DIE PÄPSTE und die Einheit der lateinischen Welt in Mannheim bis 31. Oktober, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Idee ist geradezu genial. Und dann sogar schon 2011. Respekt! Die Überlegung in Mannheim war schlicht, daß doch im Jahr 2017 die fünfhundert Jahre Reformation so vieles Lutherisches bringen werde, daß man sich dringend um die 1500 Jahre davor kümmern müsse, die ja erst Luther und die Folgen verständlich machen.

Heute wird diese Ausstellung mit Pomp, will sagen, mit hoher politischer Begleitung eröffnet. Die konkret seit 2012 vorbereitete Schau DIE PÄPSTE gehört zu den Ausstellungen, wo man mit einem einmaligen Besuch deutlich spürt, wieviel man von den Ausstellungsstücken über die Zusammenhänge der alten christlichen Welt sinnlich erfahren und lernen kann, so daß man eine Zeitlang jeden Tag vorbeischauen möchte. Das können wir nicht, aber mehr als einmal muß sein, weshalb unsere Serie auch dazu dient, das Thema bis Oktober immer wieder im Bewußtsein zu halten. Sinnigerweise fällt nämlich das Enddatum der Ausstellung mit dem 31. Oktober genau auf den Zeitpunkt, wo mit dem (angeblichen?) Türanschlag der Schloßkirche auch die Reformation begann, ein Tag, der im Jahr 2017 sogar für alle Bundesländer zum Feiertag erklärt wurde. Das ist doch eine unglaubliche Symbolik, von der aber in Mannheim kein Aufhebens gemacht wurde, weshalb wir das aber herausstellen wollen.

Die Ausstellung heißt DIE PÄPSTE und nicht zum Beispiel: Die katholische Kirche. So fängt es schon an, daß man sich überlegen muß, wie man das einzuordnen hat. Und dann wird von der 'lateinischen Welt' gesprochen. Aber das Christentum, das Urchristentum erst recht hat sich doch in der griechischen Welt von Konstantinopel und im heutigen Syrien entwickelt, von der hebräischen Welt um Jerusalem und Nazareth ganz zu schweigen. Man kommt ins Sinnieren und fragt sich sofort, was ist eigentlich mit den Orthodoxen Kirchen? Weshalb wird von der Reformation, die ja unendlich viele evangelische Kirchen hervorbrachte, und ihrer Abspaltung von der Katholischen Kirche so ein Aufhebens gemacht, wenn die griechisch-orthodoxe Kirche und die russisch-orthodoxe Kirche doch schon viel früher ein Eigenleben entwickelt hatten.

Da müssen wir sofort innehalten, weil wir sonst bis Oktober noch mit der Aufarbeitung der orthodoxen Kirchen beschäftigt wären, die inzwischen auf über 30 Splitterkirchen angeschwollen sind, die aber alle eine Gemeinsamkeit haben. Sie berufen sich theologisch alle auf das erste (325) und zweite Konzil (787) von Nicäa, haben eine gemeinsame Liturgie, aber unterschiedliche Sprachen. Zu diesen Ostkirchen gehören auch die orientalisch-orthodoxe und die assyrische Kirche. Erstere unterscheidet sich von den Orthodoxen, weil sie nur die Konzilien bis Ephesos (431) anerkennt, nicht das von Chalzedon (451). Zur orientalisch-orthodoxen Kirche gehören auch die Kopten, die nicht nur in einem Viertel Jerusalems zu Hause sind, sondern heute vor allem in Ägypten. Die assyrische Kirche des Ostens hingegen erkennt nur die beiden ersten Konzilien des Christentums an: das Erste Konzil von Nicäa (325) und das Erste Konzil von Konstantinopel (381).

Natürlich muß man jetzt wissen, welche Glaubenssätze auf den jeweiligen Konzilien zu den Spaltungen führten und das erste Konzil von Nicäa spielt auch in unserem Geschichtsunterricht eine große Rolle, weil es die Frage von Gottgleichheit oder Gottähnlichkeit mehrheitlich entschieden hatte und sich deshalb die Anhänger der letzteren Meinung als Arianer abspalteten. Arianer, das waren beispielsweise die Goten und die Gotenkriege... . Aber weiter wollen wir heute noch nicht gehen, sondern nur deutlich machen, daß das Christentum eine Kirchenspaltung nach der anderen hervorgebracht hatte und gefragt werden muß, warum die Thesenanschläge durch Martin Luther auf einmal eine so dauerhafte Dualität in der ehemals einigen römisch-katholischen, der lateinischen Kirche konstituierte.

Daß zum Oberbegriff der KATHOLISCHEN KIRCHE auch die altkatholischen Kirchen gehören, die ihrerseits untergliedert sind, muß hier nicht weiterverfolgt werden, wie auch nicht die ANGLIKANISCHE KIRCHE, oder innerhalb der EVANGELISCHEN KIRCHEN die Lutheraner, Reformierten und weitere rund 14 evangelische Kirchen und auch die Apostolische Kirche, das Mormonentum und was es nicht alles an Differenzierungen gibt.

Stattdessen kann man die These wagen, daß ohne Luthers Thesenanschlag und die von Luther erst einmal ungewollte Abspaltung der Evangelischen die römisch-katholische Kirche niemals die Einheit zuwege gebracht hätte, die mit DEN PÄPSTEN ihren sichtbaren Ausdruck findet. Noch deutlicher: Vor Luther gab es große Spannungen theologischer und machtpolitischer Art in der römischen Kirche mit Gegenpäpsten und Kirchenspaltungen. Nach Luther gab es nur noch die Gegenreformation, Reformprozesse und eine sich ständig stabilisierende Lage der Päpste in Rom, die erst nach Luther und in der vollaufgeblühten Renaissance zu den Oberhirten und prunkvollen Oberhäuptern der Katholiken wurden, die sie bis heute sind. Luther hat also gerade durch die Kritik und Abspaltung die Katholische Kirche stabilisiert.

Das nur als Ausblick. Die Mannheimer Ausstellung aber interessiert sich für die 1500 Jahre gemeinsamen Christentums in der von den Päpsten geführten lateinischen Kirche von Rom, auf die wir in den nächsten Teilen eingehen.

P.S. Ohne das länger ausführen zu wollen, fragen viele nach der unterschiedlichen Bezeichnung von protestantischer und evangelischer Kirche. „Protestanten“ geht auf das Jahr 1529 zurück, wo die evangelischen Stände beim Reichtstag zu Speyer gegen die Aufhebung eines älteren Reichtagsbeschlusses protestierten, der für die Länder, die die Reformation eingeführt hatten, Rechtssicherheit zugesichert hatte, was widerurfen wurde. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde dann der eigentlich ungeheuerliche gegen die 'Freiheit eines Christenmenschen' (Luther) zielende Grundsatz obrigkeitsstaatlicher Glaubensfestlegung beschlossen. Cuius regio, eius religio (Wes des Fürst, des der Glaub') galt bis zum Westfälischen Frieden 1648.

Heute dagegen werden im deutschen Sprachgebrauch die Adjektive protestantisch und evangelisch fast synonym verwendet, ohne es zu sein, weshalb wir oben nur von den evangelischen Kirchen sprachen. Diese Bezeichnung, noch dazu als Oberbegriff, war allerdings zu Luthers Zeiten völlig unbekannt. Damals sprach man von lutherisch oder reformiert.
Fortsetzung folgt


Foto: © rem-mannheim.de

Info: DIE PÄPSTE und die Einheit der lateinischen Welt
21. Mai bis 31. Oktober
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
Museum Zeughaus C 5