Die Sammlung Reiner Winkler kommt an die Liebieghaus Skulpturensammlung, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sicher kennen Sie diese Sendung im Fernsehen, in der sich ganz normale Menschen von Stücken trennen, die sie geerbt oder selbst irgendwoher mitgebracht haben, nun wissen wollen, was diese eigentlich wert sind und sie gerne verkaufen wollen. Wenn ich darauf stoße, bin ich jedesmal erschüttert, wie man sich von Dingen trennen kann, mit denen man Jahrzehnte lebte, auch wenn sie nicht immer schön sind, so doch vertraut. Und das wegen ein paar Kröten abgeben?
Nein, das ist ein schlechter Vergleich mit der Übernahme der Elfenbeinsammlung von Reiner Winkler durch das Liebieghaus und doch hat mich an dem Vorgang das Gleiche am meisten interessiert, wie nämlich ein Sammler sich von dem trennen kann, was er ein Leben lang zusammengetragen hat. Ich könnte das nicht, aber ich habe eben auch keine Sammlung...Und wenn man Reiner Winkler persönlich befragt, dann versteht man auch auf einmal, was ihn bewegt. Daß nämlich seine Sammlung ans Städel sollte, die die Stücke im Liebieghaus ausstellt, hat er schon Mitte der 90er Jahre beschlossen und mit dem Städel besprochen. Und ein ominöses Treffen des heutigen Leiters des Städel, Philipp Demandt, mit dem Sammler Reiner Winkler hat diesen bewegt, den Termin der Übergabe nicht erst nach seinem Tod, sondern zu seinen Lebzeiten durchzuführen, wo der ehemalige Sammler Reiner Winkler – er will nämlich nicht weitersammeln – nun bei lebenslangem freien Eintritt ins Städel und Liebieghaus seine eigenen Stücke fast täglich anschauen könnte. Verloren und versteckt sind sie also nicht, die derzeit in Auswahl in einer gesonderten Ausstellung im Souterrain des Liegigehauses zu sehen sind.
Und wenn man mit dem Ex-Sammler und den neuen Besitzern über die Modalitäten der Übernahme spricht, so wird alles zum menschlichen Maß und wir verstehen den Ex-Sammler immer besser. Er hat nämlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht seine gesamte Sammlung weitergegeben, sondern rund 90 Prozent, wie Philipp Demandt schätzt. Und zwar alle die Stücke, die ihm nicht täglich vor Augen waren. Die wichtigsten, weil teuersten Stücke ruhten eh im Safe. Und die anderen waren in eigenen Räumen untergebracht. Rund zehn Prozent der Sammlung waren und sind aber in seinen privaten Räumen aufgestellt. Und genau diese sind auch am Platz geblieben. Er lebt also mit seinen Elfenbeinstücken wie zuvor. Und das sind nicht einmal die wertvollsten, die waren ja – wie gesagt -eh im Safe. Sondern es sind – wie bei jedermann – einfach die Stücke hängengeblieben, an die man einmal sein Herz hängte oder die, die man beizeiten mit einem anderen Exemplar austauschte und sich daran gewöhnte.
Jetzt klärt sich die Sache, eben auch emotional. Der Sammler hat hochherzig das weitergegeben, was besonders wertvoll und was nicht täglich ihm vor Augen war, hat aber die Stücke, an die er im Alltagsleben gewöhnt ist, in seinen Privaträumen behalten. Da konnten wir doch gleich durchatmen, denn genau hieran hatte sich unsere Frage entzündet, wie einer ein Leben lang etwas zusammentragen kann und dann weggeben, so wunderbar das auch für die Öffentlichkeit ist, die die kleinen und größeren Kunstwerke jetzt bestaunen können.
Ein Lieblingsstück? Nein, so etwas gibt es für ihn nicht und er schiebt noch nach, daß natürlich die eine Skulptur ihm besser gefalle als eine andere, daß er aber über die Jahre auch erlebt hat, daß Teile, die ihm ganz viel bedeutet hatten, ihre Bedeutung verlieren und ihm stattdessen auf einmal andere Arbeiten wichtiger werden. Nun lebt er mit vielen Stücken – eben den 10 Prozent – zusammen und dabei soll es auch bleiben.
Nun ist es ja nicht so, daß der Ausstellungstitel DIE SAMMLUNG REINER WINKLER KOMMT AN DIE LIEBIEGHAUS SKULPTURENSAMMLUNG bedeutet, daß der Sammler Winkler seine Sammlung dem Städel schenkt. Dann hieße es nämlich SCHENKUNG DER SAMMLUNG WINKLER oder so. Die Überschrift lautet aber auch nicht ERWERBUNG DER SAMMLUNG. Dann würde man sofort nach dem Preis fragen, den das Museum gezahlt hat. So haben wir es mit einer eher ungewöhnlichen Situation zu tun, in der man gar nicht so genau wissen will, wie es im Detail aussieht, weil einem die vielen feinen Elfenbeinkunstwerke wie ein Geschenk vorkommen, dem man wie die schöne deutsche Sprach sagt, nicht ins Maul schaut.
Und damit sind wir bei einigen herrlichen Werken, um die es in den nächsten Artikeln geht.
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