Sahra Wagenknecht stellte ihr Buch ‚Reichtum ohne Gier‘ in bewegter Zeit in Frankfurt vor, Teil 2


Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dieser Mittwoch nach den US-Wahlen ist einfach ein besonderer Tag. Das gilt auch für Sahra Wagenknecht, die wohl ununterbrochen zum Interview gebeten wurde. Auf jeden Fall kam es zu Anfragen in der Redaktion, ob den die von uns angekündigte Lesung bei Hugendubel stattfinden werde. Wir antworteten, unseres Wissens ja. Aber mehr wüßten wir nicht. Halt Rücksprache halten.


Damit meinten wir natürlich: Rücksprache mit dem Veranstalter. Das ist das Buchkaufhaus im Steinweg, Hugendubel, übrigens der Ort, des früher legendären Kinos METRO IM SCHWAN (1920-1989). Aber die Bedauernswerten, die bei der Linkspartei nachfragten, die hatten das dann davon. Da hieß es nämlich, die Lesung fiele aus. Aber das war vielleicht sogar gut, denn die aufgerundet 300 Besucher, die gekommen waren, die Linkspolitikerin original zu sehen und zu hören, ließen den 1. Stock schon so aus allen Nähten platzen.

Geduldiges Warten war der Anfang. Zeit, sich die Gekommenen zu betrachten. Wie immer bei Lesungen, jetzt also auch bei politischer Literatur, mehr Frauen als Männer. Alle Altersschichten, das fiel sofort auf, aber eben auch, daß es eine bunte Mischung schien. Zwei unterhielten sich, daß sie sich erinnert fühlten an den 7.Mai 1974. ??? Das klärte sich schnell  beim Weiterreden. Damals trat Willy Brandt als Bundeskanzler zurück und sein Stellvertreter als SPD Vorsitzender blieb erst einmal in Bonn, obwohl er am Abend einen Vortrag im Palmengarten halten sollte. Aha, Oskar Lafontaine – und hier liegt der Zusammenhang mit der Erinnerung der Zwei. Auch wenn sie nicht direkt auf ihren Ehemann Oskar Lafontaine zu sprechen kommt, vom Saarland als ihrem Wohnsitz spricht Sahra Wagenknecht schon. Und anders als damals Lafontaine, der nach über drei Stunden Warten dann noch um Mitternacht eine umjubelte Rede hielt, dauert es bei Hugendubel nicht mehr lange und die Angekündigte erschien, rotes Kostüm schwarze Stiefel – und wollte sich gleich erst einmal  auf den freien Platz in die erste Reihe setzen. Bescheiden.

Aber nein, ihr Platz war auf dem Podium, wohin sie Moderator Matthias Arning sofort geleitete
– er ist in Frankfurt schon deshalb bekannt, weil er als Redakteur der Frankfurter Rundschau damals zum Grundsatzreferenten und Pressesprecher der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) gewechselt war. Er stellte sie vor mit den Vokabeln, die auch ihrem Buch vorgeschaltet sind: promovierte Volkswirtin, Pbulizistin und Politikerin , seit Oktober 2015 Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Von 2010 – 2014 war sie Stellvertretende Parteivorsitzende, von 2004 bis 2009 Abgeordnete im Europäischen Parlament.

Arning versprach einen spannenden Abend, was eintrat. Klar, daß die Nachfrage erst einmal dem Wahlergebnis in den USA galt, deren Ergebnis für sie nicht überraschend war und das sie analog mit dem Votum zum Brexit sieht. Wieder einmal hätten sich die Verlierer der Globalisierung, die abgehängte Arbeiterschaft, nach rechts orientiert und nicht nach links. Die Wähler gehen den Rechten auf den Leim und geben ein Votum gegen die Eliten ab. Seltsam, ging mir durch den Kopf, daß niemand die Bert Brecht zugesprochene Weisheit für den gewählten Trump  aus der Mottenkiste der DDR holt: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber. Denn nichts paßt wohl so gut auf diese Situation der amerikanischen Wählerschaft.

Wagenknecht kam dann direkt auf die AfD und ihre Wähler zu sprechen. Man dürfe nicht den Fehler machen und die Wähler beschimpfen. Das Beispiel USA zeigt sehr gut, daß es sich auszahlt gegen das 'Establishment' zu wettern, selbst wenn man selbst dazugehört. Was  man nicht antworten dürfe, wäre dann ein „weiter so“ und vor allem dürfe man nicht die alte Politik weiterbetreiben. Die Gefahr liegt im Zerbrechen der Gesellschaft, was eine gute Überleitung zum Buch von Sahra Wagenknecht ist, dessen Titel REICHTUM OHNE GIER ja den Untertitel WIE WIR UNS VOR DEM KAPITALISMUS RETTEN hat.

Dieses Buch ist schon im Frühjahr herausgekommen, aber erst mit einer Lesung gewinnt es für die Leser diese zusätzliche Dimension. Das konnte man am Schluß an der unglaublich langen Schlange derer sehen, die ihr Buch signiert haben wollten. Sehr viele brachten die längst gekauften Bücher mit. Aber direkt nach der Lesung wurden 68 Exemplare gekauft! Das ist unglaublich viel, denn bei der regelmäßig ausverkauften Abschlußlesung der letzten Sechs beim Deutschen Buchpreis im Literaturhaus Frankfurt ist man schon mit 15-20 Exemplaren Spitzenreiter. Vor allem aber spricht diese Lesung für das Buch. Denn wer es schon besitzt und trotzdem kommt, der findet den Inhalt gut und möchte mehr wissen. Und wer das Buch noch nicht besaß und nach der Lesung in solcher Größenordnung zuschlägt, der sagt damit: diese Lesung hat Appetit auf mehr gemacht. Jetzt möchte auch ich das genauer wissen. Das Buch muß her!

Foto: © Annike Bald, Hugendubel

Info:
Sahra Wagenknecht, Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten Campus Verlag
Auch als Hörbuch und E-book


Weltexpresso über die Veranstaltung und das Buch

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