Serie: Viele Jubiläumsausstellungen: 150 Jahre Gustav Klimt in Wien, Teil 7

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Nach den glitzernden oder die Wände bedeckenden Klimtausstellungen im übrigen Wien, tut die Stille und die edel-sparsame Dekorierung der zwei Räume im Österreichischen Theatermuseum gut, die das zeigen, was über die Nationalbibliothek als Nachlaß von Hermann Bahr überkommen ist: das einst ihm gehörende Gemälde NUDA VERITAS von 1899 und seine als Buch herausgekommene Anti-Schmähschrift GEGEN KLIMT 1903.

 

Letzteres zuerst, weil es erklärt, wo der Theaterkritiker und Essayist und 1863 in Linz geborene Bahr stand, als im Kampf um die gesellschaftliche Meinungsführerschaft in Wien, was Kunst sei und vor allem, was gute Kunst sei, sich der durchaus einflußreiche Hermann Bahr mit journalistischen Pauken und Trompeten auf die Seite der Reformer stellt, derjenigen, die das Alte für verrottet und erledigt erklärten und mit neuem Schwung in der Secession nicht nur an neuer Kunst, sondern auch an einem neuen Verhältnis zu ihr anknüpften, sprich: an der Veränderung der Lebensverhältnisse interessiert waren. 

 

Gemeinsam mit dem Maler Kolo Moser gab er den GEGEN KLIMT heraus, dessen Vorwort man an der Wand entlanggehend lesen kann und feststellt, daß es eine Menge von Gemeinplätzen sind, auf beiden Seiten. Denn nur im Vorwort kommt Bahr zur Sache und entwickelt, aus welchen – gut einsehbaren - Gründen er diese Schmähschrift der anderen publiziert. Dann folgen diese verschiedenen Schmähschriften im Buch, allesamt Zeitungsartikel aus damaligen Publikationen, die – und da haben die Autoren recht – gar keine Kommentierung, gar Erwiderung brauchen, weil sie vom Sprachgebrauch und der ideologischen Richtung das ausdrücken und perpetuieren wollen, was von gestern war, weil gestern die Mächtigen dies für richtig hielten.

 

Es ist also die alte Geschichte, aber für uns deshalb wichtig, weil schnell vergessen wird, wie die Secessionisten - heute alle groß in Ehren, Joseph Maria Olbrich, der Erbauer des Secessiongebäude als weißen Kubus, hat auch das Wohnhaus von Bahr in Ober St. Veit gebaut, Teil des 13. Bezirks, in dem Klimt in der Feldmühlgasse sein Atelier betrieb – wie die Secessionisten also erst verteufelt wurden. Alle und ihr Anführer Klimt im Besonderen. Und diese Atmosphäre von Haß, von klimt- und kunstkritischen Schmähungen hat Bahr als entlarvende Zusammenstellung im GEGEN KLIMT gesammelt.

 

Daß dem Museum über den Nachlaß von Bahr nun die NACKTE WAHRHEIT gehört, wußten wir nicht und freuen uns an der Ausstellung, die sakral inszeniert, im schmalen langen abgedunkelten Raum ihr die „Altarseite“ gibt. Wir kannten das Bild als NUDA VERITAS, aber lesen vergnügt, daß Klimt sie in den schriftlichen Kaufbriefchen – wie eben unter Freunden, ohne großen Kaufvertrag – immer die NACKTE WAHRHEIT nennt. Bahr bezahlte in Raten 4 000 Kronen, was nicht wenig war.

 

Hermann Bahr hatte in seinem Olbrichhaus – der Originalbriefkasten hängt auch in der Ausstellung – an einer Tür in der Mitte eine kleine viereckige Hexe hängen, von Klimt gemalt, leider etwas verblichen, wie das Original rechts zeigt, während an der Originaltür, die man hat aus dem Haus retten können, eine richtig rothaarige Hexe als Kopie hängt. Der Zusammenhang ist wichtig, denn Bahr schreibt im Zusammenhang der Ausstellung der WAHRHEIT am 18.3. 1899, „mit wilden Locken, die er liebt und dem böse und fanatischen Mund, den wir von seiner ‚Hexe‘ kennen. Auf dem Bild steht das stolze Wort: „Mach es wenigen recht. Vielen gefallen ist schlimm.“

 

Ein andermal notiert Bahr über die WAHRHEIT: „Damit lebe ich nun Aug in Aug seit achtzehn Jahren, und will ich einmal müd werden, so blick ich hin, da geht’s schon wieder.“ Und nun stehen wir vor ihr und haben uns vom Herrn Direktor versichern lassen, daß wir das nun öfter können, denn sie wird im Originalrahmen im ersten Stock eine ständige Ausstellung werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil wir heute zum Bild außer der Abbildung nur den Hinweis geben wollen, daß wir uns mit dieser Darstellung einer nackten Frau gesondert befassen wollen. Denn sooft ist sie uns jetzt bei den Klimtausstellungen aufgefallen! Auch die Pallas Athene hat diese kleine Frau als Abbild bei sich, die hier groß und mit langen Locken und mit dem Spiegel in ihrer Rechten nackt auf einer Wiese steht und tatsächlich Schillers Sentenz als „Überbau“ trägt: „Kannst Du nicht allen gefallen durch Deine That und Dein Kunstwerk – Mach es Wenigen recht. Vielen gefallen ist schlimm.“ Hier geht es um künstlerische Wahrhaftigkeit, die mit Kompromissen nichts anfangen kann. Eine Haltung, die wir uns merken werden.

 

bis 29. Oktober

Leider keine Schrift zum Ereignis, was sich gelohnt hätte.