DIE PÄPSTE und die Einheit der lateinischen Welt in Mannheim bis 31. Oktober, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Pressekonferenz vor der Eröffnung am Wochenende war entsprechend der wissenschaftlichen Fundierung der Ausstellung und ihrer kunsthistorisch wertvollen Ausstattung sowie den lichtempfindlichen herrlichen Manuskripte und frühen Büchern hochrangig besetzt.

Inhaltlich hatten vor allem Alfried Wieczorek als Generaldirektor und der Mediävist Stefan Weinfurter als Direktor der Forschungsstelle Geschichte und kulturelles Erbe an der Universität Heidelberg viel zu sagen. Für Weinfurter war es „die größte und anspruchsvollste Untersuchung“, die er je wissenschaftlich begleitet hat, was einfach auch an dem gewaltigen Zeitmaß von der antiken Welt bis zur Renaissance liegt. Und Alfried Weiczorek hatte ja schon gleich zu Beginn sehr bescheiden darauf verwiesen: „Wir haben uns umgeguckt, ob in diesem Jahr auch die Vorgeschichte erzählt wird – also das, was Luther und der Reformation vorgelagert ist. Und da haben wir festgestellt – da ist noch nichts.“

Also ran an das Eingemachte der Kirchengeschichte. Logisch, daß man die 1500 Jahre gemeinsamer christlicher Vergangenheit ebenfalls in zeitlicher Kontinuität dann räumlich gliedert. Dies gelingt in drei Stockwerken. Im Erdgeschoß geht es um die Antike, also die Entstehung des Christentums, wenn es im Westen in Rom ankommt, wo mit Petrus der Fels seinen Sitz fand, auf dem Jesusu Christus nach Matthäus 16, 18 seine Kirche bauen wollte. Da heißt es sogar: „Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Dir will ich die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was du binden wirst auf Erden, wird gebunden sein im Himmel, und was du lösen wirst auf Erden, wird gelöst sein im Himmel. Ganz nützlich die Evangelien immer mal wieder durchzulesen, denn hier bekommt man ja den Eindruck, daß die als heilig erklärte Ehe im Kirchenbund, von der Kirche auch wieder gelöst werden könnte…

Inzwischen gibt es sogar Anfeindungen der Übersetzungen, denn daß der Name Petros im Griechischen der Fels ist, ist bekannt, aber der Fels sei Jesus Christus, der ja geradezu immer gegen Institutionen angekämpft habe und nie und nimmer eine feste Kirche mit einem Oberhaupt gewollt hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette...Es gibt den Papst und die Institution der Päpste führt sich auf Petrus zurück. Und hier klotzt die Ausstellung gleich zu Beginn zweifach: ein kleines Kästchen aus Elfenbein aus dem 5. Jahrhundert hat auf der Frontseite die Darstellung der Petrusmemorie. Die steht, extra für diese Ausstellung nachgebaut als Gedenkstätte dann in strahlendem Weiß vor uns.

Die Gegenstände sind das eine, es müssen aber auch in der Ausstellung solche grundsätzlichen Fragen beantworten werden, wie es dem Christentum überhaupt gelingen konnte, aus kleinen Gemeinden im Osten des Römischen Reiches zu einer Weltreligion zu werden, die, seit das alleinige Zentrum Rom wurde, auch schließlich auf Dauer am Standort Rom blieb.

Im ersten Stock ist dann das mittelalterliche Papsttum angesiedelt, wobei natürlich die Zeiten nicht rigide abzugrenzen sind. Wann endet die Antike, wann beginnt das frühe Mittelalter? Das bleibt hier unwichtig, denn die Spätantike gibt als Übergangszeit gleichzeitig den Beginn des Papsttums vor. Als erster Papst gilt einerseits Petrus, aber das erste gesicherte Datum eines Papstes in Rom nennt Anterus im Jahr 235-236. Und erst mit Gregor I. Von 440-461 setzt ein geregelte und nachweisliche Abfolge von Päpsten ein. Rom ist und bleibt nach Dissonanzen und jahrelangen Papstvaganzen sowie mehreren Schismen (mehrere Gegenpäpste in der Spätantike, dann ab 11. Jahrhundert gehäuft, bis Avignon und dem Ende des abendländischen Schisma) Hort und Ort des Papsttums.

Welche Institution auf der Welt ist eigentlich älter als der Stuhl Petri in Rom, eine Institution, die noch besteht und deren Ende nicht abzusehen ist, eine Institution, die sich gerade vor unseren Augen erneut auf die heutige Welt einläßt, sich moderat reformiert und mit dem gegenwärtigen Papst Franziskus aus Argentinien einer ursprünglichen christlichen Botschaft anhängt, die im Sinne der Barmherzigkeit handelt.

Folgerichtig sind im Mittelalter, also im ersten Stock, die wesentlichen Auseinandersetzungen in der römisch-katholischen Kirche zu sehen. Anhand von Schriften, von Bildern oder von Erklärungen. Den Konzilien kommt dabei eine wesentliche Funktion zu. Und die wichtigsten Glaubenssätze sind in ihren Aussagen und Minder- wie Mehrheitsmeinungen in der Ausstellung sehr gut dokumentiert, worauf wir noch zurückkommen. Aber neben dem innerkirchlichen Streit fallen in diese Zeit auch die Auseinandersetzung zwischen kirchlicher und weltlicher Herrschaft.. Denn auch, wenn das Jesu-Wort “Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist... ” in Markus 12,17 eigentlich einen staatlichen Anspruch legitimiert, so haben die Päpste in Rom doch immer wieder auch Anspruch auf weltliche Macht formuliert und sogar mit militärischen Mitteln durchzusetzen versucht. Über Gregor VII. , dictus papae und den Gang nach Canossa wird noch gesondert zu sprechen sein.

Gerade, wenn man sich in letzter Zeit eben auch mit den theologischen, transzendenten und kirchenpraktischen Widerständen gegen die Lehre aus Rom beschäftigt hat, fällt auf, daß diese Probleme und Widersprüche im Hochmittelalter alle schon einmal im Rahmen der Kirche oder gegen sie formuliert waren. Das zeigt die Ausstellung im Ersten Stock richtig gut, wenngleich sie nicht beantworten kann, weshalb dieselben Fragestellungen dann nach und mit Luther und der durch ihn initiierten Reformation zu einer neuen christlichen Kirche, den evangelischen Kirchen führten. Aber dies hatte ja auch unabhängig von Luther eine Eigendynamik entwickelt, die von Martin Luther gar nicht einmal intendiert war und ihm durchaus unheimlich war.

Deshalb bleibt das Mittelalter im ersten Stock eben auch infolge der spannenden theologischen Auseinandersetzungen und kirchlichen Entscheidungen der wichtigste Teil der Ausstellung, die dann mit der Renaissance im zweiten Stock der Kunst die Tore noch weiter öffnet, als bisher schon geschehen. Ehrlich gesagt, lohnen schon die Gemälde und anderen Kunstwerke im zweiten Stock jede Fahrt nach Mannheim. Diese Kombination aus Geschichtlichem und den bildlichen Darstellungen der Päpste als Kirchenfürsten auf den Leinwänden ist umwerfend. Prunk, Pracht und Macht werden zu Insignien des Papstums, Ausdruck des obersten Bischofsamts der katholischen Christenheit in Rom, die das westliche Europa bis nach Polen dominiert, was sich ja gerade in Polen noch heute zeigt.

Daß auch die Stadt Rom vom Glanz des Papstsitzes profitierte, sieht man nicht nur an den Kirchen und Palästen sowie dem Vatikan. Geradezu als MAGIE DES ORTES kommt es einem vor, daß die Europäische Union( EU) heute darauf fußt, was mit den Römischen Verträgen vom März 1957 – die 50 Jahre wurden gerade gefeiert - begann, mit denen zum 1.1. 1958 die EWG gegründet wurde, die mit den Ländern Italien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande und Westdeutschland die Keimzelle für die heutige Europäische Union bildeten. Normalerweise denkt man bei den Römischen Verträgen nicht an die Katholische Kirche und die Päpste in Rom. Besucht man diese Ausstellung, werden einem die heutigen Zusammenhänge in ihrem unterschwelligen historischen Kontext fast unheimlich. Ewige Stadt, ewige Kirche, ewige EU?

Fortsetzung folgt.


Foto: Einer oder eigentlich der berüchtigste Borgia-Papst Alexander VI. © rem-mannheim.de

Info: DIE PÄPSTE und die Einheit der lateinischen Welt
21. Mai bis 31. Oktober
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
Museum Zeughaus C 5


Teil 1 in Weltexpresso:

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