. und frühen 11. Jahrhundert seine Blütezeit. Durch die Auftragsarbeiten von Königen und Kaisern entstanden Bücher mit Goldschmiedeeinbänden, die oftmals in Schatzkammern verwahrt und nur selten bei Gottesdiensten benutzt wurden. Von der Reichenau sind heute noch weltweit rund 70 Prachthandschriften erhalten, wovon zehn davon seit 2003 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehören.
Das Petershausener Sakramentar aus dem Jahr 938 ist eines der besten Beispiele für die malerisch herausragend gestaltete Doppelseite mit zwei Medaillons, die die personifizierte Kirche (Ecclesia) und Christus in seiner Herrlichkeit thronend (Majestas Domini) darstellen. Iglesias trägt ein kaiserliches Gewand mit Goldschmiedezier das an spät antike oder byzantinische Kaiserin Darstellungen erinnert, das Sakramentar, wurde vom selben Schreiber wie der berühmte Reichenauer „Gero Kodex“ geschrieben
Scriptorium
Eindrucksvoll dargestellt ist in der Ausstellung ein „Scriptorium“, also eine Schreibwerkstatt des Klosters, in dem die kostbaren Bücher entstanden sind. An jedem Buch arbeiteten mehrere Mönche. Es gab Spezialisten für das Schreiben das Vorzeichnung, das ausmalen und das Buch binden. Die Arbeit war für die Mönche geistig und körperlich anstrengend. So eine Informationstafel in der Ausstellung im Skript. Thorium haben Mönche, Bücher und Urkunden für den Bedarf des Klosters, aber auch für andere Empfänger geschaffen ab dem Jahr 800 förderte Kaiser Karl, der Große, die klösterliche Bildung. Das Abschreiben und Herstellen von Handschriften gehörte damit fort an zu dem wichtigsten Tätigkeiten von München. Im Frühmittelalter stellten die Reichenauer viele Schreibmaterialien selbst her, andere Rohstoffe wurden aber auch weit her aus Europa und Asien beschaffen. In der Regel beteiligten sich mehrere Personen an der Handschrift. Pergamentmacher verarbeiteten die rohen Tierhäute zu dünnen Blättern. Andere Brüder stellten Tinte und Farben aus Wurzeln, Erden und Mineralen her. Fertig angemischt konnten Schreiber und Maler damit ihre kunstvolle Arbeit beginnen.
Zubehör
Für den Schreibprozess benötigten die Mönche eine ganze Reihe von spezifischen Utensilien der Kartäuser Orten verfasste 12,59 eine Liste von solchen Materialien, die unter anderem Feder, Tinten, Hörner, Federmesser zum an spitzen der Schreibfedern sowie Rasurmesser zum korrigieren, fehlerhafter Zeiten und Stellen auflisten. Das Tinten Horn, also das Horn eines Tieres zeichnete sich durch seine trichterförmige Gestalt aus, um bequem in der Hand gehalten zu werden.
Verarbeitung
Fertig beschriebene ausgemalte haben die Mönche gefalzt und ineinander gelegt, so dass sie lagen, bildeten die lo und vernäht, um den wertvollen Inhalt der Handschrift zu schützen und das Wellen des Pergamentszu verhindert, wurde bereits im Mittelalter vorne und hinten auf dem Buch Block hölzerne Deckel angebracht. Die Buchdeckel wurden in der Regel mit Leder bezogen. Das Leder wurde mit Linien und Stempel verziert und auf dem Buchdeckel wurde anschließend meist Metallschließen angebracht, um das Buch in Form zu halten, bzw. die Längsseiten zusammenzuhalten und zu verhindern, dass sich die Deckel verzogen und sich der Seitenblock aufwölbte.
Buch aufschlagen
"Ein Buch aufschlagen" umschreibt die Methode, die so gebundenen und mit Metallschließen verschlossenen Bücher zu öffnen, indem man mit der Hand auf das Buch schlug; wobei die Metallschließe aufsprangen, die die Buchdeckel an der Längsseite zusammenhielten.
Körperlich anstrengend
Dass sie Arbeit der Mönche dabei anstrengend war beschreibt ein überliefertes Zitat aus der „Vita Harlinis et Reinilae“ aus dem Jahr um 850: „ Der, der nicht weiß schreiben glaubt nicht, dass dies eine Arbeit sei. O wie schwer ist das Schreiben: Es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet…“
In der Schreibstube
Zwei sehr detaillierte Miniaturen zeigen in der Ausstellung wertvolle Elfenbeintäfelchen, die vermutlich die beiden Evangelisten Johannes und Markus darstellen. Die Leihgaben aus dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt stammen aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zeigen nicht nur Möbel und Schreibutensilien.
Die beiden heiligen zeigen jeweils in der linken Hand das Messer zum Anspitzen der Feder, während sie mit der rechten Hand schreiben.
Mit der Großen Landesausstellung widmet sich Baden-Württemberg dem Welterbe des Mittelalters und präsentiert vom 20. April bis 20. Oktober 2024 in Konstanz das Jubiläum: „1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“.
Foto Zoller: Das Petershausener Sakramentar – aufgeschlagen
Leihgabe Heidelberg Universitätsbibliothek
Foto Zoller 2: Poussay-Evangelistar – aus dem Frauenkloster Poussay in den Vogesen
Das Poussay-Evangelistar stammt aus dem Kloster Reichenau und wurde dort von den Mönchen Für einen unbekannten, geistlichen in der Bischofsstadt Tool an der Mosel gegen Ende des zehnten Jahrhunderts angefertigt. Der mit Edelmetall und Edelsteinen, Perlen und Glas verzierte Prachteinband stammt aus dem elften Jahrhundert. (Leiggabe zur Ausstellung aus Paris, Bibliothèque nationale de France)
Info:
Große Landesausstellung 2024
Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau
20. April – 20. Oktober 2024
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg,
und Insel Reichenau
Di–So, Feiertage 10–18 Uhr
14 Euro, erm. 11 Euro, 6–17 Jahre 5 Euro