Hohe Auszeichnung für "Qualitätsjournalisten" im Frankfurter Römer durch "Freiheit der Presse"
Notker Blechner
Frankfurt/ Main (Weltexpresso) - Journalisten, die sich mit brisanten gesellschaftlichen Themen beschäftigen, haben es schwer: Sie werden bedroht, beleidigt, verleumdet oder gar angegriffen. Um den Qualitätsjournalismus zu schützen, vergibt die Stiftung "Freiheit der Presse" den renommierten Wächterpreis der Tagespresse. Traditionell wird er im Frankfurter Römer verliehen.
Besorgniserregende Entwicklungen verkündete Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, in ihrer Festrede zur Verleihung des diesjährigen Wächterpreises. Laut einer jüngsten Umfrage fanden 39 Prozent der Bundesbürger, an dem Vorwurf der "Lügenpresse" sei etwas dran. Über die Hälfte zeigten sich teilweise oder gänzlich unzufrieden mit der Berichterstattung über die Flüchtlingswelle. Eine solch schlechte Meinung über die Presse hat es schon lange nicht mehr gegeben.
Gleichzeitig scheint die Berichterstattung von immer weniger Medien bestimmt zu werden. Wie die Allensbach-Chefin herausfand, schreiben im Online-Zeitalter die Medien zunehmend voneinander ab. Köcher spricht von einer zunehmenden Selbstreferenz in den Medien. Insofern kommt es mehr denn je auf Qualitätsjournalismus an.
Missstände im deutschen Fallpauschalen-System
Mit dem Wächterpreis der Tagespresse wurden im Anschluss an die Rede Köchers die besten Qualitätsjournalisten geehrt. Der erste mit 10.000 dotierte Preis ging an Pia Heinemann, stellvertretende Leiterin des Wissensressorts der "Welt" und "Welt am Sonntag". In ihrem Artikel "pauschales Versagen" legte sie die Fehlanreize der Fallpauschale in den Krankenhäusern offen. Das Abrechnungssystem verleite dazu, aufwendiger zu behandeln als eigentlich nötig ist, heißt es dazu im Kommentar des Internetportals anstageslicht.de. "Therapien, deren Fallpauschale erhöht worden ist, werden in den darauffolgenden zwölf Monaten häufiger durchgeführt", schreibt Heinemann. "Steigt der Preis für eine OP um zehn Prozent, steigt auch die Zahl genau dieser OPs – und zwar um zwei Prozent. Wird ein Eingriff dagegen billiger, führen ihn die Kliniken schon im folgenden Jahr nicht mehr so häufig durch."
Auch die Ärzte seien zunehmend desillusioniert über die Situation. Heinemanns Text beschreibe die Unzufriedenheit der deutschen Ärzte über die Klinikstrukturen, die dazu führten, dass zu teuer, zu ineffizient und mintunter sogar gesundheitsgefährdend gearbeitet werde", hob die Jury hervor.
Heinemann nutzte die Bühne des Kaiserssals im Frankfurter Römer und hielt ein kleines Plädoyer auf den Qualitätsjournalismus. Ihre Geschichte zeigte, dass investigativer Journalismus immer noch möglich sei. Außerdem mache es doch auch Spaß, an Aufdeckungsstorys zu recherchieren.
Blick hinter die Kulissen der "Pegida"-Bewegung
Den zweiten Preis in Höhe von 6.000 Euro erhielt ein Quartett von vier Journalisten: Matthias Meisner vom Berliner "Tagesspiegel" sowie Alexander Schneider, Tobias Wolf und Ulrich Wolf von der "Sächsischen Zeitung". Sie wurden ausgezeichnet für ihren Blick hinter die Kulissen der "Pegida"-Bewegung in Dresden. Die Sächsische Zeitung berichtete in dem Artikel "Pegida Persönlich" über den Aufstieg Lutz Bachmanns zum Anführer der "Pegida". Die Reporter recherchierten über die wirtschaftlichen Verhältnisse Bachmanns, dessen Kontakte in den sozialen Medien und sein Verhältnis zur Justiz und Polizei. So entlarvten die Journalisten die zahlreichen Fehltritte Bachmanns wie die Verurteilung wegen Drogenhandels, falscher Verdächtigung und Trunkenheit am Steuer.
Am Rande der Preisverleihung gestanden die Redakteure der "Sächsischen Zeitung", wie schwierig ein sachlicher Umgang mit der "Pegida" und Rechtsextremismus in Dresden und Sachsen geworden sei. Viele Demonstranten würden Interviews verweigern und ihnen Desinformation vorhalten. Selbst im engen Familienkreis müssten sie sich mitunter Vorwürfe anhören, Teil der "Lügenpresse" zu sein.
Die Wahrheit über den Mindestlohn
Den dritten Preis von 4.000 Euro teilten sich ebenfalls vier Journalisten: Anne Kunze, Bettina Malter, Stephan Lebert und Fritz Zimmermann von der Wochenzeitung "Die Zeit". Sie hatten in ihrem Artikel die Probleme des Mindestlohns aufgedeckt. Laut der Jury hätten die Redakteure auf "ein massives Auseinanderklaffen von Gesetz und Wirklichkeit" aufmerksam gemacht.
Mit der "Zeit" und der "Welt" wurden erneut renommierte große überregionale Zeitungen ausgezeichnet - wie schon die Jahre zuvor. Offenbar scheint Qualitätsjournalismus eher in den großen Leitmedien möglich zu sein als in den hunderten Regionalzeitungen. Oder nicht?
Unklar bleibt, warum Online-Medien nach wie vor vom Wächterpreis ausgeschlossen sind. Von der Stiftung "Freiheit der Presse" hieß es am Rande der Preisverleihung, dass die Integration der Online-Medien bisher noch kein Thema sei.
Info:
Wächterpreis der Tagespresse
www.waechterpreis.de
http://www.anstageslicht.de/waechterpreis/ausgezeichnete-geschichten/