k stade17Life is funny, my deer. Ausstellung von Thorsten Brinkmann vom 21. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018 in Stade

Hubertus von Bramnitz

Stade (Weltexpresso) - Vor 100 Jahren präsentierte Marcel Duchamp ein fabrikneues, signiertes Pissoir in New York als Ausstellungsexponat, das eine skandalträchtige Debatte auslöste und die Grenzen zwischen Kunst und Alltag nachhaltig verschob. Duchamps Fountain (1917) markiert die öffentliche Geburtsstunde des Readymades. Die Erklärung eines industriell gefertigten Gebrauchsgegenstandes zur Kunst veränderte das künstlerische Schaffen nachhaltig und provozierte eine Auseinandersetzung, die bis heute anhält.

Mit den Werken von Thorsten Brinkmann zeigt das Kunsthaus Stade eine Ausstellung zur Aktualität des Readymades im 21. Jahrhundert.


Thorsten Brinkmann

In seiner Kunst verwendet Thorsten Brinkmann Alltagsgegenstände in verschiedenster Weise. Ausrangierte Blecheimer, Gardinenstangen, Schüsseln, Eierbecher, Kleidungsstücke und Kühlschränke gehen unerwartete, skurrile Verbindungen ein. Es entstehen „Kurzschlüsse“ zwischen verschiedenen Gegenständen sowie zwischen Dingen und dem Körper – eine Zunge hängt an einer Gabel, ein Fuß ist mit einem Duschschlauch verbunden oder Finger einer rosafarbenen Hand sind durch wackelnde Wiener Würstchen ersetzt. Gelegentlich provozieren die Objekte erotische Assoziationen, etwa wenn ein beigefarbener Schaumstoffblock phallisch aufgerichtet so labil ist, dass er ins Schwanken gerät. In Arbeiten wie der Fotoreihe Portraits of a Serialsammler (2006-heute) werden Gegenstände und Kleidungsstücke zur Folie für kulturell aufgeladene Figurendarstellungen. Brinkmann selbst posiert dabei im Stil des historischen Porträtbildes, das er auf amüsante Weise konterkariert. Mit einfachen Mitteln realisiert er Objektassemblagen sowie fotografisch oder filmisch umgesetzte Szenen, die ein humorvoll ironisches Bild unserer Zeit zeichnen.

Die Arbeiten des 1971 in Herne geborenen Brinkmann können als Auseinandersetzung mit einer spät-kapitalistischen Logik gelesen werden, deren Auswüchse man entweder mit scharfer Kritik, Verweigerung oder einer guten Portion Humor begegnen kann. Brinkmann entscheidet sich konsequent für den zweiten Weg. In einer Vielfalt unterschiedlicher Medien wie Video, Fotografie, Skulptur und Rauminstallation zeigt er Arbeiten, deren Anblick bei all ihrer inhaltlichen Reichweite absurd komisch wirken. Im Kunstbetrieb ist dies durchaus eine Besonderheit, die Brinkmann selbst nüchtern kommentiert: „Ich habe vor, noch viele Jahre zu arbeiten, also tue ich Dinge, die für mich selbst möglichst unterhaltsam sind“.


Ausstellung und Katalog

In Brinkmanns Werken verlassen die Alltagsgegenstände ihren bekannten Zusammenhang, werden dysfunktional und finden sich in neuen Ordnungen wieder, die ein Eigenleben entwickeln. Themen wie der heutige Objekt-Fetischismus, die Migration von Dingen und die Symbiose von Gegenstand und Körper werden in der Ausstellung zur Diskussion gestellt.

Zahlreiche Preise und Einzelausstellungen in Belgien, Holland, Mexiko, Irland, den USA und der Schweiz zeugen vom hohen Ansehen, das Thorsten Brinkmanns Werk international genießt. In Deutschland gab es bisher jedoch erst wenige institutionelle Einzelpräsentationen. Das Kunsthaus Stade zeigt erstmalig eine Überblicksschau mit Arbeiten aus allen Werkphasen seines reichen Schaffens – ein "Heimspiel" für den in Hamburg lebenden Künstler. Präsentiert werden über 60 Arbeiten, darunter einige, die eigens für die Ausstellung im Kunsthaus gefertigt sind.


Foto: 
Thorsten Brinkmann, So viel wie möglich auf einmal tragen, 2003 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Info: 
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreich bebilderter Katalog im Verlag für moderne Kunst mit Texten von Luisa Pauline Fink, Dietmar Rübel und einem Gespräch zwischen Thorsten Brinkmann und Franz Erhard Walther.
Thorsten Brinkmann, Röckler, 2016 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017