Zum Weggang der erfolgreichen Leiterin des MMK in Frankfurt an die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Claudia Schulmerich
Düsseldorf/Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Mutig muß man es nicht nennen, wenn die rührige und aufrechte Susanne Gaensheimer, die 2009 aus München an den Main kam, nun nach Düsseldorf weiterzieht. Mutig war es, das Museum Moderner Kunst (MMK) nach der kurzen Ägide von Udo Kittelmann und der langen von Jean-Christophe Ammann zu übernehmen. Das hat Susanne Gaensheimer bravourös gemeistert und das Loch, das ihr Weggang reißt, gilt es zu stopfen.
Aber auch da weiß man aus Erfahrungen, daß neue Besen meist gut kehren. Die Kulturdezernentin, die über den Weggang von Susanne Gaensheimer, der heute in Düsseldorf offiziell wurde, frühzeitig informiert war, hat nun die Aufgabe, jemanden, der sicher ganz anders ist, aber die Belange des Museums in der Frankfurter Museumslandschaft und der nationalen Museen Moderner Kunst hervorragend vertritt, auszusuchen und für die Arbeit am MMK zu interessieren. Wie heißt es so schön, das Haus ist wohlbestellt.
Das galt auch für das Städel, das Liebieghaus und die Schirn, als im letzten Sommer der langjährige und überaus erfolgreiche Leiter Max Hollein nach Kalifornien ging. Daß nun gleich zwei der Fixsterne Frankfurter Museen entschwunden sind, kann eigentlich nur dazu führen, daß man sich der Bedeutung der Kunststadt Frankfurt erst recht bewußt wird. Ohne die hiesige Bewährungsprobe wären die jeweiligen Leiter nicht eine Stufe hochgefallen. Denn darum geht es. Es mag sein, daß nicht alle wissen, welche hochkarätige Kunstsammlung die des Landes Nordrhein-Westfalen beinhaltet. Und daß es dort viel zu tun gibt, ersieht man schon daraus, daß unsereins früher regelmäßig zu aufregenden Ausstellungen nach Düsseldorf fuhr, was sich in den letzten Jahren auf Null eingepegelt hatte. Museen leben aber von der Lebendigkeit des Kunstbestriebs, auf Ausstellungen also, die auf den Bestand zurückgreifen, diesen aber in je neuem Kontext präsentieren. Eine schöne Aufgabe für Frau Gaensheimer.
Das Frankfurter MMK wurde 1981 gegründet. Es waren der Kunst-und Architekturtheoretiker Heinrich Klotz und der Theater- und Kunstkritiker Peter Iden (Frankfurter Rundschau), die maßgeblich auf ein solches Museum drängten, was auch mit der Sammlung Ströher zu tun hat. Der Darmstädter Industrielle Karl Ströher hatte sich mit der Stadt Darmstadt überworfen und die Stadt Frankfurt erwarb 1980/81 84 Wekre seiner Sammlung, die den Grundstock für das neue Museum bildeten, nicht von der Zahl her, aber von der Beduetung der Künstler, weil sich unter ihnen internationale Sterne moderner Kunst wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg und James Rosenquist und Werke von Künstlern der Minimal Art wie Carl Andre, Dan Flavin, Walter De Maria, Frank Stella und anderen befanden, die sich die Stadt Frankfurt vom Ankauf her nie hätte leisten können. Außerdem kamen wichtige Werke von europäischen Künstlern wie Reiner Ruthenbeck, Gerhard Richter, Francis Bacon und anderen hinzu. Peter Iden hatten diese Sammlung noch einmal auf die 1970er und 1980er Jahre erweitert, aber als Person in der Stadt Frankfurt keine Fortune erhalten.
Die erreichte dann der im Umgang mit Öffentlichkeit und auch der Presse geniale Schweizer Kunsthistoriker Jean-Chrstophe Ammann, der von der Kunsthalle Basel als Direktor 1991 ans nun offiziell eröffnete Museum Moderner Kunst (MMK) kam, das schon deshalb in aller Munde war, weil der Wiener Architekt Hans Hollein mit dem TORTENSTÜCK genannten Haus eine sehr spitze Ecke zwischen Braubachstraße und Berliner Straße bebaute. Die herausragende Wirkung der Arbeit des neuen Direktors eines neuen Museums bestand damals darin, daß er durch regelmäßige Neuaufstellungen und Ausstellungen das Museum zu einem Ort machte, wo die Kunst ständig miteinander diskutierte. Szenenwechsel nannte er seine Art der Ausstellungsfolgen, die nicht nur vom Frankfurter Publikum goutiert wurden, sondern sehr viele Besucher aus dem In- und Ausland anzogen. Viele Künstler, die heute weltbekannt sind, hatten hier zum ersten Mal ausgestellt.
Auf ihn folgte 2002 Udo Kittelmann, übrigens ein Düsseldorfer, der damals vom Kölnischen Kunstverein kam und 2008 nach Berlin als Direktor der Nationalgalerie Berlin weiterzog. Und dann acht Jahre Susanne Gaensheimer, die bis zum 31. August Direktorin bleibt, so daß genug Zeit ist, sich nach einer neuen Leitung umzutun. Ein ganz normaler Vorgang und kein Hinweis darauf, daß die Kunststadt Frankfurt nichts mehr zu melden hätte.
Ihre Dankbarkeit für die Arbeit in Frankfurt begründete Ina Hartwig gleich mehrfach: "Gaensheimer hat als Direktorin des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt dem Ausstellungshaus eine interessante, prägende Handschrift verliehen. Ihren Weggang bedauere ich sehr. Als Susanne Gaensheimer mich vor einigen Wochen über ihre Pläne informierte, habe ich gleichwohl mit Verständnis reagiert. Der Wechsel an ein Landesmuseum ist zweifellos eine attraktive Perspektive. Im Übrigen ist ein Wechsel nach acht Jahren in unserer Museumslandschaft ein normaler Vorgang, und die Berufung als Leiterin der Kunstsammlung NRW dürfen wir auch als Kompliment für Frankfurt verstehen.
Das MMK kann in den letzten Jahren auf große Erfolge zurückblicken und gehört zu den weltweit bedeutendsten Museen der Gegenwartskunst, das ist insbesondere der Verdienst von Susanne Gaensheimer. Die Ausstellungen stehen meist in einem globalen Kontext und die Fragestellungen zeigen ein erkennbar politisches Interesse. Auf eindrucksvolle Weise wurde ein grenzüberschreitender Ansatz in der Ausstellung ‚Kader Attia. Sacrifice and Harmony‘ im letzten Jahr vollzogen. Ein weiter Höhepunkt im Ausstellungskalender war die Ausstellung ‚The Fact of Matter‘ des international gefeierten Choreografen und Tänzers William Forsythe.
Eine Ausstellung 2011 auf dem Degussa-Gelände zeigte, was bisher im Depot verbannt war und führte dank der kreativen Beharrlichkeit Gaensheimers zu einer neuen Dependance: Mit dem MMK 2 zog zum ersten Mal in Deutschland ein Museum in ein Hochhaus. Die Leiterin hatte neben der Politik auch den Investor und wichtige Mäzene von der Erweiterung des MMK überzeugt. Die Verbindung von städtischem Engagement und Bürgergesellschaft spielt in der Kulturförderung eine große Rolle und hat in Bezug auf das MMK in der Ära Gaensheimer eine neue Dimension erfahren. Die breite Unterstützung spiegelt sich in der großen Publikumsresonanz.
Auch der Deutsche Pavillon auf der Biennale in Venedig verdankte seine anspruchsvolle Präsentation seiner Kuratorin Susanne Gaensheimer. Ihren transnationalen Ansatz begann sie bereits 2011 in der Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief und setzte ihn in der Repräsentation des Länderpavillons 2013 fort. Der Pavillon 2011 erhielt den Goldenen Löwen, die höchste Auszeichnung der Biennale.
Frankfurt hat Susanne Gaensheimer viel zu verdanken. Ich wünsche ihr für ihre Zukunft alles Gute und weiterhin große Erfolge für ihr künstlerisches Schaffen. Gaensheimer wird ihren Verpflichtungen noch bis Ende August nachkommen.“
Foto: Susanne Gaensheimer(c) mmk-frankfurt.de