14 Herbert Dobretzberger Wien im WinterVom Verschwinden einer Jahreszeit

Mortimer Marstrand

Wien (Weltexpresso) - Wir erleben es alle. Der Winter in Wien ist nicht so, wie er einmal war. Kindheitserinnerungen von täglichen Schneeballschlachten oder dem Rodeln im Prater sind weit weg von der heutigen Realität. Eine einst kalte, eisige, weiße und dunkle Jahreszeit ist schneelosen Monaten gewichen, mit fast durchwegs gemäßigten Temperaturen. „Winter in Wien“ erzählt vom städtischen Leben in dieser Zeitenwende. Ausstellung im Wien Museum  Karlsplatz 8, 1040 Wien vom 14. November 2024 bis 16. März 2025.



17 Wiener Schneekugel1Die Meteorologie verdeutlicht die Situation in nackten Zahlen. Vom Beginn systematischer Messungen im Jahr 1873 bis 1990 lag die durchschnittliche Temperatur im Jänner bei knapp -1°C. Seitdem sind es etwas über 1°C – die neuralgischen 2°C Erwärmung vor der die Klimawissenschaft immer warnt. Andere Statistiken sind noch deutlicher: bis 1990 gab es nur ein Jahr in dem die höchste im Jänner gemessene Temperatur über 15°C lag. Von 1991 bis 2024 waren es 10.


Kalte Stadt - Dunkle Jahreszeit - Eisiges Vergnügen - Weiße Pracht:

In vier Kapiteln untersucht die Schau das winterliche Wien über die Jahrhunderte. Sie erzählt von Freud und Leid der Jahreszeit, von saisonalen Attraktionen bis zu den gravierenden Unterschieden zwischen Arm und Reich im Er- und Überleben der Kälte. Dabei richtet sie den Blick immer wieder auf die Gegenwart und die Perspektive immer milderer Winter für Wien.

Die „Kalte Stadt“ thematisiert Strategien gegen die Kälte von Wärmestuben bis zur Fernwärme, widmet sich dem Zusammenhang von warmer Kleidung, Brennmaterial und Reichtum, berichtet von Obdachlosigkeit und von gefrorenem Wasser als einstiges, bedrohliches Hindernis hinsichtlich Versorgung und Mobilität. Die „Dunkle Jahreszeit“ fokussiert die zunehmend heller werdende Stadt, widmet sich Lichtinszenierungen ebenso wie der Lichtverschmutzung und thematisiert Gemütsaufhellungen durch Licht in Zeiten des Hochnebels oder die Zeitumstellung für ein Mehr an hellen Stunden. Nicht nur die erste Indoor-Skihalle 1927 versprach einst „Eisiges Vergnügen“: In und um die Stadt trafen sich Wienerinnen und Wiener zu einer Vielzahl an winterlichen
Lustbarkeiten wie Skifahren und Skispringen, Schlittschuhlaufen oder Rodeln. Bälle, Veranstaltungen die „Wiener Eisrevue“ und der Festkalender in dieser Jahreszeit sind Aspekte dieses Ausstellungsteils. Eis und Schnee werden immer seltener 
„Weiße Pracht“ widmet sich der Lust und Last von Schnee, der Inszenierung und Bewerbung Wiens „im Winter“.
Die Gegenwart kontinuierlicher Erwärmung ist dabei immer präsent. Konterkariert mit der verschneiten Stadt als nostalgischem Werbesujet entsteht ein assoziativer Raum für Auseinandersetzung und Gedankenspiel: Was bedeutet der Klimawandel für das Leben in Wien, Europa und der Welt?


Foto: Impressionen © Wien Museum

Info:
Eintritt € 12,00 / ermäßigt € 10,00. Freier Eintritt für alle unter 19 Jahren und jeden ersten Sonntag im Monat
www.wienmuseum.at