Jüdisches Filmfest Frankfurt 2016 vom 4.9. – 11.9.2016, Teil 7
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nun aber zum Film DAS KONZERT. Ein wunderbarer Beginn, der den Zuschauer so was von hinters Licht führt. Wir hören – es muß einfach Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 gewesen sein – das Orchester des Bolschoi-Theaters und sehen den noch unbekannten Dirigenten, wie er hingebungsvoll dirigiert, den Musikern etwas zuflüstert, auf jeden Fall aufmerksam jedem Einsatz nachlauscht und alle einzelnen Instrumente harmonisch zusammenbringt.
Es ist der einst weltberühmte Leiter dieses Orchesters Andrej Filipow (Alexej Guskow) – allerdings dirigiert er jetzt vom Rang aus, den allerdings soll er putzen wie überhaupt das ganze Haus. Denn er wurde 1980 zum Putzmann degradiert, weil er sich 1980 der Order von oben widersetzte, alle Juden aus dem Orchester herauszuwerfen. Das 'judenfreie' Orchester hat jetzt einen anderen Dirigenten.
Wir lernen Andrejs taffe Frau (Anna Kemenkova) kennen, die beide durchs Leben bringt und die mit wirtschaftlichem Witz und Enschlossenheit den für Andrej sehr langweilige gewordenen Alltag meistert, in dem die Musik meist nur im Kopf spielt. Zufällig jedoch ist Andrej gerade im Büro des neuen Chefs im Bolschoi putzend, als ein Fax eintrifft, in dem der Absender: Chatelet ihn sofort interessiert, denn es ist die berühmte Pariser Bühne, das Théâtre du Châtelet, dessen Direktor Olivier Morne Duplessis er noch kennt. Der schreibt, daß ein angekündigtes amerikanisches Orchester ausfällt, weshalb er das Orchester des Bolschoi einlädt. Alles weitere mündlich, wenn er um 17 Uhr anruft.
Klar, daß dann, als dieser Anruf kommt, Andrej am Apparat ist. Außerdem hat er sofort seinen ehemaligen Cellisten Sascha (Dmitiri Nazarow) informiert, der Feuer und Flamme ist und längst angefangen hat, mit seinem Krankenwagen, mit dem er sonst die Kranken transportiert, in Moskau all ehemaligen Orchestermusiker, heute Möbelpacker, Verkäufer und Schwarzhändler, zusammenzuholen, denn die Linie ist klar: Die alte Truppe fährt nach Paris und wird dort das Auftreten im Chatelet mit einem ausgedehnten mehrtägigen Stadtbummel verbinden.
Das ist jetzt die dürre Nacherzählung eines derart bunten Treibens, daß es einem manchmal fast zu viel wird. Immer wieder hat dieser, in seiner Geschichte witzig und hintersinnig angelehnte Film, der ein buntes Völkchen von Künstlern präsentiert, dann mit diesem Füllhorn an Verschiedenheiten leider auch immer Stereotypen im Gepäck, will sagen, bedient eben auch Klischees, wie diejenigen, daß Russen immer Wodka saufen, Juden als erstes auf Gewinn und Geschäftemachen aus seien etc.
Hätte er auf dies verzichten können, wäre dem Regisseur Radu Mihăileanu ein makelloser Film gelungen. So bleibt es 'nur' ein sehr unterhaltsamer, die eigenen Emotionen immer wieder in die Augen treibender herrlicher Musikfilm, dem das immer wieder erfolgreiche Hochstaplermotiv die Würze gibt. Denn auf das Konzert in Paris ist der Film ausgerichtet und dieses wird dann auch zum krönenden Abschluß des Films. Außerordentlich, wie lange und intensiv wirklich Tschaikowskis Violinkonzert D-Dur op. 35 dann im Film gespielt wird. Alle Aufmerksamkeit ist auf den Dirigenten Filipow und seine Stargeigerin Anne-Marie Jacquet (sehr schön, verhalten und sehnsüchtig: Mélanie Laurent, hier im Bild) gerichtet.Nur wenn sie Tschaikowski spiele, werde er mit dem Bolschoi anreisen, hatte er dem verblüfften Impressario des Chatelet mitgeteilt und sie hatte sich schon immer zu diesem Konzert, auch zu russischer Musik hingezogen.
Daß es dafür Gründe gibt und dem ganzen lustigen Spektakel eine menschliche Tragödie zugrundeliegt, die nun ein einer Komödie enden kann, das ist der Subtext des Films. Der eine Teil der Tragödie ist, daß es just dieses Stück war, das Filipow dirigierte, als er von Parteiseite am Weiterspielen durch Zerbrechen des Taktstocks gehindert wurde. Der andere Teil ist privat, denn die damalige Violinistin war Lea, die nach Sibirien geschickt wurde und deren kleine Tochter im Geigenkasten nach Frankreich gerettet wurde, besagte Anne-Marie, die nun erst von ihrer Herkunft hört.
Der Film heimste viele Preise ein, den für Beste Filmmusik und Besten Ton beim César 2010, den Europäischen Filmpreis für das beste Drehbuch 2010 und eine Nominierung in der Kategorie Bester fremdsprachlicher Film bei den Golden Globe Awards 2011.
Nach einem fulminanten Beginn, einem lebhaften Vorstellungsreigen und diesem inniglichen Schluß darf man der Jüdischen Gemeinde Frankfurt zum Jüdischen Filmfest 2016 gratulieren und sich schon heute auf das Jüdische Filmfest 2018 freuen.
Info:
Mehrere der gezeigten Filme liegen nur in der Originalfassung mit deutschen oder englischen Untertiteln vor. Alle Daten unter www. siehe unten.
Die Eröffnung am Sonntag, 4. September findet im Deutschen Filmmuseum statt und wird von dem Trio „Jazzinette“ musikalisch begleitet.
Weitere Aufführungsorte sind die Kinos Mal Seh‘n, Orfeos Erben, und das Pop up Boat des Jüdischen Museums. Mit dem Abschlußfilm „DAS KONZERT“, der im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum vorgeführt wird, und musikalisch von Mitgliedern des Orchesters „Classic Players“ unter der Leitung von Dmitri Ashkenazi umrahmt wird, endet das Jüdische Filmfest am 11.09.2016.
www.juedischesfilmfestfrankfurt2016.de