Sprache und Herrschaft, Teil 3/3

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Phrasen halten Einzug in unser Leben. Und sie haben es leicht, denn bereits vorher hat sich bei denen, die es generell nicht so genau nehmen oder es nicht so genau wissen wollen, eine allgemeine Oberflächlichkeit breit gemacht, die das ungehemmte Wachstum von Engstirnigkeit, schlichtem Denken und die Etablierung einer Plebsokratie begünstigt.



Für den Oktober dieses Jahres, während der Frankfurter Buchmesse, plant der im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen aktive Literatur- und Kulturverein PRO LESEN eine Veranstaltung zur Sprache rechter Gruppen und Parteien. Der Redaktionskreis sammelt dazu seit einigen Wochen Beispiele für phrasenartige Wörter und Redensarten, die im Alltag gehäuft anzutreffen sind. Mittlerweile ist die Liste der Begriffe bereits lang, aber auch die Versuche, die Plattheiten zu entlarven, nehmen zu. Als Chronist habe ich die ehrenvolle Aufgabe, nicht nur zu protokollieren, sondern auch vorläufig letzte Hand an die Definitionen anzulegen. Die nachfolgenden 60 Beispiele aus der Phrasendreschmaschine stellen erst ein knappes Viertel der untersuchten Begriffe dar.


Abfahren
Gemeint ist nicht das Abfahren am Ort X, um am Ort Y anzukommen. Sondern eine Tätigkeit, deren Bedeutung die nicht begründbare Akzeptanz von Menschen, Dingen und Vorgängen beschreibt, deren Charakter oder tieferer Sinn dem Abfahrer auf ewig verborgen bleibt. Er/sie fährt drauf ab. Das soll, das muss ausreichen. Der Rest ist Schweigen.

Absolut
Hier geht es erkennbar nicht um das Absolute, mit dem sich beispielsweise Philosophen und Theologen seit Jahrhunderten herumschlagen. Vielmehr handelt es sich um eine Vokabel aus dem Wörterbuch der Spracharmut. Sie ersetzt Steigerungsformen oder Synonyme, die dem Anwender (männlich und weiblich) nicht mehr geläufig sind oder es vielleicht nie waren. Und deswegen hört man allerorten: absolut Spitze, absolut sauer, absolut Scheiße. Das klingt bereits nach Absolutismus.

Abverkauf
Dieser Begriff soll ein Ziel des Verkaufs, der ursprünglich Veräußerung von Waren bedeutet, gegenüber dem Käufer verschleiern. Man trennt sich von Artikel, die unter den normalen Bedingungen von Angebot und Nachfrage keiner erwerben will. Und macht aus der Not eine Tugend.

Ätzend
Kann „tödlich“, aber auch „geil“ bedeuten. Bei dem Adjektiv könnte es sich um eine populäre Umschreibung des Gesetzes von Kampf und Einheit der Gegensätze handeln (Dialektischer Materialismus). Mutmaßlich hat es einer jener unausrottbaren Kryptokommunisten in die Welt gesetzt, die mit Unterwanderstiefeln die Grundlagen der Gesellschaft zerstören.

Alterspyramide
Dieses Bauwerk entsteht nicht nur aus sich selbst, sondern auch durch das Fehlen eines Nachbarhauses, nämlich der Geburtenpyramide. Die Bewohner der Alterspyramide könnten ihren Wolkenkratzer dadurch im nennenswerten Umfang abflachen, in dem sie sich aus den obersten Stockwerken massenhaft auf die Straße stürzten. Ob dadurch allerdings die Geburtenpyramide anwüchse, darf bezweifelt werden; denn die Angst vor der Zukunft, also dem einmal unabwendbaren Fenstersturz, könnte so manchen Ungeboren daran hindern, geboren zu werden.

Altlasten
Noch ist damit nicht die Rentnergeneration gemeint, sondern der giftige Unrat, den wir quasi als Kollateralschäden produzieren, um das Wirtschaftswachstum auf immer neue Höhen zu treiben. Zeitbomben wäre der treffendere Begriff, aber der könnte allgemeines Entsetzen auslösen - selbst unter den Verfechtern des Kapitalismus.

Anforderungsprofil
Auf dieses Unwort stößt man häufig bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Inhaltlich verweist es auf eine menschliche Spezies, die dank Mutation jung (maximal 35), gesund, leichtgläubig, fachlich hochqualifiziert, im langen Berufsleben gereift und erfahren und hinsichtlich des Salärs extrem bescheiden ist.

Andenken
Wenn schon nicht gedacht werden kann und soll, dann sollte man auch das Andenken lassen. Denn im Gegensatz zum Anfahren (mit dem Auto jemanden überfahren) führt das Andenken noch nicht einmal zu einem negativen Erfolg.

Anlesen
Hier verhält es sich ähnlich wie mit dem Andenken: Man liest etwas an, ohne dabei den Verstand zu gebrauchen. Kurzum: Anlesen bedeutet Nichtlesen.

Anspruchsdenken
Offensichtlich der Versuch, legitime Ansprüche allein deswegen zu diskreditieren, weil sie erhoben werden.

Arbeitsessen
Die Rechtfertigung eines Gelages, zu dem es außer übermäßiger Genusssucht keinen weiteren Anlass gibt. Dieser Hang ist dort besonders verbreitet, wo man anstatt ohne Verstand zu essen besser mit Disziplin arbeiten sollte.

Ausdiskutieren
Die Verwandten des Ausdiskutierens heißen Andiskutieren und Wegdiskutieren. Sie verweisen darauf, dass gar nicht diskutiert wird, also weder aus noch an noch weg. Ich denke dabei an Talkshows.

Auseinanderdividieren
Hier handelt es sich um ein besonders gelungenes Beispiel neudeutscher Phraseologie. Logischerweise müsste es noch absubtrahieren und zusammenaddieren geben. Auch aus- und abmultiplizieren wären denkbar. Aber das wird bestimmt noch jemandem einfallen.

Baby an Bord
Bis heute habe ich nicht verstanden, was dieser unübersehbare Hinweis am Heck von PKWs beutet. Ist damit zu rechnen, dass ein Kleinkind unvermutet aus dem Fahrzeug fallen könnte? Oder dass bei einem Unfall die Chance bestünde, die gesamte Sippe aus dem Verkehr zu ziehen? Das Warnsignal „Baby an Bord“ wird regelmäßig noch durch die Namensangaben der Insassen verstärkt, beispielsweise durch Chantalle oder Kevin. In diesen Fällen sollte man bei nächster Gelegenheit überholen und die Flucht ergreifen.

Boomen
Alles boomt. Vor allem die Doomheit.

Brainstorming
Eine freundliche Umschreibung für den Sachverhalt, auch die dümmsten Gedanken ungefiltert mündlich und schriftlich zu artikulieren. Verheerende Folgen sind nicht auszuschließen.

Brummi
Das Wort gehört in die Kategorie dumm plus dreist. Es bezeichnet ein gemeingefährliches Gefährt, das raumfordernd und giftverströmend die Straßen verstopft und wegen Übermüdung ihrer Lenker Unfälle verursacht, um Einkaufszentren auf der so genannten grünen Wiese, bei denen trotz vorhandener Fläche am Lagerplatz gespart wurde, im Stundentakt zu beliefern. Letztere tragen wiederum erheblich zur Verelendung der Innenstädte und zur explosionsartigen Vermehrung von 450 Euro –Jobs bei sowie zu künftiger Altersarmut.

Denkpause
Wer eine solche beim Denken benötigt, sollte erst gar nicht damit anfangen.

Doppelverdiener
Ein Schmähwort gegen die Emanzipation der Frau, das in der Giftküche eines gewissen Joseph Goebbels entstanden ist und die Absicht verfolgte, die deutsche Frau ihrer wahren Bestimmung zuzuführen, nämlich unbezahlte Hausfrau und gleichzeitig mehrfache Mutter zu sein.

Dunkelziffer
Kommt aus dem Bereich der Statistik und drückt aus, dass diese Ziffer noch unglaubwürdiger ist als die anderen Ergebnisse.

Dynamisch
Dynamos war im Griechischen die Allmacht und Kraft Gottes. Heutzutage wird damit der Wunsch wirtschaftlich Mächtiger umschrieben, die abhängig Beschäftigten sollten ihre Arbeitnehmerrechte tunlichst vergessen und sich ungehemmt dem Betrieb widmen, also zu dynamischen Persönlichkeiten werden.

Einbinden
Wer sich einbinden lässt, lässt sich auch gern einseifen, sprich entmündigen, also seiner Persönlichkeit berauben. Einbinden klingt aber viel schöner.

Einkaufsparadies
Das ist ein wahres Paradies für Warenanbieter. Die Kundschaft reist in Klein- und Großgruppen an, bedient sich dankbar des zur Verfügung gestellten Kaufinstrumentariums (Einkaufswagen), lässt sich während der Wanderschaft durch die Regalwelt inspirieren und ersteht zum guten Schluss erheblich mehr, als sie sich einzukaufen vorgenommen hatte. Wahrlich paradiesische Zustände.

Ein Stück weit
Ein Stück weit nähern wir uns selbst oder dem anderen oder einer Sache oder einer Idee. Früher galt einmal die Regel „Ganz oder gar nicht“, was nicht grundsätzlich mit aufdringlich gleichzusetzen war. Heute ist man etwas distanzierter, vor allem aber unverbindlicher und unaufrichtiger.

Entscheidungsbedarf
Eine Entscheidung zu fällen erweist sich in der Lebenswirklichkeit als notwendig, gar als unumgänglich. Doch dazu ist nicht jede/r bereit, sodass zunehmend lediglich der Bedarf an einer Entscheidung festgestellt wird. Das ist dann die beste Voraussetzung, keine Entscheidung zu treffen, sondern die Sache auszusitzen.

Erwartungshorizont
Dieser ist bei genauer Betrachtung eine Frage der Perspektive. Je kleiner, umso geringer die Erwartungen, je größer, umso größer die Erwartungen. Also darf man folgern, dass es sich um keine feste Maßeinheit handelt. Eine Phrase eben.

Festschreiben
Es bedeutet lediglich, etwas schriftlich festzulegen, klingt aber nach mehr, klingt nach Wichtigem. Aber es ist eine geborgte Autorität, vielleicht gar eine Falschmünzerei.

Freiräume
Offensichtlich gibt es oder wünscht man sich Räume, in denen die üblichen Beziehungen außer Kraft gesetzt sind. Dass der Mensch ein soziales Wesen ist, dessen Freiräume an die der anderen grenzen, sich gar zu überschneiden drohen, wird erst gar nicht erwogen. Offenbar entstehen diese Gedanken im denkfreien Raum.

Freisetzung
Ein Begriff, der die um sich greifende Vernichtung von Arbeitsplätzen schönreden und schönschreiben soll. Und der den Freigesetzen das schöne Gefühl vermittelt, zwar arbeitslos, aber dennoch (vogel-) frei zu sein.

Freizeitwert
Wenn die Arbeits- oder Dienstzeit wenig Wert besitzt, muss die freie Zeit zwangsläufig umso wertvoller sein. Es könnte sich also beim Freizeitwert um eine soziale, von der Allgemeinheit finanzierte Maßnahme für im Arbeitsleben Abhängige und Unfreie handeln.

Ganzheitlich
Wir können es in den schlechtesten Büchern lesen: Wir Menschen sind ganzheitliche Wesen, bestehen aus einem ganzen Leib und einer ganzen Seele und wenn das eine oder das andere beschädigt wird, dann sind wir ganz, in Gänze, betroffen. Darum sehnen wir uns nach ganzheitlichen Erfahrungen, beispielsweise nach einem esoterischen Trommelkurs auf den Malediven mit Yoga-Einlagen, ergänzt um einen Grundkurs in Astrologie und einer Privatlektion bei einer Traumdeuterin. Ganzheitlich eben.

Handlungskompetenz
Die liegt vermutlich zwischen Richtlinienkompetenz, Handlungsbedarf und Handlungsspielraum. Also in dem Niemandsland zwischen Macht und Ohnmacht, wobei die Grenze zur Ohnmacht zum Greifen nahe scheint, diejenige zur Macht hingegen allenfalls erahnt werden kann.

Herausforderung
Alle fordern uns heraus, man könnte den Tag mit ununterbrochenem Duellieren füllen. Und was folgt auf die Herausforderung? Ein Gentlemans Agreement? Ein Vertrag, der viele Vorteile einbringt? Vielleicht der Tod des Herausforderers? Oder das eigene endgültige Scheitern? Die Phantasie reicht nicht aus, um die Vielgestaltigkeit der Herausforderungen übersehen zu können. Das sollte ein Grund sein, bereits beim Hören des Wortes misstrauisch zu sein und sich nicht herausfordern zu lassen.

Herz für Kinder
Ein moderner Ablasszettel, besonders häufig zu finden an Fahrzeugen, deren Insassen den Eindruck erwecken, dass sie wahre Experten sind für Prügel, Gefängnis oder gar Totschlag. Ähnlich wie die Zeitung mit den großen Buchstaben, die diesen Persilschein unter die Leute bringt.

Irgendwie
Die Beschreibung des Nicht-Fassbaren, des ewig Unkonkreten, möglicherweise auch ein artikuliertes Symptom für das fortdauernde Schrumpfen geistiger Leistungen oder einfach ein exzellenter Vertreter des zeitlos Dümmlichen.

Katastrophale Verwüstungen
Beschreibt offensichtlich den Gegensatz von katastrophalen Verwüstungen und solchen, die gar keine sind, eben nur Verwüstungen. Weil innerhalb der Verwüstung der normale Lebensraum liegt.

Keinst
Das schlichte Wort suggeriert Steigerungen, wo diese gar nicht mehr möglich sind. Zum Beispiel: in keinster Weise. Also: Es in keinstem Fall gebrauchen!

Knackig
Das Eigenschaftswort eröffnet ein Paradies an Assoziationen: knackige Frauenärsche, knackige Männerärsche, knackige Salate, eben alles, was beknackt ist.

Konstruktiv und kritisch
Das eine hebt das andere auf, zumindest relativiert es dieses. Wer in seine Kritik bereits das Konstruktive einbaut, nimmt ihr die heilsame Wirkung. Oder verschafft sich ein Alibi.

Kurzfristige Lösungen
Da ist es gut, dass man bald wieder nach neuen Lösungen suchen muss, denn die einen waren eben nur kurzfristig angelegt. Also von vornherein und bewusst falsch.

Leistungsträger
Dieser Begriff dient erkennbar der Verschleierung von Sachverhalten. Denn indirekt unterscheidet er zwischen denen, die lediglich arbeiten (und vermutlich dafür gering entlohnt werden) und jenen, die leisten anstatt zu arbeiten und dafür ein besonders hohes Entgelt erhalten. Über die eigentliche Qualität der Arbeit bzw. Leistung schweigt sich das Wort aus. Die Vermutung liegt nahe, dass Leistung darin bestehen könnte, sich die Arbeit der anderen preisgünstig anzueignen. Die Parteien der Leistungsträger sind dafür hinlänglich bekannt.

Lernprozess
Das Wort suggeriert, dass es neben dem altbekannten Lernen noch einen besonderen Lernprozess gibt. Vielleicht sind Leute auf die Idee mit dem Lernprozess gekommen, die mit ihrem jeweiligen Lernen nie zu Ende kommen, den Misserfolg aber mit einem vermeintlichen Prozessablauf verbrämen möchten.

Letztendlich
Man liest und hört das Wort vorrangig in Rede- und Schriftbeiträgen, die Qualität und vor allem Seriosität beanspruchen. Letztendlich bedeutet „schlussendlich“ und damit eigentlich nichts. Vor allem keine Qualität.

Mitbürger
Der Verdacht liegt nahe, dass der Mitbürger dem Bürger gegenübersteht, also die aus der Herrschaftsperspektive harmlosere, weil machtlose Variante des Citoyens darstellt. Gern verwendet wird dieses Unwort mit dem Zusatz „ausländischer“. Daran wird sofort der Stellenwert des Mitbürgers deutlich.

Naturbelassen
Viele der besten, will sagen bestwirksamen Gifte sind naturbelassen. Ich denke an bestimmte Pilze, aber auch an Schlangengifte. Und nicht zuletzt an so segensreiche Gewächse wie Bittermandeln und Mohn. Biologisch, dynamisch und vielfach absolut tödlich.

Null-Lösung
Die sprachlich schönere Variante von „Keine Lösung“.

Null-Wachstum
Auch hier gibt es nichts zu vermelden, zumindest kein Wachstum.

Paketlösung
Hier ist größte Vorsicht geboten. Denn es handelt sich um eine zeitgemäße Kombination von Zuckerbrot und Peitsche, wobei die Peitsche den größeren Anteil besitzt.

Personelle Ressourcen
Das bedeutet auf Deutsch: Menschenquellen. Oder etwas weniger elegant: Arbeitssklaven, menschliche Verfügungsmasse. In jedem Fall bedeutet es nichts Gutes.

Restrisiko
Verniedlichender Ausdruck vorwiegend für technische Innovationen, die außer Kontrolle geraten sind. Harrisburg, Tschernobyl und unlängst Fukushima. Der Begriff lässt sich aber auch auf politische Konstellationen übertragen. Das Restrisiko einer Großen Koalition liegt in der faktischen Ausschaltung der parlamentarischen Opposition und der Mobilisierung des außerparlamentarischen Pöbels.

Sachzwänge
Bezeichnet eine Mutation, die nicht existiert; denn Sachen können nicht zwingen. Deswegen als Schutzbehauptung gebräuchlich, um die eigene Verantwortung für katastrophale und folgenreiche Entscheidungen auf solche zu schieben, die nicht haftbar gemacht werden können, eben auf Sachen.

Schadstoffe
Der frühere Ausdruck lautete schlicht und einfach: Gift. Damals starb man daran, die einen etwas früher, die anderen etwas später, aber überlebt hat es keiner. Heute beeinflussen Schadstoffe die Mortalitätsrate. Vor allem aber wirken sie sich positiv auf den Profit ihrer Produzenten aus.

Selbstheilungskräfte
Sind Bestandteile des menschlichen und tierischen Organismus und regulieren in beschränktem Umfang dessen Überlebensfähigkeit. Bei den Selbstheilungskräften des Marktes hingegen setzt man geradezu auf das Sterben der Schwachen und das Überleben der Starken. Und falls bei letzteren diese Medizin nicht mehr hilft, ist der Steuerzahler gefragt. Denn der Starke besitzt ein Überlebensrecht und die Allgemeinheit eine soziale Verpflichtung gegenüber dem Reichtum.

Sinn machen
Der Sinn macht nachweislich nichts. Bestimmte gedankliche Entwürfe können einen Sinn ergeben. Vorausgesetzt, man setzt seine sieben (oder mehr?) Sinne dabei ein.

Sozial schwach
Hier handelt es sich um einen Euphemismus, denn gemeint ist „arm“. Allerdings brächte eine korrekte Beschreibung die Regierungen in Verlegenheit. Bereits das von Gewerkschaften und Sozialverbänden benutzte Schlagwort „Altersarmut“ erweist sich als rotes Tuch. Die Chancen, alt zu werden, steigen nachweislich. Die Aussicht, im Alter arm zu sein, leider noch mehr.

Tiefgreifende Reformen
Sind sind offenbar das Gegenteil von oberflächlichen Reformen. Aber allein der Gebrauch des Begriffs macht deutlich, wie viele oberflächliche, unzureichende und unzumutbare Reformen durchgesetzt wurden und werden.

Überwiegende Mehrzahl
Anscheinend gibt es auch das Gegenteil: nämlich die verschwindende Mehrzahl. Letztere löst die Vermutung aus, dass es mit der überwiegenden Mehrzahl nicht zum Besten bestellt sein kann. Möglicherweise ist sie geschönt, gar manipuliert. Vorsicht ist geboten, wenn der Begriff fällt.

Unkosten
Unkosten sind sprachlich und tatsächlich keine Kosten; sie werden aber vor allem deswegen gern und völlig unberechtigt in Rechnung gestellt.

Zeitnah
Anscheinend das Gegenteil von zeitfern. Oder es könnte zeitlos bedeuten im Sinn von „keine Zeit haben“. Im Behörden- und Geschäftsverkehr bedeutet es häufig: wird nicht erledigt.

Ein Zeichen setzen
Nichts braucht zu geschehen, denn es reicht aus, Zeichen zu setzen.


Info:

„Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“
heißt die 55. Themenwoche von PRO LESEN im Bibliothekszentrum Frankfurt-Sachsenhausen. Sie findet statt vom 17. bis zum 22. Oktober 2016.

Die Donnerstagabend-Lesung am 20. Oktober steht unter dem Motto
„An ihren Worten kann man sie erkennen - Menschenfeinde ganz unverstellt“.
Weitere Infos ab Juni unter http://www.pro-lesen-frankfurt.de