Deutschlandfunk muSerie: DIE EWIGE FLAMME - Gabriele D'Annunzio und sein unvergänglicher Einfluss auf Kultur und Politik, Teil 14/15

Davide Zecca

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Fragwürdig ist das Verhältnis von Gabriele D'Annunzio zum Faschismus. In der Forschung bleibt diese Frage stets umstritten. Im Zuge seines „Fiume-Abenteuer“ wird aber schließlich erstmals die gefährliche Faszination dessen, was später „Faschismus“ genannt wird, für die Menschen fassbar. Dabei wurden die Kleidungsstile mit den Fes-Mützen als Kopfbedeckung, den schwarzen Hemden, aber auch das medienwirksam inszenierte Ablichten in der oberkörperfreien imposanten Pose mit Dolchen zwischen den Zähnen von kampferprobten Kriegsnostalgikern als faschistische Posen gedeutet.

Auch die d'annunzianischen Slogans fanden unbehelligt ihre Rezeption im Faschismus und dienten als intellektuelles Fundament. Die Zusammensetzung aus Personenkult, Megalomanie und Manipulation der Massen durch Ästhetisierung von Politik sowie Rhetorik schaute sich Mussolini bei D’Annunzio genau ab. Man denkt dabei nur an die dramatische Geste mit in die Hüften gestemmten Händen bei Ansprachen vom Balkon.

Der Publizist und Historiker Gaetano Salvemini sprach vom „Fiume-Unternehmen“, dabei zutreffend von der „Gelatine, in der die Mikroben des Faschismus gezüchtet wurden.“ und in der Geschichtswissenschaft hat sich durch das „Fiume-Unternehmen“ das Bild des „Johannes der Täufers des Faschismus“ herauskristallisiert und nicht das des Begründers bzw. des Verkünders. D'Annunzio selbst sagte einmal: „Das Beste des Faschismus stammt von mir“, „aber die Doktrin ist mir völlig fremd.“ Das persönliche Verhältnis zwischen dem „Vate“ und dem „Duce“ war äußerst komplex. In Hinsicht auf das Fiume-Unternehmen D'Annunzios gab es im Zuge des verhängten Embargos von Mussolini zuerst Hilfe, was sich jedoch im Zuge der Verhandlungen des Vertrages von Rapallo änderte. Mussolini riet der römischen Regierung, dem Fiume-Unternehmen ein Ende zu setzen, wofür D'Annunzio ihn als einen „Verräter“ bezeichnete. Der „Vate“ sah Mussolini mitnichten als ebenbürtig an, was er ihn so auch spüren ließ, sodass er ihm in seinen Räumlichkeiten des „Vittoriale“, sprich in der „Stanza del Mascheraio“, folgende Verse gewidmet hat: „Dem Besucher. Trage den Spiegel des Narzissus? Dieses ist aus plombiertem Glas, o Maskenmacher. Richte deine Masken an deinem Gesicht. Aber bedenke, dass du Glas gegen Stahl bist." Mussolini hingegen sah in dem poetischen Kriegshelden einen „alten Barden“ – aber auch wegen seiner immensen Beliebtheit in der italienischen Bevölkerung eine große Gefahr, was für Mussolinis Kalkül folgendes hieß: „D'Annunzio ist wie ein fauler Zahn: Entweder wird er entfernt oder er wird mit Gold bedeckt“.

Drei Monate vor Mussolinis „Marsch auf Rom“ im Jahre 1922 stürzte D'Annunzio auf eine rätselhafte Weise lebensgefährlich aus dem Fenster seiner Villa. Dieses Ereignis, welches in die Geschichte als „Der Flug des Erzengels“ einging, ließ verschiedene Hypothesen aufkommen, so wie etwa, dass die damalige Lebensgefährtin Luisa Baccara angeblich eine faschistische Spionin sei – und durch diese Sabotage dabei Mussolini zum ungestörteren „Marsch auf Rom“ verhelfen sollte –, da D'Annunzio ebenfalls diese Idee verfolgte. Mussolini musste die exorbitante Beliebtheit von D'Annunzio in der italienischen Bevölkerung annehmen und in diesem Sinne überhäufte Mussolini den „Vate“ mit Zugeständnissen, um den poetischen Kriegshelden zu beruhigen. Die Zugeständnisse begannen dabei mit dem Ausbau der Prunkvilla „Il Vittoriale“, die dem deutschen Kunsthistoriker für italienischen Renaissance Henry Thode bis zur Beschlagnahmung als „Feindgut“ im Jahre 1921 durch die italienische Regierung gehört hatte.

1924 erzwang Mussolini beim König Italiens Vittorio Emanuele III. die Adelung von D’Annunzio zum „Principe di Montenevoso“, 1937 wurde er zum Präsidenten der Italienischen Akademie gewählt und 1920 bis 1938 auch zum Ehrenpräsident der SIAE (Società Italiana degli Autori ed Editori). Aufgrund des immens Argwohns von Seiten Mussolinis wurde neben der Taktik der Beruhigung durch Zugeständnisse ebenfalls eine Observation durch die Geheimpolizei OVRA (Organizzazione di Vigilanza e Repressione dell’Antifascismo) angeordnet, da D'Annunzio Kontakte zu Regimegegnern hielt, wie u.a. etwa zu Aldo Finzi, Lauro De Bosis und Giovanni Bassanesi. Als sich in den Jahren 1937 und 1938 das faschistische Regime an das Dritte Reich annäherte, widersetzte sich der Fin de Siècle-Schriftsteller D'Annunzio diesem Vorhaben – mit der Konsequenz, dass seine Person einer noch strengeren Observation unterlag. Dabei hatte er auch persönliche Vorbehalte gegenüber Hitler. Ein „Bauernlümmel“ sei er, „lächerlich aufgeputzt mit diesem Haarbüschel unter der Nazinase“.

Die Anhängerschaft von D'Annunzio und den Faschisten unterschied sich nicht nur in Bezug auf die Persönlichkeiten, sondern auch in Bezug auf ihre soziale Zusammensetzung. Gemäß dem Begründer der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano) Antonio Gramsci Beobachtungen bestand D'Annunzios Anhängerschaft hauptsächlich aus „Vertriebenen, die unter den Auswirkungen der allgemeinen Wirtschaftskrise litten und keine klare Klassenposition hatten“. Sie erhofften sich, ihre Lebensprobleme durch die Befolgung von D'Annunzios Plänen für militärische Aufstände zu lösen. Im Gegensatz dazu rekrutierten sich die Faschisten hauptsächlich aus wohlhabenden „jungen Leuten, ehemaligen Offizieren im Ruhestand und Berufstätigen bürgerlicher Herkunft“. Diese Unterschiede in der sozialen Zusammensetzung und Motivation führten dabei zu unterschiedlichen Dynamiken und Zielen innerhalb der beiden Bewegungen.

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