Serie: Island als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse in Frankfurter Museen, Teil 1
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Museumsdirektor Egon Wamers konnte in der Pressekonferenz auf die Töchter des Landes bauen, saßen doch gleich drei Frauen ihm hilfreich zur Seite, deren Familiennamen alle auf …dóttir enden, was eben Tochter des…bedeutet. Darunter die Generaldirektorin des Nationalmuseums Island, Margrét Hallgrímsdóttir, die zum Thema der Ausstellung „Geschichten und Funde aus dem Alten Island“ ausführte, daß die Literatur des Alten Island in Form der Sagas und der Edda weltbekannt ist, daß aber erst seit gestern systematisch archäologische Ausgrabungen stattfinden, deren Funde all das bestätigen, was in den alten Schriften sehr konkret beschrieben wird, von der Kleidung angefangen, über die Ortsbeschreibungen, das Essen, die Werkzeuge u.a., was man aus Männer- und Frauengräbern barg.
So liegen nun in den Vitrinen die Knöpfe, Perlen, Bronzen, ja, auch Waffen original vor unseren Augen, was auch für die eine Handschrift aus dem 14. Jahrhundert gilt, die Islandsaga des Wikingerhelden Egil Skallagrímsson – …son heißen die Söhne -, die wir mit großem Interesse bestaunen und die ausführlichen Erläuterung sowie Übersetzungen genau durchlesen. Bequemer allerdings ist es, sich an die bereitstehenden Tische zu setzen und aus dem Regal nach der gerade erschienenen Neuübersetzung der Isländischen Sagas aus dem S. Fischer Verlag zu greifen und selbst auf Deutsch zu lesen. Allein, um die vier Bände – insgesamt gibt es 35 Sagas - und den Erläuterungsband durchzulesen, müßten Sie die nächsten Wochen im Museum verbringen. Aber wer, wie wir, sich an einer der bereitstehenden Ausgaben – es gibt tatsächlich mehrer und weitere in anderen Verlagen erschienene Sagas auch – festliest, der will sie sowieso für zu Hause haben.
Hausherr Egon Wamers hatte zuvor den Stellenwert der alt-isländischen Literatur für die heute 320 000 Einwohner Islands, ja tatsächlich nur halb so viele wie Frankfurter, der Insel ganz oben im Norden, dargelegt. Erst im 13. und 14. Jahrhundert wurden die seit dem 9. Jahrhundert tradierten Erzählungen aus der Wikingerzeit auf Pergament und in Altisländisch niedergeschrieben. Anders als wir mit unserem Althochdeutsch können die Isländer ihre alte Sprache noch heute problemlos lesen und verstehen. Neben den spannenden, ja geradezu dramatischen Sagas in Erzählform, kennen wir die 1270 entstandene Edda als Liederschrift mit den Götter- und Herkunftsverweisen und die weniger bekannten Skalden als Lyrik. Bei allen drei literarischen Formen geht es um Liebe, Haß, Kampf, Verrat, Vergeltung, Natur. Wenn man dann noch hört, daß in Deutschland, angeblich dem Land der Dichter und Denker, pro Jahr und Einwohner im Schnitt zwei Bücher verkauft werden, in Island aber acht, wird man kleinlaut und es wächst die Hochachtung.
Diese Ausstellung im Archäologischen Museum hat aber noch mehr zu bieten. Neben einer Stele, auf der in Augenhöhe ein Bildschirm den Finger zum Herumwandern animiert, um vertiefende Informationen über die einzelnen isländischen Handschriften abzufragen, hat es uns vor allem die kleine mittelalterliche Schreibwerkstatt angetan, die sinnlich erfahrbar macht, wie das damals war, als mit Stilus und Wachstafel die Buchstaben geschrieben wurden und als technologische Revolution nach dem Schreiben auf Rollen, die Schreibunterlage aus der Haut von Tieren, meist von Kälbern, gewonnen wurde, beschnitten und in Codices mit zwei Holzdeckeln zusammengefaßt als Bücher den Alphabetisierungsprozeß verstärkt in Gang setzten. Niedlich, daß das alles vor uns liegt, die gefassten leeren Blätter und die schönen weißen Scheibfedern, aber daneben steht: Bitte nichts hineinschreiben. Dabei reizen die leeren Seiten absolut dazu.
Stattdessen kann man aber die hinter Glas ausgestellten weiteren Utensilien zum Verfassen der Schriften begutachten, zu denen – ganz wichtig – die Farben gehören, denn die Illumination von Handschriften machten diese erst zu dem sinnlichen Genuß und geben uns auch heute Aufschluß über Handhabung von Dinge, die nun nach den Ausgrabungen auch in plastischer Form hinter Glas vor uns liegen. In einem Video schreibt ein belgischer Künstler mit dem Kielmesser einen Satz aus der in der Vitrine liegenden Saga nach: formschön und kunstvoll. Aber auch zwei Spielfilme präsentiert das Archäologische Museum neben Lesungen und Vorträgen sowie musikalischen und künstlerischen Veranstaltungen, die sicherstellen sollen, daß Island, der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, in Breite und Tiefe erfahrbar wird, weshalb wir das Programm einschließlich der Führungen unten anfügen.
www.archaeologisches-museum.fankfurt.de
Felicitas Schubert
P R O G R A M M
Führungen
Isländersagas und Archäologie
sonntags 11 Uhr
Führung kostenlos + Eintritt
Gruppenführungen nur nach Anmeldung
€ 60 + Eintritt
Lesungen
Arthúr Bollason liest Auszüge aus den Isländersagas – auf Isländisch und Deutsch
Sonntags, 9. und 23. Oktober, 13. November, jeweils 16 Uhr
Lesungen kostenlos + Eintritt
Die Isländersagas. Literatur - Geschichte - Archäologie
Vorträge
5. Oktober 2011 Die Isländersaga als literarische Gattung
Prof. Dr. Klaus Böldl, Kiel
12. Oktober 2011 Die Skalden - isländische und norwegische Dichter des Mittelalters
Prof. Dr. Klaus von See, Frankfurt am Main
19. Oktober 2011 Contemporary Archaeology in Iceland. Recent excavations and the new facets of the past
Prof. Dr. Steinunn Kristjánsdóttir,Reykjavik
26. Oktober 2011 How Heroic Are the Saga Heroes?
Prof. Dr. Vésteinn Ólason, Reykjavik
2. November 2011: Nahrung und Mahlzeiten in den Isländersagas
Eva Kraus M.A., Kiel
9. November 2011: Alte Überlieferungen in den Isländersagas
Dr. Alexandra Pesch, Schleswig
16. November 2011 Verachtet ist der nackte Mann. Kleidung und Gesellschaft in den Isländersagas
Anita Sauckel M.A., Kiel
23. November 2011 Halle oder Hütte. Die symbolische Funktion des Hauses in den Isländersagas
Dr. Lydia Klos, Schleswig
30. November 2011 Berserker und Bärenkrieger. Die Unholde der Isländersagas und ihre altertumskundliche Wirklichkeit.
Prof. Dr. Egon Wamers, Frankfurt am Main
In Zusammenarbeit mit dem Instituts für Skandinavistik der Goethe-Universität Frankfurt
Zeit: jeweils mittwochs, 18 Uhr
Eintritt frei
Sagaklänge
Ein archaisch-mittelalterliches Konzert des Ensembles Voces Thules mit Guðlaugur Viktorsson, Eggert Pálsson, Einar Jóhannesson, Eiríkur Hreinn Helgason und Sigurður Halldórsson
Samstag, 1. Oktober 2011, 20 Uhr (Einlass ab 19.00 Uhr), Eintritt € 15, ermäßigt € 12
Saga-Verfilmungen
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Die Gisli-Saga
Regie: Ágúst Guðmundsson
Island 1981
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Der Flug des Raben
Regie: Hrafn Gunnlaugsson
Island/Schweden 1984
Jeweils mit einer Einführung von Matthias Wagner K
Beginn 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr), Eintritt € 8, ermäßigt € 4
Veranstaltungen für Schulklassen und Familien
Arthúr Bollason und Tilman Spreckelsen erzählen von den Helden der Isländersagas und ihren Abenteuern.
Für Schulklassen der Jahrgangsstufen 5 – 7:
Mittwochs, 2. und 16. November, 10 bis 11 Uhr
nach Anmeldung unter 069 / 212-35896
Teilnahmegebühr: € 3 pro Schüler / Begleitperson
Für Familien mit Kindern ab 8 Jahren:
Sonntag, 20. November, 16 Uhr , Erzählung kostenlos + Eintritt