Serie: Das Ikonen-Museum Frankfurt wagt sich an die letzten Geheimnisse, Teil 2/3



Claudia Schulmerich



Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Denn mit ADAM UND EVA fing alles an, fing die Ursünde an und die Notwendigkeit zu büßen, die erst Fegefeuer und Hölle konstituieren. Die erste Ikone ist aus dem 16. Jahrhundert und eine Dauerleihgabe aus Berlin; die nebenstehende aus dem 18. Jahrhundert zeigt die ERSCHAFFUNG DER WELT.



Johannes der Evangelist beschreibt die Apokalypse



Damals war die Welt noch in Ordnung, die durch die Erbsünde eine irdische mit Arbeit geplagte wurde. Liebevoll sind die sieben Tage in kleinen Täfelchen auf der großen Ikone dargestellt. Natürlich findet die Scheidung in Tag und Nacht und die Darstellung dieser Nacht auf schwarzem Grund statt. Es geht weiter mit demjenigen, dem wir unser Wissen über die Modalitäten des Weltuntergangs und des Jüngsten Gerichts verdanken: Johannes der Evangelist hat als alter Mann auf der Insel Patmos seinem Schüler Prochoros diktiert, was wir als OFFENBARUNG kennen, denn der Heilige Geist ist über ihn gekommen, was in anderen Ikonen durch einen Engel angezeigt ist, der ihm die Worte Gottes, die er zu offenbaren hat, ins Ohr flüstert. Johannes der Evangelist ist zusammen mit seinem Namensbruder, Johannes dem Täufer, dann doch die wichtigste Figur um Christus, wenn man von Maria, der Gottesmutter absieht.



Kaum denkt man das, wird man schon mit den nächsten Ikonen der Lüge gestraft. Der Erzengel Michael ist hier gleich mehrmals vertreten, sitzend auf dem geflügelten Pferd, das meist rotgrundig ist, als apokalyptischer Reiter, denn er wird dann derjenige sein, der als Richter mit der Waage die Seelen wägt. Oft ist auch sein Gesicht in Rot getaucht, was seine Nichtleiblichkeit, seine Unkörperlichtkeit anzeigt, die die Eigenschaft aller Engel ist. Überhaupt die Engel. Hier kann man wieder einmal sein Wissen auffrischen, wie das ist mit der Engelsordnung, die unteren die Throne und dann beispielsweise bei dem Entschlafen Mariens, wie man die Koimesis korrekt ausdrücken muß, was im Westen Marientod geheißen, die obersten Engel die Ehre haben, die Seele der Gottesmutter gen Himmel zu geleiten, die Cherubim und Seraphim. Auf den Engelssturz und die gefallenen Engel kommen wir auch gleich.



Das allumfassende Weltgericht



Denn jetzt stehen wir vor der vielleicht wichtigsten Tafel der Ausstellung aus dem 18. Jahrhundert, was unser Verständnis vom Weltgericht angeht. Auf 1,10 x 0,70 Meter wird in einem Horror vacui jeder Zentimeter genutzt, um paradigmatisch in horizontaler Gliederung das Geschehen zum Jüngsten Gericht bildlich zu machen. Ganz oben rollen die Engel den blauen Sternenhimmel ein. Die Sonne verfinstert sich. Die Gesetzestafeln werden von Gottvater an den Sohn gegeben. Der sitzt in Doppelunion gleichzeitig in der Mitte zur Rechten des Vaters mit der Taube über beiden zur Dreifaltigkeit.



In der nächsten Abteilung sehen wir Maria links von Christus und Johannes den Täufer rechts von ihm als Fürbittegruppe, Deesis genannt, und in jeder Ikonostase jeder Ostkirche in der Mitte zur Stelle. Links und rechts versammeln sich zusätzlich die Aposteln, sie sind hier das Richterkollegium, hinterfangen von den Engelscharen. Dann erscheinen Adam und Eva. An Adams Ferse ist der Kopf der Schlange, die sich nun über die gesamte Ikone bis ganz nach unten windet und rechts im Höllenrachen endet. Die Schlange war es, die Adam über Maria verführte, aber er ist nun nach seinem Dasein in der Vorhölle geläutert, was der Schlangenkopf in Ambivalenz andeutet. Mit der Ferse kann Adam diese Schlange auch zertreten.



Auf der dritten Ebene sind nun die Engel versammelt, die auf Wolken thronen. Throne heißen auch die niedersten der in der Engelsordnung hierarchisch gegliederten Engelschar. Es sind die der ersten Triade von denen es zwei weitere gibt, zu denen in der dritten Triade auch die Erzengel und Engel gehören. Die Engelshierarchien hatte das vierte Laterankonzil im Jahre 1215 beschlossen. Für ihre bildliche Darstellung auf Ikonen gibt es auch heute noch genaues Wissen. Das Malerhandbuch von Berg Athos legt ihre Ordnung und die Gestaltung fest und auch, daß die Dreifaltigkeit nach dem Neuen Testament mit Engelschören bestückt ist. Zurück zur Ikone. Genau in der Mitte der Tafel ragt nun eine Hand nach unten. Sie hält die Waage, die die Seelen der Menschen wägen wird. Fortsetzung folgt.



Anmerkung:



Einen besonderen Hinweis wert ist die geradezu didaktische und gleichermaßen ästhetische Gestaltung der Ausstellung, weswegen wir sie auch denen empfehlen, die bisher mit Ikonen wenig anfangen konnten. Auf der einen Seite werden in den großen Vitrinen allein die bemalten und beschrifteten Bildertafeln, also die Ikonen, gezeigt. Ein wunderbarer ungestörter Eindruck. Unten in der Vitrine erfolgen die konkreten Bildangaben. Oben links auf dem Glas der Vitrine hat man zuvor das Thema erfahren können, das ein bestimmter Heiliger wie JOHANNES DER EVANGELIST sein kann, oder ein Thema wie WELTUNTERGANG oder eine Ikonenart wie Festtagszyklen. Hinzu kommt und das ist neuartig, daß auf dem Glas kleine Schrifttafeln angebracht sind, in denen die Übersetzungen der Texte auf der Ikone stehen oder Bibelzitate oder weitere Hinweise. Insgesamt eine so intelligentes wie unauffällige Hilfestellung für jeden.



Bis 27. Januar 2013

www.ikonenmuseumfrankfurt.de