Hans Albers Wiederauferstehung auf dem KulturWerk-Festival in Schlüchtern


Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Warum die KulturWerker als erste theatralische Darbietung ihres Festivals eine Hans-Albers-Revue präsentierten, war vielen Freunden der Künstlervereinigung unverständlich. Doch statt eines nostalgischen Seniorenabends erlebte das Publikum eine fantastische Zeitreise in die Kulturgeschichte.


Die Tour begann mit einem Bericht der Moderatorin Ronka Nickel: Vor zwanzig Jahren wurde auf einem Hamburger Friedhof die tonnenschwere Platte vom Grab Hans Albers (1891 - 1960) gestohlen und auf den nach ihm genannten, sehr vergammelten Platz in St. Pauli geworfen. Eine „Bekennergruppe“ meldete sich zu Wort, der einstige Star habe so einen Umgang mit ihm nicht verdient.


Dann erschien Hans Schwab als Hans Albers auf der Bühne und sang, wie einst der Meister selbst, mit sonorer, leicht vernuschelter, dann wieder schneidiger Stimme: „Hoppla, jetzt komm ich / Straße frei für mich!“ Die Moderatorin erzählte zahlreiche Anekdoten aus dem Leben des Künstlers, berichtete von seinen Affären, las aus alten Briefen und Kritiken („Warum mutet man uns so etwas auf der Bühne zu?“), vertiefte oder filetierte Klischees. Zwischendurch tanzte und sang Schwab als Albers in diversen Verkleidungen ehemals bekannte Lieder: „Komm auf die Schaukel, Luise“ oder „La Paloma“, seine Helferin begleitete ihn oft auf Instrumenten oder sang mit ihm im Duett.


Anfang der 1920er-Jahre war „Hanne“, wie er sich nannte, wenig erfolgreich. Der „Blonde Hans“ mickerte in Operetten und miesen Komödien herum, auch die schwarz-weißen Stummfilme waren nichts für ihn. Seine strahlend blauen Augen wirkten nur wie helle Löcher in seinem Gesicht. Zum Star wurde er erst, als aus den USA die Revuen nach Europa kamen - das war ein Genre, das ihm lag. Albers musste sich auf der Bühne nicht verbiegen oder bildungsbürgerlich geben. In Farbfilmen oder Theaterstücken spielte er bekannte Schauspieler glatt an die Wand. Die Frauen liebten seine, wie man heute sagen würde, prollige Art, und lagen ihm kreischend zu Füßen: „Hysterie war keine Erfindung der Beatles“, meinte die Moderatorin.


Der nun erfolgreiche Albers mochte die Nazis nicht, trat nie in die Partei ein und lebte bis 1938 mit seiner jüdischen Geliebten Hansi zusammen, die dann emigrierte. „Wenn alle Deutschen so gewesen wären wie er, hätte es Hitler nicht gegeben“, meinte Ronka Nickel nach der Vorstellung. Im Laufe des Abends wurde in Szenen und Rückblenden deutlich, welch eigensinniger, kraftvoller und charmanter Mann Albers gewesen war. Schwab spielte ihn äußerst saftig und mit großer Präsenz. Das mal derbe, mal sensible Zusammenspiel mit Nickel gelang großartig, die beiden warfen sich die Bälle zu oder stritten arg miteinander. Der Spannungsbogen des unterhaltsamen und intelligenten Stücks war enorm.


Heute ist Albers zu Unrecht in Vergessenheit geraten. „Hätte er Englisch gekonnt, hätte er in den USA neben John  Wayne oder Gregory Peck bestehen können“, meinte Schwab im anschließenden Gespräch mit Besuchern: „Dann wäre er heute so bekannt wie Marlene Dietrich.“
Am Ende war klar, warum Hans Albers nach Schlüchtern kam: Die beiden Theaterleute aus Ortenberg hatten eine immense Recherchearbeit geleistet und zu einem Stück Kulturgeschichte verdichtet, das sie nun auch bei den Kollegen im KulturWerk zeigten. Die KulturWerker wollen ja nicht beliebige Events managen, sondern sich selbst mit eigenen Produktionen zeigen oder Kollegen dazu die Möglichkeit bieten. Mit dem tags darauf stattfinden Konzert Ulla Meineckes war das schon anders.

Foto: (c) Hanswerner Kruse