zu wachsender Ungleichheit und Kapitalkriminalität als Folgen neoliberaler Deregulierung

Peter Menne

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Über den Zusammenhang von wachsender Ungleichheit und Kapitalkriminalität wurde auf der diesjährigen Fachtagung von Business Crime Control in Frankfurt am Main diskutiert.

Drei kompetente Referenten beleuchteten verschiedene Aspekte des Themas. Dr. Markus Grabka vom Deutschen Institut für  Wirtschaftsforschung (DIW) stellte empirisch exakte Daten zum Auseinanderdriften sowohl von Einkommen wie auch von Vermögen in der Bundesrepublik vor. Wie Cum-/Ex-Geschäfte funktionieren und der Staat dabei um Milliarden geprellt wurde, erläuterte Dr. Benedict Ugarte Chacón, Referent der Fraktion Die Linke im Bundestags-Untersuchungsausschuss zu diesem Skandal. Der investigative Journalist Mathew D. Rose beschrieb die rückläufige Vielfalt in den veröffentlichten Meinungen und setzte das in Bezug zur Konzentration bei den Medien.

Das verbindende Element zwischen beiden Phänomenen – Ungleichheit und Kapitalkriminalität – verortet Business Crime Control im neoliberalen Denken: Anders als dem vorgängigen Keynesianismus ist dem Neoliberalismus jede Regulierung eine Regulierung zuviel: der „Markt“ werde es schon richten… Damit befördere der Neoliberalismus eine Glücksritter-Mentalität, lasse das Unrechtsbewußtsein sinken.

Wie stark die Spreizung bei den Einkommen voranschreitet, zeigte Dr. Markus Grabka mit umfangreichem statistischen Material. Es lieferte auch die Datengrundlagen für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Grabka betonte, wie unvollständig die Daten bei Hochvermögenden sind: in der Stichprobe gebe es nur eine Person mit einem Vermögen von 50 Millionen Euro. Aber die privaten Vermögen reichten z.B. bei BMW-Hauptaktionärin Susanne Klatten bis zu 15 Milliarden. Über die Top-Vermögen ist wenig bekannt. Die erfassten  obersten 1 Prozent haben ein durchschnittliches Vermögen von 817 000 Euro. Die unteren 50 Prozent der Bevölkerung haben einen Anteil am Gesamtvermögen von 0,4 Prozent. Beim untersten Zentil sind es -1,4 Prozent, d.h. sie haben nur Schulden. Das ist eine auch im internationalen Vergleich hohe Spreizung.

Mit welchen legalen Mitteln große Vermögen noch größer werden können, erläuterter Grabka am Beispiel einer Vorschalt-GmbH für den Immobilienbesitz. Wie eine illegale Methode funktioniert, stellte nach der Mittagspause Dr. Benedict Ugarte Chacón dar. Wenn man sich hineinarbeitet, erscheint die Funktionsweise der Cum- / Ex-Geschäfte simpel – doch besteht so manche Hürde, bis man eingearbeitet ist. Insofern konnten manche Teilnehmer der Tagung nachempfinden, warum nicht jeder Finanzbeamte das Dickicht dieser dunklen Geschäfte durchleuchtet. Rund tausend Seiten werde der Bericht des Untersuchungsausschusses umfassen – die danach kaum jemand lesen werde. Seit 2013 ist die Praxis unterbunden, von der sich auch Geschäftemacher wie Carsten Maschmeyer sicheren Profit erhofft hatten: 12 Prozent Rendite habe ihm seine Bank versprochen – worauf er mit Freunden gemeinsam 40 Millionen mobilisiert habe. Weil das Tricksen doch nicht so lief wie gewünscht, verklagte er das Bankhaus Sarasin auf Schadensersatz.

Warum erscheinen so kostenträchtige Verbrechen so selten in den Medien? Damit befaßte sich Mathew D. Rose. Der investigative Journaliste zog eine Linie von vorzugsweise veröffentlichten Mainstream-Meinungen zur Konzentration in der Druck- und Medienbranche. Die früher größere Zahl von Zeitungen ermöglichte auch eine größere Vielfalt bei Themen und Kommentaren. Doch heute sind es nur sehr wenige Häuser, die Zeitungen / Zeitschriften herausgeben oder Radio- / Fernsehprogramme senden. Rose zog daraus den Schluß, dass es auch alternativer Medien und Informations-Plattformen bedürfe.

Abschließend diskutierten Benedict Ugarte Chacón und Mathew D. Rose mit dem Publikum, moderiert von Herbert Stelz, der – nicht unwidersprochen – eine Lanze für die öffentlich-rechtlichen Medien in der Bundesrepublik brach. Die Beteiligung war rege und das Publikum dankte für die Expertise, die dafür entschädigte, am sonnig-warmen Frühlingssamstag nicht draußen zu sein.

 

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Info:

www.businesscrimecontrol.org