Jüdisches Filmfest Frankfurt 2016 vom 4.9. – 11.9.2016, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach der ausführlichen Vorstellung des ersten Jüdischen Filmfests Frankfurt, das also im jährlichen Wechsel mit den Jüdischen Kulturwochen jedes zweite Jahr stattfinden wird und nach dem sehr ausführlich besprochenen Beginn ein kurzer Abriß, was innerhalb der Woche los war und ist.
OMA & BELLA brachte zwei jüdischen Frauen aus Berlin-Charlottenburg. Eigentlich ist es ein Dokumentarfilm und bleibt auch formal einer. Aber die beiden sind in ihren Ausführungen so ausladend, so persönlich, so intensiv und auch oft so komisch, daß man immer wieder an einen Spielfilm denken muß. Es ist die Geschichte der Freundschaft beider, die beide aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts stammen – also sehr sehr viel erlebt haben und überhaupt überlebt haben.
Wir sind dabei beim Hühnersuppekochen und was da alles an Zutaten hineinmuß, wird gewürzt mit der Prise Überlebenshumor, ohne den die beiden buchstäblich nicht überlebt hätten. Die eine stammt aus Vilnius, das Wilna Litauens, die andere aus Katowice, auf Deutsch Kattowitz, einst Hauptstadt Schlesiens, heute Polen. Natürlich spielen Ghetto und Lager eine große Rolle, aber auch die Männer und der Krieg. Der Film ist eine Hommage an jüdische Großmütter und ihre Küche.
ATOMIC FALAFEL haben wir schon beim Anlaufen des Films ausführlich besprochen. Der Film wird auch beim erneuten Anschauen nicht besser. Und das tut einem in der Seele weh. Denn eigentlich ist die Geschichte wunderschön und gerade für Frauen motivierend. Vor allem diese Mimi ist ein Vorbild für Durchsetzungselan und Witz, wenn sie mit ihrem Falafel-Truck mitten im Manövergebiet den armen ausgehungerten, ach was, einfach 08/15 verpflegten Soldaten diese kleinen feinen Dinger aus Kichererbsen und den nötigen Gewürzen anbietet, wobei die superscharfe Soße der eigentlich Kick ist.
Was sie – und der Zuschauer lange mit ihnen – nicht wissen, das sind die unterirdischen Verliese, die alle für den Atomkrieg schon angelegt wurden und in denen derzeit, während es oben um die heiße Soße geht – die heiße Weltpolitik in Nahost verhandelt wird. Es ist nämlich der ganze hochrangige Militärtroß der Israelis da unten versteckt, weil das Anlaufen des Atomprogramms des Iran befürchtet wird.
Davor hat die EU- Kommission, die Näheres von beiden Parteien wissen will, keine Angst und der Deutsche unter ihnen, den Alexander Fehling darstellt, der wirft nebenbei ein Auge auf...auch was, mehr als ein Auge wird auf ihn geworfen und mehr verraten wir jetzt nicht über diese leider zu überdrehte Komödie.
Den Dienstag- und Mittwochfilm kennen wir leider nicht und haben nur gehört, wie gut beide Filme gefallen haben.Die beiden Donnerstagfilme im Filmmuseum, zum einen SIMON SAGT AUF WIEDERSEHEN ZU SEINER VORHAUT (echt starker Titel und aus Deutschland) und MITA TOVA – AM ENDE EIN FEST sind beides Komödien, wobei einem das bei Letzterem fast im Halse stecken bleibt. Dieser Film aus Israel ist für mich einer der gelungensten und bewegendsten Filme, die ich kenne. Wie das so ist, daß man lauthals lacht, wo einem das Lachen sofort im Halse stecken bleibt.
Aber dies, daß es also um Alles geht, um das Leben selbst, wird so erfolgreich von kleinen feinen filmischen Petit Fours ausgehebelt, daß auch nach mehrmaligen Schauen dieser Film einfach wirkt. Wirt nämlich zu einer Gelassenheit dem eigenen Tod gegenüber, um den, nämlich daß er irgendwann jeden von uns ereilt, es hier geht. Allein der Beginn, wenn Gott Vater am Telefon einer lebensmüden, aber noch nicht Siechen mitteilt, sie müsse auf Erden noch ein wenig durchhalten, mit tiefer Stimme, eben wie man sich Gott Vatersstimme vorstellt, sehen wir im Schnitt mit der Hörenden ihren Nachbarn, der sich am Telefon als Gott verstellt, was ihm ausnehmend gut gelingt. Das aber ist nur ein kleiner Scherz am Anfang, die dollen Brocken kommen später…
Am Samstag lief dann auf dem gegenwärtigen Pop Up Boat des jüdischen Museums – das Haupthaus ist geschlossen, weil angebaut wird; manchmal führt so etwas auch zu guten neuen Ideen - , also einem Vergnügungsboot auf dem Main am Eisernen Steg die Kurzfilmnacht, wo Filme zwischen fünf und vierzig Minuten die Bandbreite von Kurzfilmen zeigte, die es ja in unseren Kinos schwer haben, die auf genormte Längen aus sind. Aber solche Filme zeigen, daß die Länge eben auch ein Ausweis von Qualität sein kann. Manches muß man kürzer sagen, manches ganz kurz.
DER ÜBERSETZER am Sonntag im Mal Seh'n, ein Dokumentarfilm über Juri Elperin und seine Übersetzungen ins Deutsche, war einfach nicht mehr drinnen, denn die Vorbereitung auf den Abend und den Abschluß mit DAS KONZERT brauchte Zeit. Fortsetzung folgt.
Foto: Aus dem Film AM ENDE EIN FEST
Info:
Mehrere der gezeigten Filme liegen nur in der Originalfassung mit deutschen oder englischen Untertiteln vor. Alle Daten unter www. siehe unten.
Die Eröffnung am Sonntag, 4. September findet im Deutschen Filmmuseum statt und wird von dem Trio „Jazzinette“ musikalisch begleitet.
Weitere Aufführungsorte sind die Kinos Mal Seh‘n, Orfeos Erben, und das Pop up Boat des Jüdischen Museums. Mit dem Abschlußfilm „DAS KONZERT“, der im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum vorgeführt wird, und musikalisch von Mitgliedern des Orchesters „Classic Players“ unter der Leitung von Dmitri Ashkenazi umrahmt wird, endet das Jüdische Filmfest am 11.09.2016.
www.juedischesfilmfestfrankfurt2016.de
Bisherige Besprechungen im Weltexpresso:
http://weltexpresso.de/index.php/kino/5609-am-ende-ein-fest
http://weltexpresso.de/index.php/kino/7568-atomic-falafel