241213 Heine Preis 2024Heine-Preis 2024 in Düsseldorf 

Valentina  Ilgenstein

Düsseldorf (Weltexpresso) - In diesem Jahr geht der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf an den israelischen Schriftsteller, Journalisten und Friedensaktivisten David Grossman. Die Verleihung des Preises, der zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland zählt, wird von Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller am Samstag, 14. Dezember 2024, vorgenommen. Der Festakt mit geladenen Gästen fand im Düsseldorfer Schauspielhaus statt. Die Laudatio wurde von der Publizistin Carolin Emcke gehalten.

Einen Tag vor der Verleihung, am 13. Dezember, besuchte der Preisträger David Grossman in Begleitung von Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller und Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration, im Rahmen eines Pressegesprächs das Heinrich-Heine-Institut, wo sie von der Institutsleiterin Dr. Sabine Brenner-Wilczek empfangen wurden. Ein passendes Datum: Denn der 13. Dezember ist der Geburtstag von Heinrich Heine. Das Heinrich-Heine-Institut zählt mit seinen umfangreichen Archiv- und Bibliotheksbeständen zu einem der Zentren der internationalen Heine-Forschung. Unter dem Titel "Romantik und Revolution" präsentiert das Haus die weltweit einzige Dauerausstellung zum Leben und Werk des 1797 in Düsseldorf geborenen Dichters Heinrich Heine. Rund 250 Exponate sind in der Schau zu sehen: von der Handschrift der "Loreley" und einer Haarlocke des Dichters über das berühmte Porträt von Gottlieb Gassen bis zur Totenmaske. Ergänzt wird die Dauerausstellung durch wechselnde Sonderausstellungen mit literarischen, musikalischen und kulturhistorischen Themen.

Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller: "Mit dem Heine-Preis ehrt die Landeshauptstadt Düsseldorf Persönlichkeiten, die ganz im Sinne Heinrich Heines sozialen und politischen Fortschritt fördern und zur Völkerverständigung beitragen. Der israelische Autor und Friedensaktivist David Grossman setzt sich seit Jahrzehnten unermüdlich mit seiner Prosa, seinen Reden und seinen Essays für den Dialog, für die Toleranz und so für die Aussöhnung und den Frieden zwischen den Völkern ein. Ich danke der Jury des Heine-Preises für ihre Entscheidung und ihr Engagement. Und freue mich den Heine-Preis 2024 an David Grossman verleihen zu dürfen."

Im Sinne Heines, trete Grossman für die Zusammengehörigkeit aller Menschen ein und setze auf die verbindene Kraft der Literatur, so die Heine-Jury unter anderem in ihrer Begründung. Der Preisträger David Grossman: "Es gibt keine größere Freude, als Stereotypen aufzulösen."

Im Anschluss an das Pressegespräch trug sich David Grossman im Jan-Wellem-Saal des Düsseldorfer Rathauses in das Goldene Buch der Landeshauptstadt ein.

Der Heine-Preis 2024
Der Heine-Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird durch die vom Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf eingesetzte Jury "an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten".

Die Jury begründet ihr Votum 2024 wie folgt: "Den Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2024 erhält David Grossman, eine der bedeutendsten Stimmen der Gegenwartsliteratur. Seine Prosa ist durchdrungen vom tiefen Verständnis und empathischer Nähe zu den Menschen mit ihren unauflöslich erscheinenden Konflikten. Ganz im Sinne Heinrich Heines tritt er klarsichtig für die Zusammengehörigkeit aller Menschen ein und setzt auf die verbindende Kraft der Literatur. In seinen intellektuell bestechenden, differenzierten Reden und Essays wirbt er unaufhörlich für Frieden und Aussöhnung im Nahen Osten. Er wird nicht müde, der Menschlichkeit eine Stimme zu geben."


Preisträger David Grossman - Vita
David Grossman wurde am 25. Januar 1954 in Jerusalem geboren. Schon mit zehn Jahren wurde Grossman als Hörspielsprecher engagiert. 1971-1975 diente er in der israelischen Armee. In diese Zeit fielen der Jom-Kippur-Krieg (Oktober 1973), der vierte arabisch-israelische Krieg im Rahmen des Nahostkonflikts seit der Staatsgründung Israels (1948). Grossman studierte danach Philosophie und Theaterwissenschaft an der Hebräischen Universität Jerusalem und schloss sein Studium 1979 mit dem Bachelor ab.

Ab 1970 war er als Nachrichtenredakteur, Hörspielautor und -sprecher beim staatlichen Radiosender "Kol Israel" beschäftigt, wo er bis 1984 unter anderem die populäre Kindersendung "Cat in a Sack" präsentierte. Dem Schreiben widmete sich Grossman zunächst nebenberuflich, ehe er sich als Schriftsteller selbstständig machte und mit Romanen, Erzählungen und Essays international bekannt wurde. Er trat auch als Friedensaktivist in Erscheinung und äußerte sich viele Male kritisch zum Nahostkonflikt und Israels Regierungen. Mit Autorenkollegen wie Amos Oz, Yoram Kaniuk und Joshua Sobol wurde er zu einer prominenten Gruppe "kritischer Israelis" gezählt, die sich in der Heimat zeitweise heftigen Attacken ausgesetzt sah.

Krieg und Gewalt, die den Alltag in Israel bestimmen, sind das Thema vieler seiner Bücher. Im besetzten Westjordanland spielt sein hoch gerühmter Erstlingsroman "Das Lächeln des Lammes" aus dem Jahr 1983 (deutsch 1988, verfilmt 1985). Die Diskussion, wie und ob die Shoah (Grossman hält diese Bezeichnung für angemessener als "Holocaust") literarisch zu verarbeiten sei, belebte der Autor mit seinem zweiten, nicht nur in Israel umstrittenen Roman "Stichwort: Liebe" (1986, deutsch 1991), der ihn international bekannt machte. Sein Reportageband "Der geteilte Israeli: Über den Zwang, den Nachbarn nicht zu verstehen" (deutsch 1992) war den Arabern beziehungsweise Palästinensern mit israelischer Staatsangehörigkeit gewidmet, einer Bevölkerungsgruppe, die von beiden Seiten mit Misstrauen behandelt wurde.

Grossman zählt zu den Vertretern einer Zwei-Staaten-Lösung und unterstützte während der zweiten Intifada (2000-2005) die private israelisch-palästinensische "Genfer Friedensinitiative" von 2003, deren Text in Israel mit einem Vorwort von Grossman verteilt wurde. Trotz oder gerade wegen seines Lebens im permanenten Kriegszustand schrieb er weiterhin Romane über individuelle Schicksale, die sich zu komplexen Gesellschaftsromanen verdichten.

Grossman, der trotz aller Kritik an seinem Staat als Patriot gilt, versteht sich zwar als Freund des Friedens, aber nicht als radikaler Pazifist. Er forderte jedoch in der Zeitung "Haaretz" und in einer vielbeachteten Pressekonferenz gemeinsam mit den Autoren Abraham B. Jehoschua und Amos Oz einen sofortigen Waffenstillstand, da das Vorgehen mittlerweile "nicht mehr zu rechtfertigen" sei. Damals arbeitete er an seinem Roman "Eine Frau flieht vor einer Nachricht", worin die Protagonistin, deren Sohn Soldat ist, sich einer befürchteten Todesnachricht zu entziehen versucht. Die Schilderung, wie die äußere Gewalt in das verletzliche Gewebe einer Familie eingreift und es zerreißt, wurde für Grossman selbst tragische Realität: Zwei Tage nach seinem öffentlichen Appell, kurz vor Eintritt der Waffenruhe, fiel sein Sohn Uri als Soldat im Libanon. Das oft als sein "Hauptwerk" bezeichnete Buch erschien 2008 (deutsch 2009) und avancierte umgehend zum Bestseller.

Sein bisher persönlichstes Werk legte er 2011 mit "Aus der Zeit fallen" (deutsch 2012) vor - eine Totenklage, aber auch ein Buch über die Rückkehr ins Leben und das Leben mit den Toten. Eine Bühnenfassung wurde 2013 in Berlin uraufgeführt. Für seinen Roman "Kommt ein Pferd in die Bar" (2014, deutsch 2016) gewann er 2017 als erster Israeli den Man Booker International Prize. 2018 wurde das Buch auf deutsch als Bühnenstück adaptiert, zunächst bei den Salzburger Festspielen, dann vom Wiener Akademietheater. Auch politisch meldete er sich weiterhin engagiert zu Wort; so verfasste er 2013 eine von 24 israelischen Autorinnen und Autoren mit unterzeichnete Petition gegen die geplante Vertreibung von rund tausend Palästinensern aus ressourcenreichen Gebieten im israelisch kontrollierten Teil des Westjordanlandes. Erschüttert zeigte er sich wie das ganze Land im Oktober 2023 von dem Terrorüberfall und den Massakern der radikalislamischen Hamas auf und in Kibbuzim und Ortschaften im Südwesten Israels.

Grossman erfuhr zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. In Israel wurde ihm 2007 der Emet Prize ("Wahrheitspreis") zugesprochen und 2018 der Israel-Preis, die höchste staatliche Kulturauszeichnung des Landes. 2010 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für ein Werk, das "nicht nur die eigene, sondern immer auch die Haltung des jeweils Andersdenkenden zu verstehen" suche, wie die Jury mitteilte. Er ist Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland (2021) und bekam 2022 den hochdotierten Erasmus-Preis der Niederlande.

Unter anderem sind folgende Werke David Grossmans erschienen: "Das Lächeln des Lammes" (1983; deutsch 1988), "Diesen Krieg kann keiner gewinnen: Chronik eines angekündigten Friedens" (2003), "Eine Frau flieht vor einer Nachricht" (2008; deutsch 2009), "Kommt ein Pferd in die Bar" (2014; deutsch 2016), "Was Nina wusste" (deutsch 2020), "Opa, warum hast du Falten?" (2021; deutsch 2023), "Frieden ist die einzige Option" (2024).



Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger sowie Jury
Der Preis, den Düsseldorf als Vaterstadt zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wird zum 23. Mal vergeben. Bisherige Heine-Preisträgerinnen und Preisträger sind: Carl Zuckmayer (1972), Pierre Bertaux (1975), Sebastian Haffner (1978), Walter Jens (1981), Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker (1983), Günter Kunert (1985), Marion Gräfin Dönhoff (1988), Max Frisch (1989), Richard von Weizsäcker (1991), Wolf Biermann (1993), Wladyslaw Bartoszewski (1996), Hans Magnus Enzensberger (1998), W.G. Sebald (2000), Elfriede Jelinek (2002), Robert Gernhardt (2004), Amos Oz (2008), Simone Veil (2010), Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016), Leoluca Orlando (2018), Rachel Salamander (2020) und Juri Andruchowytsch (2022).

Foto:
Erster Auftritt im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut vor der Ehrung (v.l.): Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Preisträger David Grossman, Institutsleiterin Dr. Sabine Brenner-Wilczek und Kulturdezernentin Miriam Koch,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin

  


 


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Pressegespräch im Heinrich-Heine-Institut (v.l.): Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Preisträger David Grossman, Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration, und die Leiterin des Heinrich-Heine-Instituts, Dr. Sabine Brenner-Wilczek,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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David Grossman, Heine-Preisträger 2024, im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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David Grossman, Heine-Preisträger 2024, im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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Heine-Preisträger David Grossman beim Eintrag in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Düsseldorf, flankiert von seiner Frau Michal Grossman und Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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Der Eintrag des Heine-Preisträgers David Grossman in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Düsseldorf,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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Im Jan-Wellem-Saal des Düsseldorfer Rathauses: Heine-Preisträger David Grossman und Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller nach dem Eintrag in das Goldene Buch der Landeshauptstadt,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin


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Im Düsseldorfer Rathaus: Kulturdezernentin Miriam Koch, Ehefrau Michal Grossman und Heine-Preisträger David Grossman, Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller und Sabine Brenner-Wilczek, Leiterin des Heinrich-Heine-Instituts,(c)Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin



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