Bildschirmfoto 2025 10 26 um 03.06.32Die große Mitspiel-Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt bis 8. Februar 2026, von ihm selbst erklärt

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) zeigt eine außergewöhnliche und umfangreiche Sammlung von Architekturbaukästen aus 100 Jahren – von 1890 bis 1990. Durch Nachbildungen im vergrößerten Maßstab können viele von ihnen auch tatsächlich ausgetestet werden: Die große Mitspiel-Ausstellung!

Bildschirmfoto 2025 10 26 um 03.05.13Lego kennt jedes Kind. Doch bevor das dänische Unternehmen den internationalen Markt erobern konnte, gab es Hunderte von Firmen, die ab etwa 1880 eine Vielfalt an Bauspielkästen herstellten. Das DAM hat die einmalige Chance, mit der Privatsammlung von Architekturbaukästen des Grafikers Claus Krieger eine Ausstellung zu realisieren, bei der die „gläserne Barriere“ durchbrochen wird, die üblicherweise im Museum die Objekte (aus konservatorischen Gründen) vom Publikum trennt. An etwa acht Stationen im Zentrum der Ausstellung kann gespielt, gebaut und Neues entwickelt werden.

Prof. Andreas Kretzer von der Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart und seine Studierenden haben die wertvollen Originalbausteine der Kästen „Ingenius“, „Bâtiss“ und „Skyline“ in vergrößertem Maßstab nachgebildet, um sie „spielbar“ zu machen. Außerdem warten Steine der Systeme „Minibrix“, „Tetek“ und „Dusyma“ sowie der „Kleine Großblockbaumeister“ aus DDR-Produktion auf alle, die Freude am Bauen haben. Auch das Eintauchen in eine virtuelle Modellwelt mittels VR-Brille kann stattfinden, programmiert durch Studierende von Prof. Philipp Reinfeld, ebenfalls HFT. Präsentiert werden insgesamt etwa 80 Baukästen, die zugleich in einem umfangreichen Katalog vorgestellt werden. Und natürlich werden viele Duzend Modelle im aufgebauten Zustand zu sehen sein.
 


BAUSTILE (1)

Gibt es heute, 2025/2026, irgendein Spielzeug, das die Architektur unserer Gegenwart abbildet? Eher nein (von Computerspielen einmal abgesehen). Erstaunlich! Das war früher anders. Denn die meisten der hier präsentierten Baukästen zeigen die damals neueste Architektur. Das beginnt bei den Ankersteinen, die auf die reich geschmückten Bauten der Gründerzeit (nach 1871) reagierten. Auch seinerzeit Umkämpftes wie die Moderne Architektur der 1920er Jahre wurde schnell für das Kinderzimmer entdeckt. Der Ingenius-Kasten (1924) nimmt den »Moloch Großstadt« des berühmten Stummfilms Metropolis (1927) vorweg!


BAUSTILE (2)

Ist die Architektur womöglich sogar ein Stück weit egal, weil bei den meisten Baukästen das (geduldige) Spielen das Wesentliche ist, nicht die Resultate? Kein einziger der hier gezeigten Baukästen zielte je darauf ab, dass das fertige Modell ins Regal wandert und dort allmählich verstaubt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den heutigen Lego-Modellen, die oft als Trophäen enden. Unsere Trophäe ist die Kathedrale aus 4000 Architecto-Steinen. Allerdings aus Dämmfilz, nicht aus Holz, geschnitten mit einer computergesteuerten Klinge. Danke an Impact Acoustic für die Unterstützung.


KINDER

Die Kinder auf den Verpackungsabbildungen wirken oft hochkonzentriert und nicht sehr glücklich. Das Spiel ist anstrengend! Die Bauanleitungen sind meist hochkomplex. Sind das überhaupt Spielzeuge oder richten sich die Kästen eher an Erwachsene? Verpackungen und Anleitungen jedoch sind eindeutig an Kinder adressiert. Sie werden als kleine Erwachsene angesprochen, sollen als »kleine Baumeister« oder »kleine Architekten« angespornt werden. Die Mädchen sind bis auf wenige Ausnahmen nur Zuschauerinnen. Auch im DAM haben wir diskutiert: Ob diese Ausstellung wohl eher ein männliches Publikum anspricht?


BAUANLEITUNGEN

Um unser Publikum zu schonen, haben alle Kästen an den Spieltischen einheitlich gezeichnete Bauanleitungen im bewährten IKEA-Stil erhalten. Die historischen Bauanleitungen hingegen sind eine echte Herausforderung. Viele Kästen eignen sich überhaupt nicht zum freien Spiel. Ohne Bauanleitungen keine Erfolgserlebnisse. Das verwundert, denn die Ur-Bauklötzchen des Reformpädagogen und Kindergarten-Gründers Friedrich Fröbel (1782–1852) waren auf Experiment und tastendes Erfahren hin ausgelegt. Was ihnen folgte, nachdem das Klötzchenspiel einmal etabliert war, das zeigt diese Ausstellung.


AUSWAHL BESONDERER BAUKÄSTEN

Architecto-Baukasten, Keller & Sohn, Schweiz, ab 1944
Das Stecksystem des Architecto-Baukastens wurde von Studierenden der HFT Stuttgart in den Maßstab 3:1 übertragen. Für den Bau der 3,2 Meter hohen Kathedrale wurden mehr als 4000 Bauteile aus Dämmfilz verwendet. Der Erwerb der Dämmplatten wurde unterstützt durch deren Hersteller, die Firma Impact Acoustic.

American Skyline-Baukasten, Elgo Plastics Inc., USA, 1950er – 1960er Jahre
Die Skyline-Baukästen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ermöglichen den Bau von US-amerikanischen Wolkenkratzern der 1920er–1940er Jahre. Im Unterschied zu den bei Baukästen sonst üblichen Massivbauten setzt „Skyline“ auf ein moderneres Skelettsystem. Das ergibt einen schnelleren Baufortschritt bei weniger Teilen.

„Wir bauen auf!“, Mentor-Baukasten für Großbauten, Hugo Fritzsche KG, DE (Thüringen), 1950er Jahre
Die architektonischen Vorbilder dieses Kastens waren schnell veraltet. Die Phase des „Sozialistischen Klassizismus“ hatte in der DDR nur für gut fünf Jahre Bestand. Nach dem Tod Josefs Stalins folgte 1954 ein Kurswechsel in der Baupolitik der Sowjetunion und damit auch der DDR, weg vom Konservatismus, hin zur industriellen Vorfertigung der Plattenbauten.

Plaspi – Der kleine Großblock-Baumeister, VEB Gothaer Kunststoffverarbeitung, DE (Thüringen) ca.1980
Mit den Kunststoffbausteinen der Großblock-Baukästen aus der ehemaligen DDR können verschiedene Plattenbauten errichtet werden. Der Baukasten verspricht durch die Abbildungen unterschiedlichster Häuser eine große Vielfalt an Plattenbauten, variantenreicher, als dies in der Realität der Fall war.

Bâtiss-Baukasten No. 3, Firma Bâtiss, Frankreich, 1930er – 1940er Jahre
Aufgrund des eher ungewöhnlichen Verbindungssystems der Holzbausteine mittels Metallstäben ist ein intuitives Bauerlebnis mit dem Baukasten ,,Bâtiss“ nur eingeschränkt möglich. Später erschien daher die Variante „Baticlub“ für jüngere Kinder, die gänzlich ohne Metallverbindungen auskommt.

Anker-Steinbaukästen, F. Ad. Richter & Cie. KG, (DE) Thüringen, ab 1884
Basierend auf den Bausteinen des Kindergarten-Erfinders Friedrich Fröbel entwickelten die Brüder Otto und Gustav Lilienthal um 1879 ein Spielset. Die nach ihrem späteren Hersteller Anker benannten Steine bestanden aus Sand, Schlämmkreide und Leinöl. Das hier aufgebaute Modell besteht aus neuen Steinen, denn sie werden bis heute produziert. Otto Lilienthal wurde ab 1891 zum Flugzeugpionier.

The New City – Ingenius-Baukasten, Ingenius Technische- und Handels-GmbH, Österreich, 1924 bis vermutlich 1929
Der Ingenius-Baukasten wurde von dem Architekten Wilhelm Kreis in Zusammenarbeit mit Carl August Jüngst entwickelt. Laut Hersteller eigne sich das System nicht nur für Kinder, sondern auch für die Gestaltung von Filmkulissen und damit als Alternative zur Herstellung großer Filmbauten. Wilhelm Kreis’ monumentale Architekturentwürfe erwiesen sich als anschlussfähig für seine spätere Karriere im Nationalsozialismus.

Projektor-Baukasten, Max Schäffer, Österreich, ab 1930
Der Projektor-Baukasten ist eine nahezu vollständige Imitation des Ingenius-Kastens. Jedoch mit einer entscheidenden Abweichung: Statt einer einzigen Nut-Feder-Reihe wie beim Original verfügt dieses Modell über zwei solcher Verbindungsreihen. Vermutlich diente diese Änderung dazu, das Patent von Ingenius zu umgehen.


WETTBEWERB

Schon vor Beginn der Ausstellung ist ein Wettbewerb gestartet: Wie klein kann Architektur sein?
Sowohl Nachbildungen von Gebäuden und Städten, als auch komplett eigene Fantasie-Konstruktionen sind willkommen.
Es wurden bereits 30 Modelle eingereicht.
Außer Konkurrenz ist ein Gesamtmodell der Frankfurter Innenstadt zu sehen, das der Frankfurter Schriftsteller Florian Wacker („Zebras im Schnee“) gebaut hat.

Teilnahmebedingungen
> Keine Mindestgröße. Wer mit möglichst wenigen Steinen ein Gebäude darstellt: Bravo!
> Maximale Grundfläche: 16 x 16 Noppen (12,8 x 12,8 cm)
> Maximale Höhe: 30 cm
> Es kann sowohl mit LEGO®-Steinen, als auch mit Klemmbausteinen anderer Hersteller gebaut werden
> Kleben der Steine ist nicht erlaubt, nur stecken!
> Einsendung zunächst als Foto an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (ab sofort), nach der Vorauswahl durch das DAM-Team dann das Modell per Post einschicken (zwischen 24.10.2025 und 31.12.2025 — je eher, desto länger wird es zu sehen sein)
> Die ausgewählten Werke werden bis zum 8.2.2026 im Museum ausgestellt. Jede Arbeit wird zugleich auf den Social-Media-Kanälen des DAM präsentiert
> Der Rückversand erfolgt durch das Museum ab 9.2.2026 (es kann keine Garantie für eventuelle Transportschäden übernommen werden)
> Über die besten drei Werke findet eine Abstimmung unter allen Teilnehmenden statt – zu gewinnen sind T-Shirts mit den drei höchstplatzierten Modellen

Foto: 
©Grafik: Ammon Studio

Info:
KATALOG

111 Architekturbaukästen
Sammlung Claus Krieger
Erschienen beim JOVIS Verlag, Berlin / 2025
Hrsg.: Claus Krieger
Broschur 21×25 cm, 272 Seiten, 500 farbige
Abbildungen, Deutsch
ISBN 978-3-98612-274-4
Mit einem Vorwort von Kurator Oliver Elser.
Im Museumsshop und im Buchhandel erhältlich für
38,- EUR.

BEGLEITPROGRAMM
11.11.2025, 16 — 20 Uhr
Zeigt eure Architekturbaukästen!
Offenes Forum für alle Sammler:innen. Wer einen Baukasten mitbringen und präsentieren möchte:
Anmeldung bis 4.11. unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
18.11.2025, 16 — 20 Uhr
Zeigt eure Microscale MOCs!
Offenes Forum. Wer etwas mitbringen und präsentieren möchte: Anmeldung bis 11.11. unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
15.01.2026, 19 Uhr
Florian Wacker: Liebling, ich habe den Römer geschrumpft – Wie ein Klemmbaustein-Modell im Micro-
Scale-Format entsteht.
Der Schriftsteller („Zebras im Schnee“ – Frankfurt liest ein Buch 2024) spricht über sein Hobby
28.01.2026, 19 Uhr
Oliver Tessmann, TU Darmstadt, DDU – Digital Design Unit:
Stecken, Klemmen, (De-)Montieren – vom Fügen in der (realen) Architektur
Über die erstaunlichen Parallelen von großen Fertigteilen und kleinen Baukästen
Im DAM Auditorium bzw. in der Ausstellung. Jeweils 7 Euro Eintritt, ermäßigt 4 Euro


ARCHITEKTURBAUKÄSTEN 1890–1990. Die große Mitspiel-Ausstellung
25. Oktober 2025 – 8. Februar 2026
im Deutschen Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main
ARCHITECTURE AND ENERGY – Bauen in Zeiten des Klimawandels Frankfurt am Main