Eine sehenswerte Ausstellung im Kunstverein Fuld. Kunstherbst in Ost-Hessen (Teil 6)
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - In der Galerie des Kunstvereins drängten sich auf engstem Raum viele Besucher, als die Textilkünstlerin Anne Härtel-Geise zu den fröhlichen Klängen der „Buchonia Klezmer Gang“ ihre Einzelausstellung eröffnete.
„Du armes Schwein, Du!“ In der diesjährigen Jahresschau „Geteilt“ des Kunstvereins Fulda zeigte Härtel-Geise neulich eine lebensgroße, zweigeteilte Sau aus Stoff. Das groteske, kontrovers diskutierte Objekt der Vegetarierin im Vonderau-Museum wurde, erstaunlicherweise, von den Besuchern mit klarer Mehrheit zum Publikumsliebling gewählt. Nun präsentiert die Fuldaerin freie Installationen, Stoffcollagen sowie gestickte Textilkompositionen. Damit zeigt sie die große Spannweite ihres Schaffens in den letzten drei Jahren.
Am Eingang hängt ein selbstironisch wirkendes, maschinengesticktes Porträt der Künstlerin, in der Nähe schweben vor „Blauen Strömen“ gefilzte „Steine.“ Neben dem Büffet an der Treppe schwebt geisterhaft ein erotisches, ausgefranstes weibliches Wesen. Im ersten Stock bringen gestickte Tiergedichte von Heinz Erhardt, mit genähten Abbildungen der Kreaturen, die Besucher zum Lachen: „Es war einmal ein buntes Ding / ein sogenannter Schmetterling / der war wie alle Falter / recht sorglos für sein Alter...“ Kunst kann sehr humorvoll sein, beweist Härtel-Geise mit diesen Arbeiten.
Doch ebenso eindrucksvoll sind die ein- oder umgefärbten Textilbilder oder Kompositionen aus Stoffstücken (Quilts). Oft koloriert und bedruckt die Künstlerin die Stoffe, dann umnäht sie Farbfelder, die nun, manchmal sogar reliefartig, wie merkwürdige Landschaften, skurrile Figuren oder rätselhaft abstrakt wirken. Yvonne Pfeiffer, selbst Textilkünstlerin aus Limburg, machte in ihrer Laudatio darauf aufmerksam, dass sich Härtel-Geise mit den Strukturen und Farben der Natur auseinandersetze, diese in ihre Arbeiten transformiere und dadurch künstlerische Räume, also eigene Realitäten, schaffe. „Lassen sie sich in die Bilder hineinziehen, vergessen sie die Umgebung“, empfahl die Laudatorin.
Eines der aufregendsten Werke der Schau sind 24 streng angeordnete textile Tableaus (á 15 x 32 cm), in denen Härtel-Geise die Vielfalt der kreativen Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Kunst erkundet. Einfach nur berührend schön ist ein handbreiter, regenbogenartiger Farbenfluss aus Chiffonstreifen, von kaltem Gelb über feuriges Rot bis zu sattem Grün, der fünf Meter weit in den Raum hineinströmt.
Textile Gestaltung galt in der Kunstszene lange Zeit als handwerkliches „Gedöns“, sie hat sich als erstes in den USA durchgesetzt, wo sie auch entstand. Die Siedlerfrauen nähten bei der Eroberung des „Wilden Westens“ Decken aus Stoffresten und Lumpen, die sie irgendwann mit Mustern und Stickereien versahen. Später schufen sie Trauer- und Kriegs-Quilts, färbten oder bedruckten dafür auch Stoffe und legten so die Grundlagen für die künstlerische Arbeit mit Textilien. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichteten Härtel-Geise und Pfeiffer, die textile Gestaltung erfordere, wie in anderen Bereichen der Bildenden Kunst, viele Entwürfe und genaue Planungen vor der Umsetzung. Zahlreiche ausgebildete Malerinnen oder Grafikerinnen hätten sich auch der Textilkunst zugewandt.
Die großartige Ausstellung der Fuldaer Künstlerin präsentiert nicht nur den großen Umfang ihrer eigenen Kreativität, sondern zeigt zugleich auch generell die vielfältigen Möglichkeiten der künstlerischen textilen Gestaltung.
Foto: Maschinengesticktes Selbstporträt der Künstlerin (c) Hanswerner Kruse
Info:
„Textile Strukturen“, Ausstellung im Kunstverein Fulda, Kanalstraße 52 (Hinterhof) noch bis zum 4. Dezember 2016. Geöffnet Fr. / So. von 15 - 18 Uhr, Sa. von 10- 15 Uhr