Drei unterschiedliche Ausstellungen in der Kunststation Kleinsassen
Hanswerner Kruse
Kleinsassen (Weltexpresso) - Die große Frühjahrsschau in den Hallen der Kunststation begann am Sonntag mit drei sehr unterschiedlichen Ausstellungen, die dennoch eine konfrontative Einheit bilden.
Ein Engel gluckert Rotwein aus der Flasche. Eine hockende Frau macht ein Selfie unter ihrem Rock. Eine andere steht mit einem Föhn herum. Dazwischen immer wieder melancholisch anmutende Männer mit Clownsnasen. Es sind einzelne Menschen in absonderlichen Situationen, die Peter Blum altmeisterlich malt. Sie treten häufig vor leeren Wänden auf und werfen fast immer mächtige Schatten. Bedingt durch die Maltechnik scheinen sie für einen Moment still aus den Bildern hervorzutreten. Lohnenswert ist es zwischen ihnen zu flanieren und sie zunächst nur anzuschauen ohne die Titel zu beachten. Die Gemälde wirken eigenartig und humorvoll, doch dauernd bleibt etwas Beklemmendes oder Anrührendes zurück.
Blum meint, die Titel der Werke seien Schlüssel: die saufende Himmelsbotin heißt „Rauschengel“, die Föhnfrau „Windsbraut“, eine Frau vor der Rückseite eines Bilderrahmens ist „Herrin der Lage“. Die Bilder sind mehr als sie zunächst scheinen, sie sind vieldeutig, verrätselt und trotz ihres scheinbaren Realismus kein Abbild der Wirklichkeit. Des Malers Blick auf die Menschen in ihrer Müdigkeit, Schlampigkeit oder Laszivität ist nicht denunzierend. Wie in einem angehaltenen Tanztheaterstück präsentiert er, ganz achtsam, Menschen in ihrem Sosein und scheint sie mit dem Titel der Ausstellung aufzufordern: „Faites vos jeux! (Macht Euer Spiel).
Im großen Saal der Kunststation macht Jürgen Paas mit seinen Installationen das totale Gegenteil: Die Arbeiten sind konkrete Kunst und bedeuten zunächst - nichts. Doch seine Plastiken, wie er sie nennt, greifen in unsere Wahrnehmung ein: Der vielfarbige riesige Kreis in der Mitte der größten Halle scheint sich zu drehen, wenn man ganz langsam um ihn herumgeht. Immer wieder beginnen auch seine anderen Objekte aus bunten Farbstreifen unsere Wahrnehmung buchstäblich in Bewegung zu setzen. Einige Stücke an den Wänden sehen aus wie aufgehängte Filmstreifen und provozieren eigenes Kino im Kopf. Manche der aufgerollten, monochromen Bänder heißen „Kino“, sie können einen beim Betrachten schwindelig machen.
Viele Artefakte verführen zum Berühren: Man dürfe sie so viel anfassen wie man wolle, meint Kuratorin Elisabeth Heil dazu, aber erst wenn man sie gekauft habe; die Arbeiten in dieser Ausstellung seien nämlich meist käuflich. Überraschend komisch regt die Kunsthistorikerin in der Vernissage die Gäste auch an, zu Hause mit Haribo-Konfekt einige geometrische, streng gegliederte Farbobjekte nachzuspielen.
Den fließenden Übergang zwischen den figurativen Gemälden Blums und den „Brilliant Colors“ (Titel) der konkreten Skulpturen Paas schafft Holger Bär mit seiner Maschinenmalerei. Die ausgestellten Wandbilder weisen farbenprächtige, sich wiederholende Muster auf, lassen manchmal aber auch figurative Elemente wie Bienen- oder Libellenschwärme erkennen. Ganz am Ende der Ausstellung (oder am Anfang, wenn man bei Bär beginnt) erfährt man direkt, worum es geht:
Er hat wegweisende neo-impressionistische Bildwerke des 19. Jahrhunderts, etwa Seurats „Sonntagsspaziergang“, aufgegriffen und nachgeschaffen. Durch seine Technik habe er „den Pointillismus perfektioniert“, wie Monika Ebertowski, Leiterin der Kunststation, in ihrer Begrüßung meint. Die französischen Pointilisten setzten noch mit dem Pinsel ihre Farbpünktchen auf die Leinwände, die sich erst von weitem zu erkennbaren Figuren zusammensetzten. Bär dagegen tüftelt in einem aufwendigen Verfahren am Computer seine Gestaltungen aus, die ein Plotter dann auf Leinwände druckt. So changieren seine Werke letztlich zwischen Malerei und Computerdruck, bei denen jedoch „Jeder Punkt zählt (Titel).
Fotos:
© hwk
Info:
Die Ausstellungen sind noch bis zum 26. Mai geöffnet: Kunststation Kleinsassen Di. bis Sa. von 13 -18 Uhr, sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr.
Über die Salonausstellung von David Weiss, die ebenfalls am Sonntag begann, werden wir demnächst berichten.
www.kleinsassen.de
FOTOs Werke von Peter Blum und Jürgen Paas © Hanswerner Kruse