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Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nach dem Stellenabbau infolge der Weltwirtschaftskrise profitierten die Adlerwerke – so wie viele Industriebetriebe – während des Zweiten Weltkrieges von staatlichen Rüstungsaufträgen. Die Firma hatte bereits im Ersten Weltkrieg Rüstungsaufträge angenommen. Eine Erweiterung des Fabrikgeländes wurde 1938 durch die Vertreibung jüdischer Unternehmer möglich, die Grundstücke zwischen den beiden Produktionsstandorten der Adlerwerke im Gallus Viertel der Stadt Frankfurt besessen hatten.
In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges wurde die Rüstungsproduktion zunehmend mit Zwangsarbeiter:innen und insbesondere mit KZ-Häftlingen betrieben. Der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945 e.V. spricht von 1.616 Menschen aus elf Nationen, die unter äußerst schlechten Bedingungen in den Adlerwerken gefangen gehalten und zur Arbeit in der Fabrik und im Stadtteil gezwungen wurden. Zwischen 1944 und März 1945 wurde auf dem Gelände das KZ-Katzbach, ein Außenlager des Konzentrationslagers NatzweilerStruthof, eingerichtet. Häftlinge aus den Konzentrationslagern in Buchenwald und Dachau wurden zur Zwangsarbeit in den Adlerwerken rekrutiert. Die meisten der dort internierten Menschen überlebten das Kriegsende nicht. Sie starben in Folge der unmenschlichen Behandlung in Frankfurt, oder nach der Verlegung in andere Konzentrationslager sowie auf dem Todesmarsch zum KZ-Buchenwald.
Nachdem die Besatzungsmächte das Werk 1948 zurückgegeben hatten, wurde die Produktion von Fahrrädern, Motorrädern sowie Büro - und Werkzeugmaschinen wiederaufgenommen. Durch den Zusammenschluss der Adler AG mit der Firma Triumph entstand die Triumph-Adler AG. Mit der Übernahme durch die Firma Grundig im Jahr 1957 endete auch der Fahrzeugbau.
Seit 2015 widmet sich der Förderverein für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach/Adlerwerke der geschichtlichen Aufarbeitung und der Aufrechterhaltung einer Erinnerungsstätte. Der Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager dient heute als lebendige Gedenk- und Bildungsstätte. Betrieben wird er vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945 e.V. und unterstützt vom Förderverein für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach in den Adlerwerken sowie von der Stadt Frankfurt am Main.
Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität
Fahrräder gehörten bis in die 1890er Jahre zu den Privilegien besitzender Schichten. Um die Jahrhundertwende hätte ein einfacher Industriearbeiter für den Erwerb eines Fahrrads noch ungefähr ein Achtel seines Jahreslohns aufbringen müssen. Erst mit der deutlichen Preissenkung für Fahrräder ab 1900 wurde dieses Fortbewegungsmittel auch für die Arbeiterschaft interessant.
Um die eigenen Interessen besser vertreten zu können, organisierten sich Arbeiter:innen in entsprechenden Radsportbünden. 1896 kamen die Delegierten von Bünden aus zwölf deutschen Städten nach Offenbach am Main, um den Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität ins Leben zu rufen. Die Vereinigung konnte die Zahl der Mitglieder von knapp 500 im Gründungsjahr auf ca. 148.500 im Jahr 1913 steigern. Der Fokus lag zunächst auf dem Touren- und Wanderfahren als Maßnahme zur körperlichen Erholung. Später kamen Kunstradfahren und andere Saalradsportarten hinzu.
Ab Mitte der 1920er Jahre wurden im Verband zunehmend Motorradfahrer-Abteilungen gegründet, weshalb er sich 1928 in Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität (ARKBS) umbenannte. Obwohl der ARKBS durch Krieg (1914-1918), Inflation (1923) und Weltwirtschaftskrise (1929) immer wieder Federn lassen musste, konnte er sich mit 330.000 Mitgliedern bis 1930 zur größten Radfahrerorganisation in der Weimarer Republik entwickeln.
Unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde der ARKBS verboten, das Eigentum, bestehend aus Sportanlagen, Wohnungen und dem Fahrradwerk, beschlagnahmt und nationalsozialistischen sowie gleichgeschalteten bürgerlichen Radfahrervereinen übereignet.
1949 erwachte der Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität wieder zu neuem Leben, sowie ein Jahr zuvor der Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Der Radsport war somit der einzige Sport, für den es in Deutschland nach dem Krieg gleich zwei Spitzenorganisationen gab. Mit einem Unterschied: Der BDR wurde in den 1950 gegründeten Deutschen Sportbund (DSB) aufgenommen, der Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität jedoch nicht. Damit waren seine Mitglieder von allen offiziellen Wettbewerben auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen, was zu einer Welle von Austritten führte. 1964 strich der Verband das Wort „Arbeiter“ aus seinem Namen und nannte sich fortan nur noch Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität (RKBS). Nach mehrjährigem Rechtsstreit trat 1977 ein Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe in Kraft, das den DSB dazu zwang, den RKBS als Mitglied aufzunehmen und mit dem BDR gleichzustellen. Heute nimmt der RKBS im deutschen Radsport nur noch eine marginale Rolle ein. Er ist mit seinen 38.000 Mitgliedern vor allem im Saal- und Rollsport aktiv und engagiert sich in der Jugendarbeit.
Fortsetzung folgt
Foto:
Liegerad J-Rad, 1919 Entwurf: Paul Jaray (1889–1974) Hersteller: Hesperus-Werke GmbH, Stuttgart, Deutschland, 1921/22 Rahmen: Stahl, geschweißt Schaltung: Dreigang-Trethebelantrieb mit Drahtzügen Laufräder: vorne 20 Zoll, hinten 26 Zoll Gewicht: 21,9 kg © Deutsches Fahrradmuseum, Bad Brückenau
Info:
Ort
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
Information
T +49 69 212 31286
F +49 69 212 30703
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www.museumangewandtekunst.de
Öffnungszeiten
Mo geschlossen, Di, Do–So 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr
Eintritt
12 Euro, ermäßigt 6 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Studierende der Goethe-Universität Frankfurt, der Städelschule
und der HfG Offenbach frei