DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Teil 3
Claudia Schulmerich
Mannheim (Weltexpresso) – Lorenzos Sohn Piero, den sein Vater den Törichten nannte und die Nachwelt den Unglücklichen, blieb nur zwei Jahre an der Macht, denn er hatte sich und damit Florenz dem französischen Usurpator Karl VIII. ausgeliefert, woraufhin er aus der Stadt gejagt wurde und die Medicis zehn Jahre in die Verbannung mußten.
Nun machen wir einen Schnitt und lassen auch die beiden Päpste Leo und Clemens hinter uns, die beide in der Ausstellung auch mit ihren Porträts von Raffael (Kopien des Leo) und Sebastiano del Piombo (Clemens) vertreten sind, nennen nur kurz Giovanni dalle Bande Nere und Alessandro Il Moro , der mutmaßlicher Sohn des Papstes Clemens war, der ihn zum Herzog der Toskana und Herrscher über Florenz machte, ein furchtbarer Kerl.
Da dieser Mörder ebenfalls ermordet wurde, kam mit Cosimo I., Sohn des dalle Bande Nere, der doppelt legitime Nachfolger zum Zuge und schaffte es erst mit kaiserlicher Hilfe von Karl V. und später mit der des Papstes Pius V. 1569 zum Großherzog ernannt und in Rom gekrönt zu werden. Die republikanischen Tage von Florenz und die der Medici waren endgültig vorbei. Aber die Kunst feierte weiterhin Triumphe. Einige echte Gemälde und viele, darunter gute Kopien sind in der Ausstellung zu sehen, die dazu fast alle Bereiche des täglichen Lebens Revue passieren läßt und uns viel über Heilmethoden oder gesellschaftliche Strukturen dieser Jahrhunderte erzählt und neben den Krankengeschichten und kaputten Gliedern auch Gebrauchsgut der Zeit vorstellt.
Am allermeisten allerdings lernen wir über die Krankheiten und absichtlichen sowie natürlichen Todesfälle, weil Anlaß der Ausstellung eben die Exhumierung der insgesamt 28 Familienmitglieder der Medicis war, was mit der Exhumierung von Anna Maria Luisa de' Medici den Höhepunkt fand, die auch hier den krönenden Abschluß bildet. Sie war am 11. August 1667 in Florenz geboren und Schwester des letzten Medici-Großherzogs der Toskana, Gian Gastone de' Medici. Irgendwie klappte das mit den beabsichtigten Ehen nicht und so wurde sie im April 1691 aus kaiserlichen Interessen Leopold I. heraus mit dem Kurfürsten von der Pfalz, Johann Wilhelm, genannt Jan Wellem, verheiratet, zwar in Florenz, aber ohne die persönliche Anwesenheit des Kurfürsten. Dennoch soll die Ehe zu den arrangierten gehört haben, die gut ausgingen, weil die Partner eine zwar kinderlose, aber glücklich Ehe führten, übrigens in Düsseldorf, damalige Residenzstadt der Pfalz.
Nach dem Tod des Gatten kehrt sie mit angesammelten Schätze 1717 nach Florenz zurück und war für ihren herrschenden Bruder erst die Dame an seiner Seite und dann seine Erbin, also Großherzogin. Da auch sie keine Kinder hatte, endet mit ihr das Geschlecht der Medici. Ihre persönlichen Gegenstände, darunter die herrlichsten Kunstwerke, hatte sie der Stadt Florenz vermacht und im Testament festgelegt, daß diese die Stadt nie verlassen dürfen. Wir können diese heute in den Uffizien, dem Palazzo Pitti und an vielen anderen Stellen sehen. Das Großherzogtum dagegen fiel – wiederum in kaiserlichem Interesse – an Franz III. von Lothringen, dem Ehemann der Maria Theresia und späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Doch dies ist eine andere Geschichte und die der Medicis verwickelt genug, die man in Mannheim über mehrere Tage sehr gut studieren kann. Und wie gesagt, der Katalog ist dabei sehr nütztlich!
bis 28. Juli 2013
BEGLEITBAND zur Ausstellung:
DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft; hrsg. von Alfried Wieczorek, Gaelle Rosendahl, Donatella Lippi, Publikation der Reiss-Engelhorn-Museen Band 54, Schnell + Steiner 2013. Wir haben ja schon vorgeschlagen, diesmal den Katalog vor der Ausstellung zu verinnerlichen – und danach noch einmal, weil die Stoffülle der Ausstellung hinsichtlich des Medici-Personals dies sinnvoll macht. Aber, wie immer, interessiert man sich einfach nach der Ausstellung noch stärker für diese im heutigen Sprachgebrauch politisch erfolgreiche „Ausnahmefamilie“,die wenn man ihre Anfänge bedenkt, wenig vom Glanz und mehr von der Hingabe an die gesellschaftspolitische Aufgabe geprägt ist.
Der 414 Seiten lange Katalog wirft in elf Kapiteln Schlaglichter auf die Personen, aber auch auf übergreifende Themen, die sich an bestimmten Personen festmachen lassen, wie im dritten Kapitel PRUNK, MACHT und VERSCHWÖRUNG an Lorenzo il Magnifico oder Guiliano di Piero, die Pazzi Verschwörung, die Medici-Päpste Leo X. Und Clemens VII u.a.Es beginnt mit der Kurfürstin von der Pfalz, wie dieses Florenz, Mannheim und Düsseldorf verbindet und wie sie zu einer ungewöhnlichen Kooperation ihrer Leichenbearbeitung beitrug, aber auch deren Fernsehbearbeitung DIE MEDICI bei ARTE.
Wen die Medici interessieren, für den ist das ein Buch fürs Leben, denn es interessieren nicht nur die familienrelevaten Angaben und Ausführungen, sondern auch deren Eingebundenheit in die Zeit in Kapiteln wie DIE MEDICI BANK (Seite 55 ff), Wirtschaftsdenken im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (65ff) oder REISEN IN DER RENAISSANCE (159 ff) oder HUMANISMUS UND NATURWISSENSCHAFTEN- Der Aufstieg der Medizin in der italienischen Renaissance( 175 ff) oder gar SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND WOCHENBETT (185 ff).
Auch das Unglücklichsein von so vielen Familienmitgliedern wird zum Thema, die keine glückliche Familie darstellen, sondern Mord und Totschlag, Krankheit und Siechtum die andere Seite des gesellschaftlichen Glanzes darstellen. Insbesondere die Frauen, hier die jungen Frauen. Werden als tragische Existenzen begründet. Das Ende der Dynastie mit der pfälzischen Kurfürstin ist nun auch etwas Besonderes. Die Kunstsammlungen der Medici vermachte sie als letzte Medici dem Ursprungsort der Medici, der Stadt Florenz, wogegen keiner etwas sagen kann, wenngleich die Überlegung, sie hätte sie in die Pfalz gegeben, schon etwas hat! Nun werden also Teile davon im Mannheimer rem gezeigt und in diesem Katalog bewahrt.
Vergleiche unsere drei Vorberichte, die stark auf die Exhumierungen eingehen
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/819-fluch-und-segen-eines-familienclans-der-renaissance
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/820-florenz-und-mannheim-sowie-exhumierungen
www.rem-mannheim.de