Die Breite und Tiefe von Veranstaltungen im Goethehaus Frankfurt auch ohne Goethewoche GOETHE INTERNATIONAL
Robert Matta
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - "National-Literatur will jetzt nicht viel sagen;
die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit,
und jeder muss jetzt dazu wirken,
diese Epoche zu beschleunigen."
Goethe, Gespräche mit J. P. Eckermann,
am 31.01.1827
Bei der Vorstellung der diesjährigen Goethewoche, die zweijährig sein soll, waren zwei Sachverhalte bemerkenswert. Mit dem obigen Zitat von Goethe, der damit zum ersten Mal den Begriff der Weltliteratur gepägt hat, der heute in aller Munde ist, wurde das Thema der Goethe Festwoche 2016 als GOETHE INTERNATIONAL begründet. Eigentlich braucht man für den gewählten Titel schon deshalb keine Begründung, weil einem tatsächlich im Ausland, wo immer man in Buchhandlungen kommt, bei deutscher Literatur Goethe angeboten wird - und früher zumindest auch Günther Grass und zwar vor seinem Nobelpreis.
Daß Internationale kann man Goethe gut zugestehen, denn vor ihm hatte Johann Gottfried Herder (1744-1803) erst einmal das gesammelt und 1775 zum ersten Mal herausgebracht, was seit 1807 als STIMMEN DER VÖLKER IN LIEDERN überhaupt den Begriff der nationalen Literatur erst einmal konstituiert hatte. Ohne nationale Literaturen auch keine Weltliteratur. Und Herders Liedbegriff darf man nicht eng sehen, es geht um Sagen, weitere Texte, aber auch Zitate aus Theaterstücken wie die von Shakespeare. Sie alle erschienen in deutscher Sprache und begründeten mit, was die Romantik in Europa an Durchschlagskraft gewann. Als Herder 1771 dann Goethe kennenlernte, war das für Goethe wie ein Gesundbrunnen, der neu sprudelte. Herder machte ihn produktiv.
Das alles sind interessante Zusammenhänge, wie alles, was Goethe dann immer noch eine zusätzliche Bedeutung erhält. Daß aber die Weltläufigkeit von Goethe, die ihm die Welt zurückgibt, seinen Ursprung in der Herkunft aus Frankfurt hat, das hört man hierzulande, hierzustadte sehr gerne. Und diese Aussage hat den Vorteil, daß sie stimmt. Und an der Vorstellung der diesjährigen Festwoche war eben auch interessant, daß die neue Kulturdezernentin Ina Hartwig gut gelaunt und Präzise auf die Bedeutung der Gothewoche grundsätzlich und auf die diesjährige Durchführung speziell einging.
Wir zitieren gerne ihr Grußwort, das dem reichhaltigen Programmheft für den 8. bis 17. September 2016 voransteht: " International ist die 6. Frankfurter Goethe Festwoche gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wird die internationale Rezeption Goethes beleuchtet, zum anderen sein Interesse an und seine Beschäftigung mit verschiedenen Kulturkreisen und Sprachen. In der von Goethe herausgegebenen Zeitschrift „Über Kunst und Altertum“, die von 1816 bis 1832 erschien, verdeutlichte der Dichter sein Verständnis von Weltliteratur. Die Überzeugung, die Dichtkunst sei eine „Welt- und Völkergabe“, bereitet den Weg unseres interkulturell geprägten Kulturverständnisses. Unter dem Titel „Von den ‚Rhein und Mayn Gegenden‘ zur Weltliteratur“ stellt das Frankfurter Goethe-Haus eben diese Zeitschrift in einer Ausstellung vor und zeigt, welche transkulturellen Fragen den späten Goethe zu Literatur und Sprachen umtrieben.
Rezipiert wird Goethe international auch von Regisseuren. Unter anderem werden in der Goethe Festwoche 2016 zwei Inszenierungen von Goethes „Iphigenie“ einander gegenübergestellt: Das Schauspiel Frankfurt erzählt unter der Regie von Ersan Mondtag eine blutrünstige Familiengeschichte, während sich das Theater Willy Praml dem Gedanken der Humanität widmet. Das Deutsche Filmmuseum zeigt zwei sehr unterschiedliche französischsprachige „Werther“-Adaptionen, zudem eine russische „Faust“-Verfilmung. Weitere Aufführungen, Podiumsgespräche, musikalische Beiträge und Vorträge von und in Partnerinstitutionen wie Frankfurter Goethe-Haus, Haus am Dom, Hindemith Kabinett im Kuhhirtenturm, Instituto Cervantes, Romanfabrik und studioNAXOS, begleitet von einem breit aufgestellten Sende- und Sonderprogramm von hr2-kultur, greifen den Facettenreichtum von Goethes Internationalität auf.
Allen Mitveranstaltern danke ich für ihr großes Engagement und lade herzlich dazu ein, die Vielseitigkeit Goethes zu erkunden und neu zu entdecken."
Was die Fothe Festwoche bringt, wird im nächsten Artikel detaillierter beschrieben, wobei diejenigen, die deshalb nach Frankfurt kommen - nicht wenige! - und diejenigen Frankfurter, die an mehreren Veranstaltungen teilnehmen, das so schön gestaltete güldene Programmheft dringend brauchen, das unten als digitales Angebot angegeben ist.
Wir wollen hier auf etwas anderes hinweisen. Denn die Reichhaltigkeit des jährlichen Veranstaltungsprogramms wird immer unter Wert weitergegeben. Zwar bringen wir eine Reihe von Hinweisen auf Veranstaltungen, aber die sind dann einem Thema gewidmet und läßt den gleichzeitigen Bau des Romantikmuseums außer acht. In der Jahresankündigung heißt es: Liebe Freunde und Mitglieder des Freien Deutschen Hochstifts, das Jahr 2016 lässt unser großes Projekt eines Deutschen Romantik-Museums erstmals augenfällig werden. Die baulichen Vorarbeiten haben begonnen. Werfen Sie einen Blick hinüber bei Ihrem nächsten Besuch im Haus. Der neue Museumsbau ist den Romantikern gewidmet, aber auch Goethe wird hier zu Hause sein. Der Dialog, in den beide hier auch in räumlicher Hinsicht treten werden, ist auch im neuen Jahresveranstaltungsprogramm immer wieder präsent.
Die beiden größeren Ausstellungen des Jahres sind Goethe gewidmet: Im Frühjahr zeigen wir eine vom Goethe- und Schiller-Archiv Weimar entwickelte Ausstellung zu Goethes Autographensammlung, im Herbst nehmen wir das 200jährige Jubiläum des Erscheinens des ersten Bandes von Goethes Zeitschrift ‚Ueber Kunst und Alterthum’ zum Anlass, die Entwicklung dieses umfangreichen Spätwerks von der kulturpolitischen Begutachtung der Kunstschätze der Region zu einem europaweit agierenden Rezensionsorgan darzustellen, das den Bogen vielfältig auch zur Romantik spannt. Die Ausstellung wird mit der Goethe-Festwoche 2016 eröffnet, die unter dem Motto „Goethe International” Goethes Idee einer „Weltliteratur“ aufgreifen wird.
Beispiele
VORTRAG/LESUNG
3. FEBRUAR
LIEBSEELCHENS PROFESSION
KARL FRIEDRICH SCHINKEL IN FRANKFURT
Prof. Dr. Christoph von Wolzogen
Frankfurt am Main ist im Leben des Universalgenies Karl Friedrich Schinkel mehr als nur eine Episode gewesen. Zweimal hat er die Stadt besucht: 1804 und 1826. Dass Frankfurt preußisch wurde, hat Schinkel nicht erlebt, aber er hat die Stadt und ihren Bürgermeister Thomas auf sanftere Weise erobert. Dafür stand die Familie Brentano, die Schinkel 1810 als frischgebackener Oberbau-Assessor kennenlernte und mit derem berühmtesten Mitglied Clemens er ein Leben lang in einer wechselnden, aber nie langweiligen Freundschaft verbunden blieb. Von der Poesie und Familiarität dieser Beziehung zeugt die Titelillustration für Brentanos ‚Mährchen von den Mährchen‘, in der Schinkel seine ganze Familie untergebracht hat. Im 175. Todesjahr des Architekten, der auch für Franz Brentano in der Neuen Mainzer Straße ein Haus entwarf, stellt Christoph von Wolzogen ein Kapitel aus seiner großen Schinkel-
Biographie vor.
Christoph von Wolzogen lehrt am Institut für Philosophie der Goethe-Universität Frankfurt.
GESPRÄCH
26. JANUAR
GOETHE-ANNALEN: 1816
Auch Goethes Jahr 1816 ist ereignisreich. Auf der politischen Bühne hatte Goethe die liberal-nationale Politik, die Carl August seit 1813 eingeschlagen hatte, von Anfang an kritisch begleitet. Wie sieht er nun das am 5. Mai 1816 in Sachsen-Weimar-Eisenach eingeführte neue Grundgesetz, das einen von den Ständen gewählten Landtag einsetzte und die Pressefreiheit garantierte?
„Zwischen den Welten schwebend“ setzt Goethe seine Arbeit am ‚Divan‘ intensiv fort. Seine „Schatzkammer“ füllt sich mit Gedichten, Entwürfen und Notizen, ja sogar Schreib- und Grammatikübungen in Arabisch und Persisch. Auch mit dem ‚Faust‘ befasst er sich nach langer Pause wieder. 1816 beginnt seine Auseinandersetzung mit Lord Byron, die neun Jahre später in den ‚Helena‘-Akt mündet. In der Bildenden Kunst beschäftigen ihn vor allem der Hl. Rochus, dessen Altarbild er anlässlich seiner Rheinreise beim Sankt Rochus-Fest 1814 bewundert hatte, und die Arbeit an der „neudeutsch-religiös-patriotischen Kunst“. Dieses Bild und das Thema wird in der kommenden Ausstellung nächste Woche eine große Rolle spielen.
Am 6. Juni 1816 stirbt mit 51 Jahren seine Frau Christiane. Ihrer Beerdigung bleibt Goethe fern. Auf ihren Grabstein lässt er schreiben: "Du versuchst, o Sonne, vergebens, durch die düstren Wolken zu scheinen. Der ganze Gewinn meines Lebens ist, ihren Verlust zu beweinen.
Es haben miteinander diskutiert: Anne Bohnenkamp, Ernst Osterkamp und Gustav Seibt
GESPRÄCH
15. FEBRUAR
ROMANTIK –
EINE EUROPÄISCHE REVOLUTION?
Kein anderer Begriff der Kulturgeschichte wird so oft mit dem Prädikat „deutsch“ versehen wie die Romantik, als ob die Schemenhaftigkeit, mit der dieses Wort seit jeher konnotiert ist, dadurch plötzlich verschwände und feste, historische Konturen annähme. Novalis und Brentano, die Brüder Schlegel und Eichendorff, ‚Des Knaben Wunderhorn‘ und Grimms Märchen – war all dies nicht „deutsch“, d. h. mit identitätstiftenden nationalen Werten verbunden?
Dennoch blickten die Romantiker über ihre Landesgrenzen hinaus, um sich selbst zu finden. Sie bezogen sich auf andere Kulturen und ver-
standen die Übersetzung als Mission. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte verbreitete sich eine poetische Idee allmählich in ganz Europa. In England und in Frankreich, in Italien und Osteuropa wehte die Fahne der romantischen Revolution.
Welche Texte bildeten den gemeinsamen Angelpunkt? Kam es tatsächlich – vielleicht durch „produktive Missverständnisse“ – zu einem gemeinsamen Kulturgut? Namhafte Experten aus Deutschland, England und Italien versuchen, diese spannenden Fragen zu beantworten. Diese wissenschaftliche und gesellschaftliche Creme waren Prof. Jeremy Adler, King’s College, London, Prof. Nicholas Boyle, Cambridge University, Prof. Dr. Wolfgang Bunzel, Freies Deutsches Hochstift, Prof. Dr. Edoardo Costadura, Universität Jena, Prof. Luigi Reitani, Direktor des Istituto Italiano di Cultura, Berlin
Moderation: Prof. Dr. Anne Bohnenkamp
Wir nehmen uns wirklich vor, über diese hochkarätigen Ausstellungen noch mehr zu berichten.
Foto:
Der heilige Rochus, dessen Altarbild in der Rochuskapelle bei Bingen Goethe so faszinierte, hier: Louise Seidler - Sankt Rochus - 1816 (c) Veranstalter
Info:
http://www.goethehaus-frankfurt.de/ausstellungen_veranstaltungen/prospekt-veranstaltungen-2016.pdf
http://www.goethe-festwoche.de/intro/